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Game Review: „Valiant Hearts“

Valiant Hearts – The great War (Ubisoft Montpellier, FR 2014)

Warum gibt es eigentlich so wenig Videospiele, die im ersten Weltkrieg stattfinden? Die offensichtlichsten Genres für eine solche Thematik – Ego-Shooter und Strategie – eignen sich dafür nur bedingt – aufgrund der fehlenden Dramatik und Dynamik sowie des Mangels an „Bombast“. Schließlich sind die starren und zermürbenden Grabenkämpfe an der Westfront zum Symbol dieses Konflikts geworden. Somit ist es ebenso außergewöhnlich wie auch verständlich, dass sich Ubisoft Montpellier bei ihrer spielerischen Inszenierung des ersten Weltkrieges in das Genre der 2D-Adventures/Jump’n’Runs begeben.

Für eine kritische künstlerische Darstellung des Krieges ist das Erzählen persönlicher Leidenswege das wohl bewährteste Konzept. Von Im Westen nichts Neues über Apocalypse now und Band of Brothers bis Spec Ops: The Line – stets geht es um das (oft schon vorbelastete) Individuum, das aufgrund schockierender Erlebnisse (wie dem Tod von Familie und Freunden) zerfällt und – wenn konsequent – am Ende zerstört am Boden liegt.
Dieser Tradition schließt sich auch Valiant Hearts – The great War an. Der französische Soldat Emile, sein Schwiegersohn Karl, der auf deutscher Seite kämpft, die Sanitäterin Anna, der amerikanische Soldat Freddie und ein Kriegshund treffen in den Wirren des Westfrontkrieges immer wieder aufeinander. Auf dieser Grundlage führt das Spiel durch unterschiedliche Schauplätze (die trotzdem alle recht gleich aussehen – ob nun aufgrund des Krieges oder der Grafik). Überall finden sich Zerstörung, Tod und anderweitiges Leid. Wenn man in den ersten Minuten über das Schlachtfeld läuft, links und rechts Geschütze einschlagen und die virtuellen Mitstreiter fallen wie Dominosteine, dann erkennt man schnell, wohin Valiant Hearts führen will: es drängt den Spieler in vielen Momenten in eine passive Rolle, in der ihm bloß die Flucht nach vorn oder hinten bleibt. Es geht nicht ums Töten (tatsächlich zieht keine einzige Handlung des Spielers den sichtbaren Tod virtueller Figuren mit sich), sondern nur ums Überleben.

Der Krieg wird hier nicht zum kurzweiligen Erlebnisausflug gemacht – er ist der eigentliche Feind des Spielers/der Spielfigur; ein Zustand, in den Menschen eher unfreiwillig geraten, den sie verarbeiten und durchleiden müssen. Und dennoch schafft es Valiant Hearts – und darin liegt die wohl größte Stärke des Spiels – den Spagat zwischen diesem schwierigen Thema und einer gelungenen Spielmechanik zu bewältigen. Statt sich in der Minimalistik von Indie-Games zu verlieren, setzen die Entwickler auf basale Eingabemöglichkeiten wie laufen, schlagen, Hebel betätigen und den Hund kommandieren – alles eingebettet in relativ anspruchsvolle und logische Rätsel. Die Mechanik rückt durch ihre Reduktion allerdings in den Hintergrund, was umso mehr das Szenario betont. Vervollkommnet wird dies durch die großartige Optik. Der leicht abstrakte 2D-Comic-Look und die auf Gebrabbel (und einen Off-Sprecher in den Zwischensequenzen) reduzierte Sprachausgabe schaffen einerseits Distanz, andererseits fügen sie sich perfekt in die übrige Darstellung ein, wirken stets homogen und verständlich.

Das Ergebnis ist eine Atmosphäre, die stets zwischen Unbehagen und einer seltsamen Art von Gemütlichkeit, zwischen existenzieller Bedrohung und Ruhemomenten schwankt. Das ist an sich nichts Neues, ja eigentlich sogar Standard bei Spielen, die ein solches Szenario aufgreifen. Valiant Hearts‘ Besonderheit liegt jedoch in der „Banalität“, mit der dies alles geschieht. Sicherlich mag es einige haarsträubende Momente geben. Doch insgesamt (und vor allem im Vergleich mit dem Großteil moderner Kriegs-Shooter) lässt sich eine prinzipielle Ent-Dramatisierung (oder zumindest der Trend dazu) erkennen. Heroismus im großen Stil findet hier quasi nicht statt – wenn, dann nur auf individueller, persönlicher Ebene. Darin liegt dann wohl auch die Essenz von Valiant Hearts: Krieg gebährt keine großen Helden – nur Leid.

Plattform: PC, Xbox 360/One, PS3/4
Veröffentlicht: 25.6.2014
Publisher: Ubisoft
Links:
Offizielle Homepage / Wikipedia / IGN

Bilderquelle: http://valianthearts.ubi.com/game/de-DE/album/index.aspx

Kategorien

Games

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