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Kino Review: „Birdman“

Birdman oder: Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit (Birdman or: The Unexpected Virtue of Ignorance, Alejandro González Iñárritu, USA 2014)

Es ist schwer eine Kritik für einen Film zu verfassen, über den vermutlich schon alles gesagt und geschrieben worden ist. Birdman polarisiert wie kaum ein anderer Film in den letzten 12 Monaten. Nicht auf so einer Ebene wie ein Transformers oder 50 Shades of Grey, sondern eher wegen einer neun Oscar-Nominierungen, aber noch viel mehr aufgrund seiner Machart.

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Quelle: movienewz.com

Wenn ich das Œuvre von Regisseur Alejandro G. Iñárritu auf Grundlage der beiden Filme, die ich bisher von ihm kenne (21 Gramm und Babel), zusammenfassen würde, dann wie folgt: Iñárritu hat nichts Spektakuläres, nichts „Aufregendes“ im klassischen Blockbuster-Sinne zu erzählen, doch ist er stets darum bemüht, es innovativ aufzubereiten und seine Geschichten damit extrem aufzuwerten. Um es kurz zu fassen: er ist ein talentierter Erzähler.
Birdman passt deshalb perfekt in die Werkbiografie des Mexikaners. Riggan Thompson (Micheal Keaton) – ein gealterter Hollywoodstar, der in den 90ern für die Rolle des titelgebenden Superhelden berühmt war – versucht sich nun als Regisseur und Schauspieler in der hohen Kunst des Theaters, um nicht auf der Straße zu landen und damit gänzlich in Vergessenheit zu geraten. Der Film zeigt die letzten, kritischen Tage vor der großen Premiere, von der alles abhängt – und natürlich muss nahezu alles schief gehen.

Was Birdman von den beiden oben genannten Filmen jedoch unterscheidet, ist zum einen seine Stimmung, die sich von dem Iñárritu-typischen Schwersinn und der Melancholie abwendet und stattdessen ins burlesk-komische, ja fast schon klamaukige abdriftet ohne dabei seine Ernsthaftigkeit aufzugeben; und zum anderen die Präsentation. Die ist nämlich nicht dermaßen bruchstückhaft und zergliedert wie ein 21 Gramm, sondern das genaue Gegenteil: eine einzige, zusammenhängende Einstellung. Natürlich wurde dabei getrickst. Birdman ist kein echter One-Shot, aber – und das ist entscheidend – er wirkt wie einer.
Man kann ein ums andere mal erkennen (oder sich zumindest denken), wo diese unsichtbaren Schnitte sind – schon allein aufgrund der Zeitsprünge. Doch Iñárritu schafft es geradezu meisterhaft, die Illusion zu erzeugen, dass eben es keine gibt. Wenn man sich als Zuschauer darauf einlässt, dann erwartet einen eine spektakulärePseudo- Plansequenz mit zahlreichen grandiosen Kamerafahrten und Übergängen. Das technische und inszenatorische Können, den Perfektionismus der Macher und vor allem den Mut, das tatsächlich durchzuziehen, muss man einfach anerkennen. Und wenn dann auch noch ein dermaßen puristischer und on-point-gesetzter Soundtrack seinen Einsatz findet, dann kann man zumindest schon einmal festhalten, dass Birdman ein außergewöhnliches ästhetisches Erlebnis ist, bei dem man seinen Blick nicht von der Leinwand abwenden will aus Angst, eine weitere tolle Kamerafahrt oder den nächsten genialen Übergang zu verpassen.

Trotzdem hat der Film aber auch Substanz. Nicht nur bekommen Keaton, Edward Norton, Emma Stone und das gesamte restliche Ensemble genügend Platz, um sich schauspielerisch zu entfalten – und das in teils überragenden Mono- und Dialogen. Das i-Tüpfelchen ist dann noch die (wenig subtile) Aussage, die Iñárritu mit diesem Film treffen will. Es geht um den scheinbar unlösbaren Konflikt von Kunst und Kommerz, der spätestens seit Adorno ein ewiges Diskussionthema ist. Es geht um Ruhm, um ein Vermächtnis, um das, was wir in der Welt zurücklassen. Vor allem aber geht es darum, einen kleinen Gedenkstein für all die Schauspieler aufzustellen, die vom System Hollywood verschluckt und schließlich vergessen worden sind. Zu all dem gibt Birdman einen kleinen, aber intelligenten Kommentar ab, ohne zu verurteilen oder prätentiös zu werden.

Birdman ist ein gänzlich außergewöhnliches Werk. Es ist ein Film über eine Theateraufführung, der so präzise choreografiert und inszeniert ist, dass er selbst zu einem Bühnenstück auf Leinwand wird. Er ist ebenso mutig wie handwerklich und schauspielerisch brilliant. Und er ist geistreich, ohne zu anspruchsvoll oder „künstlerisch“ zu werden. Birdman ist einfach verdammt gutes Kino  – ein Film, dem ich den Oscar für „Bester Film“ zumindest mehr gönnen würde, als einem Boyhood oder Grand Budapest Hotel. Auch wenn man für ihn eine gewisse Bereitschaft mitbringen muss.

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