Kino Review: „Avengers: Age of Ultron“
Avengers: Age of Ultron (Joss Whedon, USA 2015)
Der große Abschluss der zweiten Phase des Marvel Cinematic Universe ist da. Wie aber vorauszuahnen war, spaltet Avengers 2 die Gemüter: die eine Hälfte findet ihn richtig knorke, die andere ist enttäuscht oder zumindest ernüchtert. Worauf sich sicherlich alle einigen können, ist, dass der zweitgrößte Blockbuster des Jahres – im besten Marvel-Sinne – generisch ist.
Wenn immer wieder die Rede davon ist, dass die Marvel Studios die optimale Filmformel gefunden haben, dann kann man Avengers 2 als Letztbegründung für diese These verstehen. Wer in den letzten fünf Jahren wenigstens ein bis zwei Werke aus dem Film-Universum des Comicverlags gesehen hat, dem sollte bekannt sein, wie gut die Mischung aus Figurendarstellung und -entwicklung, Humor, Action, Storytelling und Ästhetik in diesen Filmen funktioniert. Das heißt einerseits, dass man als Eingeweihter ganz genau weiß, was man bekommt, wenn man eine Kinokarte für Age of Ultron kauft – andererseits aber auch, dass man keinen Bruch innerhalb dieser Formel erwarten sollte.
Genau genommen muss man sogar ein Eingeweihter sein: Avengers 2 bemüht sich (glücklicherweise) nämlich nicht darum, die Geschehnisse der letzten Filme noch einmal umfassend aufzuarbeiten. Stattdessen spart man sich diese Zeit und wirft den Zuschauer direkt in eine Geschichte, die schon wenige Minuten nach der ersten, wirklich grandios inszenierten Schlacht auf den Punkt kommt: die namensgebende KI Ultron – von Tony Stark eigentlich dazu entworfen, um die Welt vor weiteren Angriffen von außen zu schützen – macht sich selbstständig und droht mit der Vernichtung der Menschheit.
Was folgt, ist der gewohnte Wechsel zwischen Gesprächs- und Actionsequenzen: 20 Minuten Charakter- und Storyentwicklung, 20 Minuten Eye-Candy; dazwischen immer wieder lustige Sprüche, beeindruckende Special-Effects und einige tolle Kameraeinstellungen.
Darin liegt zugleich das große ABER von Age of Ultron: er liefert nichts Neues, nicht mal irgendetwas Außergewöhnliches, das ihn entweder aus den bisherigen Marvel-Filmen herausstechen lassen oder zumindest eine großartig andere Ausgangslage für die noch Kommenden bieten würde. Timing und Storyaufbau entsprechen ziemlich exakt dem des ersten Teils und – das ist wohl am enttäuschensten – auch die Grundstimmung ist nicht einmal ansatzweise so düster und deprimierend, wie es noch in den ersten Trailern wirkte.
Das liegt nicht zuletzt am Humor, denn Avengers 2 ist ohne Frage der witzigste aller Marvel-Filme. Die One-Liner- und Gag-Dichte ist höher als vielen aktuellen US-Komödien – für manchen dürfte das schon fast zu viel sein. Meinen Geschmack hat es glücklicherweise recht genau getroffen, auch wenn das Ganze schon sehr berechnet wirkt und, wie gesagt, nicht gerade zu einem ernsten Anstrich der Geschichte beträgt.
Überhaupt kam in den gesamten 140 Minuten selten so etwas wie wirkliche Bedrohung auf. Denn wenn wir mal einen Blick auf ein entscheidendes Kernelement jedes Superheldenfilms legen – den Antagonisten – dann muss man Ultron zumindest zusprechen, einprägsam zu sein. Tatsächlich bekommen wir mit ihm wohl einen der charismatischsten Bösewichte seit Heath Ledgers Dark Knight-Joker. Gleichzeitig wird hier aber auch viel Potenzial verschenkt. Seine Motivation und seine Handlungen sind nie wirklich drastisch und nur selten nachvollziehbar. Oder anders gesagt: Ultron lässt wahre Boshaftigkeit vermissen. Auch ein wenig mehr physische Präsenz und Opulenz sowie eine deutsche Synchronstimme, die an die Tiefe des Originals von James Spader herankommt, hätten ihm gut getan.
Bei der Action muss ich ebenfalls rummeckern: die ist zwar wie üblich toll choreografiert, macht verdammt viel Spaß und stellt die klare Stärke von Avengers 2 dar. Doch ist sie auch extrem anstrengend. Gerade in 3D (was nebenbei bemerkt kein bisschen zum Film beiträgt und nur selten überhaupt mal auffällt) überfordert Age of Ultron die Wahrnehmung stellenweise so sehr, dass man sich über jede der zahlreichen Zeitlupeneinstellungen oder einfach mal eine ruhige Kamerafahrt freut. Letztere sind nämlich leider Ausnahmen: in den Gefechten ist oftmals brutalste Wackelkamera angesagt, was – wie der erste Teil zeigte – weder notwendig war noch gelungen ist.
Aber was soll man machen? Als Popkultur-Nerd kann man Avengers: Age of Ultron nicht wirklich schlecht finden. Man weiß eben genau, was einen hier erwartet – und das ist immer noch eine sehr gute Comic-Verfilmung, an der man gerne herummäkeln, aber die man auch einfach nur genießen kann. Schade jedoch, dass der zweite Teil bei mir nicht mehr so einschlagen konnte wie noch der erste. Die Hoffnungen für den dritten und vierten Film liegen nun auf den Russos, die sich bereits mit dem zweiten Captain America–Film beweisen konnten. Vielleicht kommt dann mal frischer Wind rein – und das Ganze zu einem würdigen Abschluss.