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Kino Review: „Taxi Teheran“

Taxi Teheran (Taxi, Jafar Panahi, IRN 2015)

Die Kamera liegt regungslos auf dem Amaturenbrett des gelben Taxis, die Linse starr auf die Kreuzung vor dem Wagen gerichtet. Nach einiger Zeit setzt er sich in Bewegung. Der Fahrer gräbt sich durch einen Verkehr, in dem die Straßenverkehrsordnung deutlich lockerer als hierzulande ausgelegt wird. Bis endlich jemand am Straßenrand mit einem Handzeichen zu verstehen gibt, dass er eine Fahrgelegenheit braucht.

Quelle: http://moviefiles.alphacoders.com/839/poster-83942.jpg

So sehen die ersten fünf Minuten des Gewinners des Goldenen Bäres in diesem Jahr aus. Taxi Teheran ist das neueste Werk des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der sich hier selbst als Taxifahrer „spielt“ und von dem ich gar nicht erst so tun werde, als wäre er mir vor diesem Film großartig bekannt gewesen. Ein kurzer Blick auf Wikipedia verrät: dieser Mann ist langjähriger Systemkritiker, hat eigentlich Berufsverbot und traut sich dennoch, mit einem solchen Projekt in den Feuilletons dieser Welt aufzutauchen.
Insofern könnte man die Auszeichnung bei der Berlinale auch als vornehmlich politisches Statement der Jury denn wirkliche Auszeichnung des künstlerischen Schaffens von Panahi begreifen. Wenn, ja, wenn Taxi Teheran nicht so ein sympathischer kleiner Streifen wäre.

Sechs Kameraeinstellungen – vier davon im Auto montiert sowie eine Handy- und eine Digitalkamera – brauchte Panahi lediglich, um diesen Film zu drehen. Keine davon verlässt jemals das Taxi; der Wagen wird zu einem halboffenen Forum, mit wechselnder Besetzung, zwischen der sich verschiedenste Gespräche und Situationen ergeben. Was davon „real“ ist und was inszeniert, das erschließt sich nicht wirklich. Wahrscheinlich ist letzteres öfter der Fall, als man zunächst glauben möchte, denn dazu sind die Geschehnisse schlicht zu absurd und/oder pointiert. Man möchte Taxi Teheran schnell den Stempel des Dokumentarfilms aufdrücken, treffender wäre jedoch der des Mockumentary.

Letztlich ist das jedoch gar nicht so wichtig. Entscheidend ist – wie immer – das Ergebnis, und das zeichnet sich nicht durch einen schlüssigen und durchkomponierten dramaturgischen Bogen, durch keine in sich geschlossene Geschichte oder durch eine eindeutige ideologische bzw. moralische Botschaft aus. Panahi begibt sich nicht auf die erzählerische Ebene von Al Gore und Michael Moore, sondern kehrt zurück zu älteren Tagen des Dokumentarfilms mit seinem „Fly on the Wall“-Prinzip.
Ebenso simpel (um nicht zu sagen: pragmatisch) wie seine Machart, ist auch das, was man aus Taxi Teheran als Zuschauer mitnehmen kann: ein hautnaher, authentischer Blick auf das Leben in der iranischen Hauptstadt, in der ausländische Filme als Schwarzmarktware gehandelt werden, Kindern in der Schule vermittelt wird, was ein „zeigbarer“ Film ist, und in der jeder seine eigenen verqueren Vorstellungen und liebenswerten Macken hat. Es ist ein Teil-Porträt einer Gesellschaft, die keinesfalls so rückständig und anti-westlich ist, wie es der ein oder andere glauben mag. Ganz nebenbei kann man übrigens auch feststellen, wie viel Charakter und Schönheit diese Stadt zu bieten hat.

Panahi gewährt uns Einblick in seine Heimat, die er vermutlich genau so liebt wie jeder andere Mensch auf der Welt seine Heimat liebt, und die ihm doch so viel Leid zugefügt hat – sowohl körperlich als auch seelisch. Gegen Ende thematisiert er dies auch etwas konkreter, überlässt dazu jedoch seiner äußerst sympathischen Anwältin das Wort, die neben Panahis Nichte zu den klaren Höhepunkten des Films zählt.
Taxi Teheran bietet dabei lediglich eine Vielzahl von Mikronarrativen, die nur lose bis gar nicht zusammenhängen – die aber dennoch wunderbar ineinander übergreifen. So bleibt am Ende, trotz der vermeintlichen Belanglosigkeit vieler Szenen, deutlich mehr im Gedächtnis hängen als beim x-ten Sommerblockbuster.
Einziger, klitzekleiner Kritikpunkt: für die deutsche Kino-Lokalisation hätten möglicherweise – wie im Trailer – auch Untertitel gereicht.

Das Konzept geht auf, was nicht zuletzt an der angenehm kurzen Laufzeit von lediglich 82 Minuten liegt. Panahi ist mit diesem Film definitiv kein Großwerk gelungen, das der reguläre Kinogänger ertragen kann, ohne im Sitz einzunicken. Aber es ist ein Film, der heraussticht, angenehm kurzweilig ist und dabei bleibende Eindrücke liefert. Panahi fasst es in bester Filmkünstler-Tradition selbst zusammen: für die guten, eigenen Geschichten muss man hinausgehen und aus dem echten Leben schöpfen.

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