„Macbeth“: Kritik zu Justin Kurzels opulenter Shakespeare-Verfilmung

Ich kann diesen Text nicht anders beginnen als wie folgt: Ich habe William Shakespears Macbeth nie gelesen. Das bringt jedoch den Vorteil mit sich, dass ich die mittlerweile siebente Verfilmung des bekannten Theaterstücks gänzlich als das beurteilen kann und muss, was sie ist: als Film. Die Frage, ob Justin Kurzels Macbeth auch für Nichtkenner des Stoffes funktioniert, kann ich damit auch bestens beantworten, und zwar mit einem „Ja“.
Wer ist dieser William Wallace?
In Schottland herrschen Rebellion und Krieg. Macbeth, Thane von Glamis, Vasall und Vetter des schottischen Königs Duncan, schlägt die Aufständischen in einem letzten Gefecht nieder. Noch auf dem Schlachtfeld wird ihm von drei Hexen prophezeit, dass er bald Thane von Cawdor und in naher Zukunft sogar der König von Schottland sein werde. Der erste Teil der Prophezeihung erfüllt sich nur wenige Augenblicke später. Nun setzen Macbeth und seine Frau alles daran, auch den zweiten Teil wahr zu machen.
Justin Kurzels Verfilmung ist eine weitgehend werkgetreue Adaption. Das bezieht sich nicht nur auf die Geschichte (dank dieses Internets kann man nämlich auch als Neuling recht schnell herausfinden, dass sich Story und Figuren bis auf wenige Abänderungen nur marginal vom Original unterscheiden), sondern auch auf die Sprache: die ist der Vorlage entsprechend durchweg in Versform gehalten und das dürfte für viele potentielle Zuschauer bereits ein großes Hindernis darstellen. Denn natürlich ist Shakespears blumige, poetische, mit Stilmitteln vollgepackte – wenn nicht gar überladene – Lyrik alles andere als leicht zu verstehen. Die basale Geschichte mag zwar auch für Nicht-Kenner (wie eben mich) grundlegend verständlich sein, viele Details gehen im Sprachwust aber gnadenlos unter. Im besten Falle genießt man das Ganze im Originalton plus Untertitel, da die englische Sprachversion sich wenigstens halbwegs am normalen Sprachgebrauch orientiert.
Ein Genuss für Augen und Ohren
Aber gut, Kurzel hat sich für diese Art der Adaption entschieden und das muss anerkannt werden. Beachtlich ist Macbeth aber vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass es bisher wohl noch keine derart werkgetreue, filmische Umsetzung eines klassischen Theaterstücks auf einem solch hohen inszenatorischen Niveau gab. Dieser Film ist ästhetisch absolut auf der Höhe der Zeit.
Das Spiel mit Licht und Farben, die teils grandiosen Bildkompositionen, der Wechsel zwischen fantastischen Landschaftsbildern und beklemmenden Close-Ups und ein wuchtiger Soundtrack, der stets genau dann einsetzt, wenn er gebraucht wird. Dazu noch ein effektiver (wenn auch dezent überstrapazierter) Gebrauch von Zeitlupeneinstellungen und toll ausgearbeitete Kulissen und Kostüme, die vor Dreck und Blut nur so strotzen: Macbeth ist gleichermaßen ein Genuss für die Ohren und die Augen und bietet eine ganze Reihe von Gänsehautmomenten sowie ein Finale, das bildästhetisch zum Besten gehört, was ich seit langer, langer Zeit gesehen habe.
Lob aussprechen muss man Kurzel auch dafür, dass er diese Stärken – und damit die Stärken des Mediums Film an sich – effektiv ausspielt. Gemessen daran, wie sprach-/sprechlastig so ein Theaterstück eigentlich ist, hat er mit dieser Adaption einen vergleichsweise ruhigen Film abgeliefert, sodass sich die Wirkung der Bilder vollsten entfalten kann.
Tolles Schauspiel, schwache Figurenentwicklung
Dass Michael Fassbender in der titelgebenden Hauptrolle eine gute Figur machen würde, war zu erwarten. Und ja, wieder einmal beweist er hiermit, warum er derzeit einer der gefragtesten Männer Hollywoods ist. Etwas mehr trifft das noch auf seine Frau und Komplizin Marion Cotillard zu, deren Darstellung der Lady Macbeth mir sogar noch ein Stück besser gefallen hat.
Dennoch hat Macbeth einen nicht zu vernachlässigenden Makel. Eigentlich bin ich ja ein Freund davon, wenn sich ein Film kurz fässt und seine Geschichte eher komprimiert denn unnötig ausgebreitet erzählt. Überlänge steht nur den wenigsten Film wirklich gut. Doch Macbeth ist trotz einer Spielzeit von knapp zwei Stunden gefühlte 15 bis 20 Minuten zu kurz. Und das schlägt sich ausgerechnet in der Charakterentwicklung seiner Hauptfigur nieder. Macbeths Wandel vom kleinen Lord zum Tyrannen, der in die letzte Schlacht zieht, geschieht stellenweise zu sprunghaft und ist damit ähnlich ungreifbar wie Shakespears Sprache. Dieses Problem hätte mit nur einer Handvoll zusätzlicher Szenen behoben werden können, so jedoch wirkt gerade die zweite Hälfte teilweise lückenhaft und zu hastig erzählt.
Fazit
Trotz dieses recht eklatanten Schwachpunktes ist Macbeth ein äußerst gelungener Film, der sowohl für Liebhaber und als auch Nichtkenner des Originalwerks lohnenswert ist, auch wenn für letztere den Einstieg mit merkbaren Schwierigkeiten verbunden ist. Regie-Frischling Justin Kurzel hat sich mit diesem Film jedenfalls für seine anstehenden Projekte – allen voran die für nächstes Jahr geplante Verfilmung von Assassins Creed – absolut qualifiziert. Den Kinobesuch kann ich zwar nicht gänzlich vorbehaltlos empfehlen, doch gerade wer die audiovisuelle Ästhetik und den Überwältigungeffekt des Kinos schätzt und liebt, der wird in Macbeth neben Es ist schwer, ein Gott sein und Mad Max: Fury Road einen der opulentesten Filme des Jahres finden.
One thought on “„Macbeth“: Kritik zu Justin Kurzels opulenter Shakespeare-Verfilmung” Hinterlasse einen Kommentar ›