Kritik: „Legend“ – Doppelschlag für Mr. Hardy?

Legend (Brian Helgeland, UK/FRA 2015)
Es gibt immer wieder Schauspieler, die einfach einen Lauf haben. Hochproduktiv bedienen sie jedes Genre und machen dabei stets eine gute Figur. Michael Fassbender und Oscar Isaac zum Beispiel. Und auch Tom Hardy. Der Mann ist zweifelsfrei einer der körperlich wandlungsfähigsten Darsteller und dabei auch noch ein hoch talentierter. Man sehe sich nur Bronson an. Jetzt versucht er, mit Legend einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere abzuliefern. Und beweist damit, dass gutes Schauspiel allein nicht ausreicht.
Double Trouble
Legend. Dieses Wort steht auf dem Grabstein der Zwillinge Reginald und Ronald Kray, die sich in den 60er Jahren im Londoner East End ein kleines, kriminelles Imperium aufbauten. Überfälle, Schutzgelderpressung und Glücksspiel waren ihr Geschäft und dem Vernehmen nach reichte ihr Ruhm noch lange über ihren Tod hinaus. In ihrem Viertel waren und sind die Kray-Zwillinge tatsächlich so etwas wie Legenden. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Geschichte verfilmt werden würde.
Die Filmversionen der Krays könnten unterschiedlicher kaum sein. Auf der einen Seite Reggie, der gutaussehende, erfolgreiche und charismatische Diplomat und Geschäftsmann, der, wenn’s drauf ankommt, ordentlich zuhauen kann – auf der anderen Ronnie, eine paranoid-schizophrene Zeitbombe, die jederzeit explodieren kann, und obendrein noch offen homosexuell, was in diesen Zeiten, diesem Land und diesem Umfeld ziemlich große Eier erfordert, wie es im Film selbst so eloquent ausgedrückt wird.
Beide werden verkörpert vom erwähnten Tom Hardy, der damit tatsächlich eine der besten Leistungen seiner bisherigen Karriere vorweisen kann. Denn es gelingt ihm, diese Dualität grandios herauszuarbeiten. Reggie und Ronnie unterscheiden sich in Legend nicht nur durch ihre Kleidung, sondern im Wesentlichen durch ihren Ausdruck, ihre Gestik und natürlich ihre Sprache. Beide sind vollkommen konträre Charaktere, die sich scheinbar nur das Aussehen und ihre Mutter teilen. Und dennoch bilden sie ein Team, das zwar eher gegen- denn miteinander arbeitet, dem man aber stets hochvergnügt zuschaut.
Ein zähes Vergnügen
Das war’s dann allerdings auch schon. Denn abgesehen von Hardys Performance ist Legend leider ein erstaunlich highlightarmer, um nicht zu sagen: flacher Film. In allererster Linie verpasst er es, jene Informationen zu vermitteln, die ein Biopic benötigt um wirklich zu fesseln. Netflix‘ Narcos bespielsweise: Hier wird penible Faktenrekonstruktion betrieben, was für eine ungeheure Glaubwürdigkeit sorgt. Ausführlichst wird einem vor Augen geführt, welche Ausmaße Escobars Geschäft im Laufe der Jahre angenommen haben. In Legend jedoch wird niemals wirklich klar, wie groß und mächtig die Krays jemals geworden sind. Einmal wird das kurz versucht – und dann scheitert der Film am plötzlichen Tempoanstieg.
Denn letztlich ist Legend genau das: ein über weite Strecken langatmiger und etwas zäher Film. Für eine Charakter- oder Milieustudie reicht es noch nicht aus. Spannung will zu keiner Zeit aufkommen. Und die knapp 130 Minuten sind für das, was hier erzählt wird, eine halbe Stunde zu viel. Wenn ein Spiegel-Artikel in einer Viertel Stunde ein besseres Bild der Krays zeichnen kann, als ein zweistündiger Film, dann stimmt etwas nicht. Man wäre im Schnitt also besser etwas rigoroser vorgegangen – besser aber man hätte einen deutlich tieferen Einblick gewährt. Zumindest aber hätte man einige visuelle oder auditive Highlights setzen müssen, von denen jedoch auch jede Spur fehlt.
Fazit
Man kann sein Geld und seine Zeit deutlich schlechter investieren, als in einen Kinobesuch von Legend. Aber auch bedeutend besser. Legend ist eher ein Film für die Couch denn für die Leinwand. Es widerstrebt mir, mich dieser Kritiker-Plattitüde zu bedienen, doch mir fällt kein passenderes Urteil ein: Für Tom Hardy- und Genre-Fans Pflicht, alle anderen können mal einen Blick riskieren.
Bilder & Trailer: (c) Studiocanal