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Kritik: „Deadpool“ – Der unfreundliche Superheld aus der Nachbarschaft

Die Superheldenfilm-Welle will nicht abebben. Bevor Warner Bros. in einigen Wochen mit Batman vs. Superman den großen Paukenschlag für den Beginn des DC Cinematic Universe einleitet, legt in zunächst Marvels Deadpool vor. Mit einer ordentlichen Portion Gewalt und Humor soll die festgefahrene Formel der Marvel-Verfilmungen endlich ein bisschen aufgelockert werden. Und zumindest das ist auch gelungen.

deadpool poster

Die klassische Origin-Story
Bevor Deadpool zu Deadpool wurde, war er Wade Wilson, ehemaliges Special Forces-Mitglied mit einem großen Sinn für derben Humor und später Handlanger für allerlei zwielichtige Gestalten. Schulden eintreiben, Leute einschüchtern und fertig machen – diese Dinge beherrscht er. Wilson lernt die Prostituierte Vanessa (Morena Baccarin) kennen, verliebt sich in sie und baut sich ein neues Leben auf, als ihn eine Krebsdiagnose aus dem glücklichen Alltag reißt. Eine spezielle Behandlung, die aus Kranken Superhelden machen soll, verspricht Heilung, endet jedoch in Chaos, Zerstörung und damit, dass Wilson als ganzkörpervernarbter, unsterblicher Anzugträger mit Katanas und Pistolen auf die Jagd nach seinen Peinigern geht. Aus Unrecht resultiert also (mal wieder) Rache. Seinen Humor hat Wilson dabei aber glücklicherweise nicht verloren.

Deadpool ist im Kern eine klassische Origin-Story. Statt das Ganze wie gewohnt chronologisch zu ordnen, wird Wilsons Vergangenheit jedoch in kurzen Teilsequenzen aufgearbeitet, was der Actionsequenz, die den narrativen Rahmen des Ganzen bildet, leider ein wenig die Dynamik raubt. Aber okay, eine neue Figur braucht bei Marvel eben einen ordnungsgemäßen Einstieg und dass hier mal ein wenig unkonventioneller erzählt wird, ist ja bereits lobenswert. Danach geht es jedoch weiter nach typischem Muster: Kämpfe, Spannungsaufbau, Höhepunkt/emotionaler Tiefpunkt, Finale, Epilog. Es bleibt hinsichtlich des Storyaufbaus also bei der bewährten Erfolgsformel.

Das Erfolgsrezept: Sex & Gewalt
Nun aber zur großen Frage: Schafft es Deadpool mit Humor, Sex und expliziter Gewalt frischen Wind ins Superhelden-Genre zu bringen? Ja, das gelingt ihm. Der Film zieht dabei alle Register des Erwachsenen-Entertainments. Nackte Brüste, viel Blut, Schläge in die Weichteile, zahlreiche abgetrennte Gliedmaßen und Einschusslöcher sowie ein extrem spitzer Humor sorgen in ihrer Kombination dafür, dass Deadpool zum unterhaltsamsten Genre-Vertreter der letzten Jahre und mindestens seit dem ersten Avengers wird. Spätestens nach dem ersten Akt ist klar, warum dieser Film über 20th Century Fox kommen musste. Denn ein Deadpool nach Disney-Art wäre vermutlich nur einen weiterer familienfreundlicher – wenn auch guter – Superheldenfilm von der Stange geworden (siehe Ant-Man). So jedoch bekommen wir endlich mal wieder ein Genre-Exemplar, das ein wenig aus der Masse heraussticht.

Der Star des Ganzen ist selbstverständlich der namensgebende Held und hier hat Ryan Reynolds endlich eine Rolle gefunden, mit der man ihn wohl noch viele Jahre assoziieren wird. Gerade seine Stimme ist so pointiert eingesetzt, so perfekt auf die Gags abgestimmt, dass es ein wahres Fest ist. Einen Vergleich mit der deutschen Snychro kann ich zwar nicht ziehen, doch deuten bereits die Trailer darauf hin, dass hierbei einiges an Charisma verlorengeht. Auch hinsichtlich seiner Körpersprache gibt Reynolds genug von sich, um der Figur unter dem Ganzkörperanzug ordentlich Leben und Charakter einzuhauchen. Ein derart tiefer Blick unter die Maske wäre da gar nicht nötig gewesen.

deadpool 2

Guter Humor, typische Marvel-Probleme
Zurück zum Humor, der weiß nämlich wirklich zu überzeugen. Selten durfte ich im Kinosaal solch einer Lachparade beiwohnen, was natürlich entsprechend ansteckt und die Gags möglicherweise besser macht als sie eigentlich sind. Aber diese Mischung aus (Selbst-)Referenzen, popkulturellen Anspielungen, Meta-Humor, Selbstironie und dreisten Sprüchen funktioniert schlicht super. Gewürzt wird das Ganze mit viel visueller Komik, absurden Gewalttiraden und natürlich dem berüchtigten Durchbrechen der vierten Wand. Gerade von letzterem hätte es aber noch mehr sein dürfen, da wäre durchaus mehr drin gewesen.

Dennoch ist Deadpool kein weiterer Genre-Meilenstein wie etwa Watchmen oder The Dark Knight. Nicht dass es dazu unbedingt eines ernsthaften Tonus bedarf, doch der Film schafft es nicht ganz, sich aus dem engen Marvel-Korsett zu befreien. Zwar mag er besagten frischen Wind in das Genre bringen, ein innovativer Film ist er deshalb aber noch lange nicht. Zunächst muss ich mal wieder darüber schimpfen, dass man nach dem Trailer bereits jede größere Szene des Filmes kennt. Dazu kommt noch, dass der Antagonist (Ed Skrein) – wie üblich – zwar okay, allerdings kein bisschen einprägsam oder auch nur irgendwie einfallsreich ist. Die Nebenfiguren sowie Deadpools Love Interest verbleiben reine Plot- und Gag-Devices. Und leider fallen auch die zahlreichen, digitalen Specialeffects immer wieder als nicht gänzlich gelungen ins Auge. Angesichts dessen, wie gut Deadpool jedoch unterhält, sind das Mängel, die man ihm ohne weiteres verzeihen kann.

Fazit
Deadpool 
ist ein toller Auftakt für das Superhelden-Kino 2016. Zwar sollte man hier nichts revolutionäres oder auch nur evolutionäres erwarten, doch dürfen gerade Freunde härteren Humors damit rechnen, für etwas mehr als kurzweilige eineinhalb Stunden bestens unterhalten zu werden. Und wer weiß, vielleicht sehen wir dieses R-Rating im Superhelden-Genre jetzt ja auch öfter. Bei einem derart gelungenen Ergebnis wäre das auf jeden Fall wünschenswert.

Bilder & Video: (c) 20th Century Fox

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