Kritik: „Midnight Special“ – Ende schlecht, alles schlecht
Midnight Special (Jeff Nichols, USA 2016)
Midnight Special. Ein Titel, der klingt wie der Name eines Cocktails. Warum genau dieser Film so heißt, erschließt sich auch nach dem Abspann nicht ganz. Von meinem Lieblings-Filmpodcast zum meisterwartetsten Film der ersten Jahreshälfte 2016 gekürt und von Kritikern als Geheimtipp dieser Kinowoche gelobt, war ich gespannt auf das, was ich zu sehen bekommen würde. Glücklicherweise habe ich meine Erwartung zurückgeschraubt. Denn so ist mir die ganz große Enttäuschung erspart geblieben.
Kein bisschen „special“
Was Midnight Special schon einmal nicht macht, ist eine innovative Geschichte zu erzählen. Roy (Michael Shannon) ist auf der Flucht. Zusammen mit seinem Freund Lucas (Joel Edgerton) setzt er alles daran, seinen Sohn Alton (Jaeden Lieberher) an einen bestimmten Ort zu bringen. Dabei jagt ihn nicht nur die Polizei, sondern auch eine sektenartige Religionsgemeinschaft, in der er und Alton zuvor gelebt hatten. Die landet derweil im Fadenkreuz von FBI und NSA. Die zuständigen Ermittler Paul Sevier (Adam Driver) und Agent Miller (Paul Sparks) versuchen, eine Erklärung für all die unnatürlichen Ereignisse der Vergangenheit und Gegenwart zu finden. Denn Alton scheint in irgendeiner Weise begabt zu sein. Worin genau diese Begabung besteht und warum er sie besitzt, das ist das große Mystrium von Midnight Special.
Zumindest an dieser Stelle beweist Regisseur Jeff Nichols erzählerisches Talent. Denn Spannung zu erzeugen und Neugier zu wecken, das gelingt in diesem Film wirklich gut. Alton, der anfangs noch als introvertierter, autistischer Achtjähriger erscheint, entwickelt sich nach und nach zur handlungstragenden und -treibenden Figur, die ihrer Passivität und Opferrolle langsam entwächst. Das Geheimnis um seine Fähigkeiten wird sukzessive ausgebaut und fungiert hervorragend als primäres, spannungssteigerndes Element des Films. Auch der stete Wechsel zwischen den beiden Erzählsträngen – die unerklärlichen Ereignisse der nächtlichen Autofahrten von Roy und Alton auf der einen und die trockene, rationale Ermittlungsarbeit der Behörden auf der anderen Seite – ist gut gelungen und erzeugt eine schöne Dynamik.
Ein Ende und seine Folgen
Doch wie gesagt ist das alles andere als neu. Midnight Special wandelt auf den Spuren von The Sixth Sense, Das Mercury Puzzle, Knowing und vielen weiteren Filmen, die sich einer derartigen Story-Grundlage bedienen. An sich wäre ihm das ja nicht vorzuwerfen. Allerdings verpasst es der Film auch, etwas innovatives oder auch nur halbwegs überraschendes daraus zu machen. Und gerade die Auflösung, die bei solchen Mysterygeschichten das aller-aller-wichtigste ist, trifft bei mir einen sehr wunden Punkt. Dabei geht es gar nicht darum, dass das Ganze am Ende rational erklärbar sein muss. Im Gegenteil: Midnight Special ist vielmehr ein Appell an den Glauben ans Irrationale, Übernatürliche, Unerklärliche. Daran, dass wir die Existenz einiger Dinge wider besseren Wissens einfach akzeptieren müssen – so, wie es auch die guten, alten Horror- und Mysterygeschichten verlangen.
Und doch entscheidet sich Nichols, der ebenfalls für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, für ein Finale, das mich – wohl aufgrund einer ziemlich verstörenden Erfahrung mit einem ganz ähnlichen Film – extrem enttäuscht zurückgelassen hat. Es wirkt, als wären ihm sämtliche guten Ansätze der Story über den Kopf gewachsen, als wären ihm auf den letzten Seiten die Ideen ausgegangen, als hätte er den einfachsten Ausweg aus dem Ganzen gewählt. Vielleicht ist nur einer dieser Punkt wahr, vielleicht alle drei, vielleicht auch gar keiner. In jedem Falle ist das Endergebnis unbefriedigend und ließ mich – im negativen Sinne – perplex zurück.
In allen anderen Bereichen liegt Midnight Special im guten Mittelmaß. Der mit großen Namen besetzte Cast gibt sich sichtlich Mühe, herausragende Leistungen bleiben jedoch aus. Ebenso verhält es sich mit den formalen Aspekten: Bilder und Sound sind okay bis gut, stechen aber zu keiner Zeit heraus, Highlights gibt es keine. Einzig das musikalische Hauptthema bleibt im Ohr. Ein audiovisuelles Erlebnis ist Midnight Special deswegen trotzdem nicht.
Fazit
Vielleicht übersehe ich irgendeine Bedeutungsebene, vielleicht liegt es auch nur an dem kleinen Trauma, das ich durch besagten, ganz ähnlichen Film erfahren habe – doch ich kann nicht erkennen, was diesem Film zu solch positiver Rezeption verhalf. Dabei ist Midnight Special nicht einmal ein schlechter Film, sondern etwas viel schlimmeres: ein durchschnittlicher Film, der mich rat- und vor allem meinungslos zurückließ. Ich wüsste nicht, ob und wem ich Nichols neuestes Werk empfehlen sollte und insbesondere nicht, warum ich das überhaupt tun sollte. Am ehesten ließe sich Midnight Special wohl noch als modern inszenierte, ideenlose Hommage an die alten SciFi/Mystery-Geschichten à la Twilight Zone verstehen. Wer damit etwas anfangen kann, könnte tatsächlich Freude an Midnight Special haben.
Bilder & Trailer: (c) Warner Bros. Pictures
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