Kritik: „Beyond the Bridge“

Beyond the Bridge (Daniel P. Schenk, GER/CHE 2015)
Der Independent-Psycho-Horrorfilm Beyond the Bridge besticht mit seiner außergewöhnlich tollen Optik und zeigt, wie gut deutsches Genrekino tatsächlich sein kann.
Deutsches Genre-Kino ist ein schwieriger Fall. Und dann auch noch ein Horrorfilm? Da darf man zurecht skeptisch sein. Schließlich hängt dieses Genre seit dem letzten Jahrzehnt in einer abwärts gewandten Spriale aus Klischee- und Jumpscare-Parade fest, in welcher jede halbwegs frische Idee – siehe Found-Footage – gnadenlos ausgeschlachtet wird. Doch nach Beyond the Bridge ist klar, dass man die Perlen nach wie vor im Indepen-dent-Bereich suchen muss – und in diesem Falle mehr als fündig wird.
Marla allein zu Haus
Beyond the Bridge beginnt wie jeder andere moderne Horrorfilm, in dem junge Erwachsene die Hauptrollen übernehmen: mit einer Reise, deren Ziel ein verlassenes Haus ist. Das steht in diesem Falle jedoch inmitten einer größeren Stadt in der Schweiz und ist nach dem Tod von Marla Singers (Maya Schenk) Eltern in ihren Besitz übergegangen. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt kehrt die ambitionierte Fotografin (ja, sie heißt wirklich so wie Helena Bonham Carters Rolle in Fightclub, und das nicht grundlos) nun also ihre Heimat zurück. Natürlich lautet die erste Amtshandlung: Haus-Party. Die endet – wie jede gute Feier – mit einem drogen-induzierten Blackout. Doch Marla wacht nicht wieder zu Hause auf, sondern mitten im Wald. Und das in tiefster Nacht. Der Horror-Trip kann beginnen.
Die deutsche Indie-Produktion gewinnt zwar keinen Preis für Story-Innovation, überzeugt aber bereits ab der ersten Minute mit seiner Optik, die so gar nicht dem typisch deutschen Film-Look entspricht. Farb- und Lichtgestaltung erinnerten stattdessen dezent an skandi-navische Produktionen, keinesfalls aber an deutsches Kino. Einzig die Kulisse und der äußerst minimale Akzent, der in den ausschließlich auf Englisch geführten Gesprächen durchklingt, trüben diesen Eindruck ein wenig, was dem Film aber absolut nicht schadet.
Brillanter Kameraeinsatz
Wo Beyond the Brigde optisch jedoch wirklich brilliert, das sind seine Horrorsequenzen, in denen ein effektives Spiel mit Kameraperspektiven betrieben wird. Subjektive und halbsubjektive PoV-Einstellungen dominieren die Darstellung – und diese Einengung des Blickfeldes, diese Beschränkung der Wahrnehmung des Zuschauers erzeugt bisweilen ein Ausmaß an Spannung, das kaum noch auszuhalten ist. Das alles orientiert sich deutlich an der Ästhetik von Horror-Videospielen, wobei man sich sowohl an japanische Klassiker wie Silent Hill und Siren als auch moderne Indie-Klassiker wie Amnesia und vor allem Slender erinnert fühlt. Dabei verliert sich Beyond the Brigde aber zum Glück nicht in platten Zitaten.
Wenn in den subjektiven Einstellungen dann auch noch Marlas Herzschlag zu hören, ja fast schon zu spüren ist, ist das auf Horror-Ebene um ein Vielfaches wirkungsvoller als jeder dieser generischen Genrevertreter, die alle paar Wochen in den deutschen Kinos anlaufen. Eine weitere Schwäche derartiger Filme, die Beyond the Bridge zu umgehen weiß, ist der billige und ermüdende Einsatz von Jumpscares. Aus offensichtlichen Gründen will ich nicht weiter auf deren Dichte eingehen, doch so viel sei gesagt: dieser Film ist der Beweis dafür, dass weniger eben doch mehr ist.
Abzug in der B-Note
All der Spannungsaufbau muss jedoch zu einem ordentlichen Abschluss führen und hier teilt sich Beyond the Bridge eine traurige Gemeinsamkeit mit The Babadook: das Finale wird dem Rest des Films nicht gerecht. Denn für die Auflösung bedient man sich eines altbekannten und (für mein Empfinden) ausgedienten Storykniffs, der zwar keine Voll-katastrophe ist, aber doch ein wenig gezwungen daherkommt. Das reiht sich ein neben weiteren kleinen Story-Macken, etwa den stereotypen Figuren, von denen keine einzige (nicht einmal die Protagonistin) echte Sympathien erweckt – und das trotz guter Schau-spielleistungen.
Das soll aber nur als kritische Randnotiz erwähnt sein. Denn Beyond the Bridge macht in Summe so viel richtig und bedient sein Gerne so gut, dass man selbst dann, wenn man seinen Entstehungskontext ausklammert, einfach von einem sehr guten Horrorfilm sprechen muss. Tut man das aber doch, muss man den Machern umso mehr Respekt entgegenbringen, ein derartiges Projekt in dieser Qualität umgesetzt zu haben. Besonders freut mich die Tatsache, dass es Regisseur Daniel P. Schenk zehn Jahre nach dem urkomischen Kurzfilm A Gamer’s Day und dem Mockumentary The Cheat Report geschafft hat, zu einem solch vielversprechenden und extrem begabten Spielfilm-Regisseur zu werden.
Fazit
Beyond the Bridge mag im internationalen Vergleich kein Genremeilenstein sein – im nationalen Vergleich hingegen schon. Über Schwächen bei der Handlung und den Figuren kann man angesichts der ebenso ungewöhnlichen wie ungewöhnlich guten Ästhetik und Kameraarbeit problemlos hinwegsehen. Horrorfans werden hier allerbestens bedient. Doch der wahre Verdienst von Beyond the Bridge liegt darin, den (für mich überraschenden) Beweis zu erbringen, dass deutsches Genrekino entweder noch nicht tot ist – oder gerade eben erst geboren wird.
Wer Beyond the Bridge sehen möchte, der kann sich auf der offiziellen Website über die Vorführungstermine in ausgewählten Kinos informieren oder ihn gleich dort bestellen: BeyondTheBridgeMovie.com
Bilder & Trailer: (c) Fallendream Pictures
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