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Kritik: „Everbody wants some!!“

Everybody wants some!! (Richard Linklater, USA 2016)

Everybody wants some!! mag keine Handlung haben – beweist damit aber, dass ein Film so etwas auch gar nicht braucht, um höchst unterhaltsam zu sein.

Nachdem Boyhood bei den Academy Awards 2015 mit sechs Nominierungen bedacht wurde, als kleiner Favorit für „Bester Film“ galt und wenigstens Patricia Arquette den Preis als beste Nebendarstellerin nach Hause bringen konnte, läuft dieser Tage der nächste Film von Regisseur Richard Linklater an. Es lässt sich bereits absehen, dass Everbody wants some!! bei den kommenden Oscars wohl deutlich weniger Aufmerksamkeit erhalten wird, was ihn allerdings nicht automatisch zu einem schlechteren Film macht. Im Gegenteil.

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Love, Peace & Party
Die BeforeTrilogie und Boyhood – Linklaters bekannteste und aktu-ellste Werke – waren Filme, deren Handlungen einen langen Zeitraum einnahmen und die vor allem den inneren wie äußeren Wandel ihrer Protagonisten dokumentieren sollten. Everybody wants some!! wählt nun den konträren Ansatz und besinnt sich damit wieder auf eines von Linklaters frühen Werken – Dazed and Confused – zurück: Er präsentiert uns eine Momentaufnahme, ein Wochenende voller Parties, Liebe und Leichtigkeit. Das durchlebt hier der junge Jake (Blake Jenner), der für sein Studium soeben das Elternhaus verlassen hat und nun in das des universitären Baseball-Teams einzieht. Denn Jake ist einer dieser Studenten, die die Uni hauptsächlich besuchen, um als Sportler Karriere zu machen. Und wie wir das aus zahlreichen Filmen und Serien so kennen, ist der Alltag an einem US-College (speziell für solche Studenten) vor allem für eines da: Feiern und das Leben genießen. Die beiden Ausrufezeichen im Titel sind schließlich nicht umsonst da.

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Everybody wants some!! dreht sich dann tatsächlich auch ausschließlich darum. Jake lernt seine Teamkameraden kennen, flirtet mit Kommilitoninnen, führt Bongdunst-geschwängerte Konversationen und ist jeden Abend hart am Abhotten. Dass das nicht nur den Feiernden, sondern auch dem Zuschauer so viel Spaß macht, liegt an vielem, in erster Linie aber daran, dass Linklater das Geschehen im Jahre 1980 ansiedelt. Da sind noch die letzten Atemzüge der Hippie-Kultur zu spüren, die Frisuren und Klamotten noch wunderbar schräg. Vor allem aber ist bleiben wir verschont von der Plastik-Musik, mit denen aktuell die Tanzflächen der Welt beschallt werden. Stattdessen serviert man uns einen schlicht großartigen Soundtrack, der problemlos als Best-Of der damaligen Zeit durchgeht und fast schon im Alleingang für die Atmosphäre und den hohen Unterhaltungsfaktor von Everybody wants some!! sorgt. (Ich empfehle für eine Kostprobe unbedingt die entsprechende Spotify-Playlist.)

Every 1’s a winner
Womit der Film ebenfalls punkten kann, sind seine Figuren, die die Skurrilitäts-Skala in ihrem gesamten Spektrum abdecken. Von „Ein bisschen schräg“ bis „Vollkommen durchgeknallt“ ist hier alles dabei und obwohl Linklater mit einem ziemlich großen Personenarsenal hantiert, gelingt es ihm problemlos, jeden davon zu einer markanten Figur zu machen. Diese schippern dann zwar knapp am Prädikat „Stereotyp“ vorbei – und dass der Protagonist als zentraler Identifikations- und Ruhepunkt innerhalb dieser Ansammlung von Abgedrehten und Irren noch der uninteressante Charakter ist, könnte man Everybody wants some!! zwar ein wenig negativ anlasten. Doch dafür sind die übrigen Handlungsträger einfach zu große Sympathieträger, mit denen man am liebsten selber jeden Abend einen ordentlichen Exzess starten würde.

ews2Stilsichere Komik
Das macht es dann auch absolut verschmerzbar, dass Everybody wants some!! im Grunde genommen keine Handlung und Dramaturgie aufweisen kann. Stattdessen hangelt sich der Film von einer absurden Situation zur nächsten, bleibt aber immer authentisch und bodenständig und fühlt sich dabei ein wenig wie eine geerdete Version von Project X an. Gegen Ende läuft er dann kurz Gefahr, sich in einer überflüs-sigen Romanze zu verlieren, kann sich allerdings noch retten und weiß das Ganze am Ende (und mit netten Spitze) gelungen abzurunden.

Vor allem aber spielt der Film humoristisch ganz oben mit: Die Gags kommen im Minutentakt und sind erfreulicherweise keine Aneinanderreihung platter Pointen, wie es für die meisten aktuellen US-Komödien typisch ist, sondern ergeben sich stets organisch aus der Kombination von Figuren, Schauplatz und Situation. Everybody wants some!!  bringt den Zuschauer zum Lachen, ohne ihm das aufzwingen zu wollen – genau so muss das sein. Auch auf billige und zuweilen beleidigende Klischee-Gags nach dem Vorbild von Melissa-McCarthy-Komödien wird verzichtet, was die Sache umso angenehmer und diesen Film in Summe zu einer ebenso eleganten und feinsinnigen wie stilsicheren Komödie macht.

Fazit
Everybody want some!! 
mag gerade für einen (modernen) Linklater-Film recht substanzlos wirken und tatsächlich darf man bezweifeln, ob er für mehr als ein bis zwei Sichtungen taugt. In diesen jedoch weiß er durch seine Figuren, seinen Humor, seinen Soundtrack und insbesondere seine alles überschattende Leichtigkeit so sehr zu unterhalten, dass er wie im Fluge vergehen und man ihm überdies jeden Mangel an Handlung problemlos verzeiht. Linklater verdichtet (wenn auch möglicherweise etwas verklärt) den Zeitgeist des Jahres 1980 in einen zweistündigen Spielfilm über Leben, Liebe, Lust und die beinahe beendete Jugend. Mit Erfolg.

Everbody wants some!! läuft am 2. Mai 2016 in den deutschen Kinos an.

5,0

Bilder & Video: (c) Constantin Film

4 Kommentare zu „Kritik: „Everbody wants some!!“ Hinterlasse einen Kommentar

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