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„Vorsicht: Spoiler!“ #4: Trailer, Paradoxa & ein Fazit

Im dritten Teil meiner Spoiler-Artikelreihe ging es um das Verhältnis zwischen Spoilern und Realität. Im vierten und letzten Teil soll der Blick auf die größten Spoilerquellen der Gegenwart geworfen werden: Trailer.

Zurück zu Teil 3: „Spoiler vs. Realität“

Trailer können ganz eigene, kleine Kunstwerke sein, sind in erster Linie aber immer noch das populärste und effektivste Werbemittel für audiovisuelle Medien. Gerade mit der Digitalisierung (die – siehe Teil 1 – als Initialzündung der Spoilerparanoia fungierte) und Internetbandbreiten, die das problemlose Videostreaming von Plattformen wie YouTube und Co. möglich machen, haben sich die Distribution und Rezeption sowie die Relevanz von Trailern für das Marketing jedoch deutlich verändert. Als Zuschauer werden wir nun nicht mehr nur im Kino und Fernsehen – also Medien mit einem linearen Programm – mit Trailern konfrontiert. Stattdessen stehen sie uns jetzt prinzipiell überall und jederzeit zur Verfügung, können ohne großen Aufwand verbreitet werden und generieren dadurch immer öfter virale Hypes. Die Zeiten, in denen die Einspielergebnisse einiger Kinofilme überraschend hoch waren, weil die Zuschauer diesen einen speziellen Trailer, der davor lief, unbedingt sehen wollten (wie im Falle von Star Wars: Episode I), sind jedenfalls längst passé.

Stattdessen erscheinen allein im Filmbereich täglich ein Dutzend neuer Trailer, allesamt nur wenige Klicks vom potentiellen Zuschauer entfernt und in YouTube-Kanälen gebündelt, welche damit – mal mehr, mal minder erfolgreich – als Trailer-Aggregations-seiten fungieren. Der geneigte Filmfan müsste das eigentlich begrüßen, denn so sollte ihm keine noch so kleine Perle und kein noch so abwegiger Independent-Streifen mehr entgehen. Doch neben den bekannten Schwierigkeiten, weder in der gewaltigen Informationsflut unterzugehen, noch in der eigenen Filterblase stecken zu bleiben, weisen die meisten Filmtrailer aus allen Genres und Budgetklassen seit Jahren ein Vielzahl größerer Ärgernisse auf. Im folgenden Video sind diese anschaulich verdeutlicht:

Zusammengefasst gibt es drei Problemfelder, mit denen insbesondere moderne Trailer zu kämpfen haben:

  1. Zu viel Inhalt wird gezeigt, seien es die spektakulärsten und möglicherweise auch besten Momente des Film (sogenannte Moneyshots), entscheidende Wendepunkte – oder gleich das Ende.
  2. Falsche Erwartungen werden geweckt, was sicher ärgerlich ist, wenn einen das Endergebnis dann enttäuscht. Ein Fehler der verantwortlichen Abteilung, die – wie das oftmals bei Werbung geschieht – ein Produkt als etwas verkaufen will, das es nicht ist. Bisweilen kann man dann aber auch vom fertigen Film positiv überrascht werden.
  3. Es werden audiovisuelle Klischees wie die „Inception-Hörner“ (boah, sind die mal tatsächlich überstrapaziert!), der Schallplattenscratch bzw. die musikalische Gagpause, der finale Jumpscare in Horrorfilm- oder die Schiebeblende in Comedytrailern verwendet.

Das Kriterium des Spoilerns betrifft hier nur das erste Problemfeld, weshalb ich mich im Folgenden genau darauf beschränken werde.

Während sich diese Kritikpunkte prinzipiell im gesamten Filmspektrum anbringen lassen, sind einige Genres besonders davon betroffen. Komödien beispielsweise, in deren Trailern bereits die fünf besten Gags verbraten werden. Das macht aus Marketingsicht absolut Sinn, der Zuschauer wird dadurch jedoch des essentiellen Reizes am Film beraubt. Auch Actionfilme sind Opfer dieses Problems, denn offenbar scheinen die besten Einstellungen des Films zu wertvoll zu sein, um sie ausschließlich im fertigen Werk zu zeigen.
Hier liegt dann auch eine Art von Spoilern vor, die (siehe Teil 3) auch Filme betrifft, die nicht von ihrem Inhalt, sondern ausschließlich von ihrer Form leben und welche man deshalb (nach Meinung der Vertreter der Hochkultur) eigentlich gar nicht spoilern könne: visuelle Spoiler. Spoiler also, die das Spektakel eines Filmes entwerten, indem sie es aus dem Gesamtkontext reißen und es als kurzen Schnipsel im Trailer präsentieren. Mad Max: Fury Road ist eines der Beispiele, an denen ich das zuletzt massiv gespürt habe. Diese Art von Spoilern ist (im Gegensatz zu inhaltlichen) dem Medium Trailer vorbehalten, denn verbal lassen sich derartige Dinge nicht spoilern.

mad max

Älteren Trailern mag man solche Probleme noch verzeihen: Das „Trailer-Handwerk“ war, wenn man so will, noch nicht derart ausgereift wie heute. Doch im Kontext der gegenwärtigen Spoiler-Paranoia, derer sich die Verantwortlichen solcher Werbefilme eigentlich bewusst sein sollten, sind sie unverzeihlich.

Auch wenn ich die im obigen Video gezogene Schlussfolgerung teile – nämlich dass es einer kürzere Trailer-Dauer bedarf – so finde ich die vorgeschlagene Länge von 30 Sekunden zu hart. 60 bis 90 Sekunden scheinen mir hingegen realistisch, sowohl hinsichtlich der Absichten der Werbeabteilung, als auch jener Zeit, die es braucht, damit der Trailer resp. Film im Gedächtnis des Zuschauer hängen bleibt. Die inzwischen gängigen 3-Minuten-Trailer jedoch, die als Kurzzusammenfassung ihrer Filme dahe-rkommen, sind ein wahrer Graus – und wären weitaus reizvoller, wenn sie einfach nach der Hälfte enden würden.

Neben der Dauer der Trailer ist es aber auch deren Anzahl, die in den letzten Jahren ins Absurde gestiegen ist. Kein Blockbuster kommt heute noch ohne wenigstens zwei Trailer – in der Regel eher drei – sowie diverse Kurzclips und Featuretten aus. Oder brauchen wir wirklich vier (!) verdammte Trailer zu Suicide Squad? Allein durch diese Menge hat man mich bereits jeglichen Interesses am Film beraubt.

suicide squad

Eine Abkehr von diesem unerträglichen Trend ist nicht in Sicht, vielmehr wird sich das Ganze in absehbarer Zeit wohl eher noch verschlimmern. Denn offensichtlich geht diese Marketingstrategie auf, was die im vorletzten Artikel zitierte Studie traurigerweise zu bestätigen scheint. Bis dahin bleiben dem Publikum scheinbar nur zwei Optionen: Kein Geld für die entsprechenden Filme auszugeben (doch ist das auch eine realistische Option?) – oder sich selbst einer strikten Askese zu unterwerfen, die höchstens das Ansehen des allerersten Trailers gestattet.


Die gegenwärtige Relevanz von Trailern zeigt sich auch darin, dass das Erscheinen einiger Filmtrailer zu einem wahren Event geworden ist, das bisweilen von zwei Ritualen begleitet wird. Zum ersten sind dies oftmals sehr kurzweilige und unterhaltsame, aber auch vollkommen banale Trailer-Reaktions-Videos, in denen man eine größere Personengruppe beim kollektiven Gejubel oder aber Gestöhne beobachten darf. Zum zweiten sind das sogenannte Analysen, in denen ein Trailer Bild für Bild auseinandergenommen und dies dann mit mehr oder minder fundierten Hypothesen kombiniert wird.

Letzteres zeigt das große Paradoxon, vor dem ich nach meinen Überlegungen stehe: das Spoiler- bzw. Trailer-Paradoxon. Nun kann ich absolut verstehen, dass es besonders als Fan Spaß macht, anhand des bisher Gezeigten zu interpretieren, zu spekulieren und zu theoretisieren. Abgesehen vom gefährlichen Nebeneffekt, damit die Erwartungen an das fertige Werk in die Höhe zu treiben, und davon, dass den Werbeclips dabei zu viel Aufmerksam und kreative Energie geopfert wird, stellen diese „Analysen“ aber auch eine gewisse Form des Self-Spoilering dar. Der Trailer wird seiner treibenden Kraft, seiner stroboskopischen Eindrücke, seiner Flüchtigkeit beraubt; jede Einstellung, jeder Soundeffekt wird totdiskutiert – primär auf inhaltlicher Ebene. Eine Bild-für-Bild-Analyse des Hateful 8-Trailers beispielsweise kann bereits die entscheidende Wendung des Films vorausnehmen – ein normales Anschauen nicht.

hateful 8 2

Eine weitere Form des Self-Spoilering stellt in meinen Augen eine detailversessene Verfolgung der Produktionsprozesse von Filmen und Serien dar, wie ich es z.B. im Vorfeld zu Star Wars: Episode VII oder der 6. Game of Thrones-Staffel erlebt habe: „Schauspieler X ist am Set gesehen worden“, „Voice-Actor Y hat einen Vertrag unterschrieben“, „Das Kostüm von Figur Z passt überhaupt nicht zur Vorlage.“ Jedes Detail wird begierig aufgesogen und Rückschlüsse auf den Inhalt des fertigen Werks gezogen – schon Monate vor der eigentlichen Veröffentlichung.

Das alles lässt mich zum Schluss kommen, dass einige Menschen offenbar kein Problem damit haben, sich selbst zu spoilern – auch wenn sie das nicht so empfinden. Was ja auch prinzipiell kein Problem wäre, denn wie erwähnt hat jeder seine ganz eigene (Schmerz-) Grenze bei Spoilern. Es drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass es sich dabei ausgerechnet um solche Leute handelt, die sonst bei jedem kleinen Spoiler augen-blicklich auf die Barrikaden gehen.


Nachdem ich nun versucht habe, das Phänomen des Spoiler(n)s von allen mir erdenklichen Seiten anzuschneiden, stellt sich zum Abschluss noch eine Frage, nämlich wie man denn als „Kritiker“/(Film-)Blogger mit diesem Problem umgehen kann/sollte/muss. Denn es steht immer noch das berechtigte Argument im Raum, die Angst vor Spoilern würde den Gehalt von Filmkritiken auf ein Minimum reduzieren. Auch ich selbst sehe mich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie viel ich denn nun in meinen Texten vom Inhalt nacherzählen darf und muss. Einige Glückliche mögen da das goldene Maß gefunden haben. Ich jedenfalls möchte den potentiellen Zuschauer aber stets so uninformiert wie möglich (zumindest bzgl. des Inhalts) in einen Film entlassen. Denn ich für meinen Teil genieße es immer wieder, mich auf Filme einzulassen, über die ich nahezu oder gar nichts weiß – und wie zuletzt Everybody wants some!! gezeigt hat, kann diese Erfahrung überaus positiv sein. Möglicherweise ist es vielleicht sogar genau diese vorwissens-befreite Art der Rezeption, die einzig zeigen kann, ob ein Film wirklich gut ist.

ews2

Viel wichtiger scheint mir jedoch die Frage, welchen Anspruch und welches Ziel die Kritik haben soll. Ob sie also eine tatsächliche Analyse oder lediglich eine Empfehlung im Sinne des klassischen Produktjournalismus sein soll. In ersterer sind Spoiler unabdingbar. In letzterer haben sie nichts zu suchen. Denn es sollte auch möglich sein, die Neugier des Lesers zu wecken, ohne ihm zu viel vom Inhalt zu verraten – oder auch nur so viel, wie es die meisten aktuellen Trailer tun.


Ein großes Dankeschön geht an den Kollegen von Ma-Go Filmtipps, der den zweiten Teil dieser Artikelreihe vorgestern auf seinem stets lesenswerten Blog mit dem ersten Goldenen Lesezeichen beehrt hat!

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6 Kommentare zu „„Vorsicht: Spoiler!“ #4: Trailer, Paradoxa & ein Fazit Hinterlasse einen Kommentar

  1. Die Trailer werden wirklich immer ärgerlicher. Im Falle von beispielsweise Terminator 5 habe ich den Film nicht gesehen. Dank des Trailers kenne ich die Handlung trotzdem.

    Die Kategorie „Zuschauer Belügen“ finde ich jedoch am schlimmsten. Entweder werden wie im Video gezeigt Szenen verheizt, die im finalen Film gar nicht auftauchen. Noch häufiger werden aber Filme durch den Trailer völlig falsch beworben. Zum Beispiel als Komödie, obwohl es sich viel mehr um ein Drama handelt.

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    • Terminator 5 hätte ich auch erwähnen sollen, aber den habe ich (aufgrund des Trailers) auch noch nicht gesehen. Man hätte ja noch hoffen können, dass es Film noch einen anderen Twist gibt, aber soweit ich gehört habe, würde man da enttäuscht.
      Das mit den falschen Erwartungen ist mir, wenn ich so drüber nachdenke, gar nicht so oft passiert. Zuletzt vielleicht bei Avengers 2, der in den Trailern extrem düster aussah, dann aber der bisher witzigste Marvel-Film wurde.

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      • Du Glückspilz 😉 Mir passiert das relativ häufig. Allerdings weniger bei Filmen, die ich im Kino schauen möchte, sondern viel mehr „privat“, also im TV oder gestreamt.

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  2. Bin erst jetzt durch Ma-Go auf die Spoiler-Reihe hier aufmerksam geworden und muss dir ein Kompliment aussprechen für deine Mühen. Habe mich selbt auch häufiger mit dieser Frage beschäftigt, kann aber jetzt guten Gewissens von einem eigenen Blog-Artikel absehen. Wobei ich dieses Jahr ein kleines Experiment gestartet habe und keine Trailer mehr anschauen möchte. Mal sehen, wie sich das auswirkt.

    Als kleinen Verbesserungsvorschlag fände ich es noch recht praktisch, wenn du am Anfang der vier Artikel jeweils die anderen Artikel verlinken würdest. Habe zuerst den zweiten gesehen und musste mich dann über die Zufallsverlinkung ganz unten über den vierten Teil zum dritten suchen.

    Schöne Grüße

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    • Verbesserungsvorschlag direkt umgesetzt – danke dafür und für das Lob.
      Ist ja aber trotzdem interessant, mal andere Meinungen zu dem Thema zu erfahren. Falls du also andere Gedanken dazu hast, bin ich gespannt darauf.
      Lass mich auf jeden Fall wissen, wie dein Experiment ausgeht. Ich bin leider immer noch nicht komplett vom Trailerschauen abgekommen. Aber zumindest habe ich mir angewöhnt, nur noch den ersten und nicht mehr den zweiten und dritten anzusehen. Leider kommt man ja im Kino oft nicht drum herum, auch die neuesten zu sehen. So wurde min guter Vorsatz, nur den ersten Rogue One Trailer zu schauen, zunichte gemacht…

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      • Gerne.
        Das Spoiler-Thema ist so eine Sache, die bei mir von FIlm zu Film stark abweicht. The Sixth Sense habe ich z.B. bis heute nicht gesehen, weil ich das Ende kenne. Saw I fand ich trotz des Wissens um das Ende unterhaltsam und konnte so auf gewisse Dinge während des Anschauens achten. So ganz verallgemeinern kann ich das spontan nicht.
        Ich bin selbst gespannt, ob sich durch völlige Askese etwas am Filmgenuss ändert.

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