Kritik: „Er ist wieder da“

Er ist wieder da (David Wnendt, DEU 2015)
Hitler lebt – und will wieder ganz nach oben. Ungewöhnliches filmisches Experiment aus Deutschland, das kaum zeitgeistiger sein könnte.
Die Bestsellerverfilmung Er ist wieder da ist schon seit längerem auf DVD und BluRay erhältlich. Würde ich meiner Linie treu bleiben, hätte ich ihm also nur einige Zeilen im kommenden Filme gesehen gewidmet. Und dennoch sehe ich mich gezwungen, mich etwas ausführlicher zu diesem Film zu äußern. Denn zum einen (bewähr-tes Mediengesetz) sorgt Hitler immer für eine gute Quote, zum anderen ist Er ist wieder da in vielerlei Hinsicht ein äußerst beachtenswerter Film.
Hitler the Hipster
Er ist wieder da ist ein Gedanken-experiment. Und als solches bedient es sich einer absurden Prämisse, die man als Zuschauer einfach akzeptieren muss: Adolf Hitler wacht im Jahre 2014 inmitten von Berlin auf. Vollkommen perplex ob der gegenwärtigen Zustände durchwandert er die Stadt und wird zunächst für eine Touristenattraktion gehalten. Natürlich dauert es nicht lange, bis die Medien auf ihn aufmerk-sam werden. Der arbeitslose Videojournalist Paul, der den auferstandenen Führer mit sämtlichen anderen in seinem Umfeld für einen knallharten Method-Actor hält, versucht fortan, ihn zur nächsten großen Nummer zu machen – mit Erfolg.
In seiner ersten Hälfte wird der Film dabei zum Roadmovie: Paul und Adolf reisen durch Deutschland, begleitet von einer Kamera, die zahlreiche Konversationen mit dem „einfachen Volk“ festhält. Der Clou: Ein Großteil davon ist nicht gestellt, die beteiligten Personen sind keine Schauspieler, sondern tatsächlich ganz normale Menschen. Wobei „normal“ in diesem Fall noch eine sehr wohlwollende Beschreibung ist. Denn was hier stellenweise geäußert wird, reicht von blanker Blödheit über naiven Alltagsrassismus bis hin zu rechtsradikalem Bullshit. Die entstehenden Situationen sind ebenso entlarvend wie erschreckend – und auf perfide Weise unterhaltsam. Es ist schon äußerst amüsant anzusehen, wie NPD, AfD und deren Gleichgesinnte hier von ihrem großen Leitbild durch den Kakao gezogen werden – andererseits aber auch schockierend, dass so viele Passanten vor einer Kamera bereitwillig den Arm zum Hitlergruß heben. Natürlich mag all das nicht repräsentativ sein (zumindest weigere ich mich, das zu glauben), drückt aber völlig zu Recht einen Finger auf die eitrige Wunde Europas, die sich „Rechtsruck“ nennt.
Die neuen Volksempfänger
Parallel dazu entspinnt sich eine Nebenhandlung um den großen Fernsehsender, der Hitler schließlich zum Comeback verhilft. Katja Riemann und Christoph Maria Herbst bilden hier die Hauptakteure, doch obwohl beide eine gute Leistung erbringen, stehen diese klassischen fiktiven Spielfilmpassagen ganz klar hinter den dokumentarischen und pseudo-dokumentarischen zurück. Er ist wieder da ist dann am stärksten, wenn er sich der Realität bedient – seien es jene Begegnungen mit echten Personen und Persönlich-keiten, oder die gestellten Auftritte des Führers in Shows wie Circus Halligalli. Durch diese authentischen Elemente kann er sich erfolgreich von sämtlichen anderen Hitler-Parodien und -Satiren der letzten Jahre abheben.
Wo wir schon dabei sind: Er ist wieder da beackert auch dieses Feld. Im Grunde genommen bildet die Auseinandersetzung mit den modernen medialen Repräsentationen Hitlers den eigentlichen Kern des Films. Besonders in Richtung Ende baut er diesbe-züglich eine starke Meta-Ebene auf. Das paradoxe daran: Er ist wieder da ist ein Medium, das sowohl Hitler thematisiert als auch Medien, in denen Hitler thematisiert wird. Eine Figur, die inzwischen durch so vieles entmythisiert wurde – und dadurch von einer der fatalsten Persönlichkeiten der Geschichte zu einem vermeintlich harmlosen, popkultu-rellen Klischee. Ein heimlicher Höhepunkt dessen ist der Moment, in dem Oliver Masucci (der hier einen großartigen Hitler abgibt), Christoph Maria Herbst und Michael Kessler (die beide selbst schon als Hitler-Parodien aufgetreten sind) im engsten Kreis zusammen stehen.
Darf man oder muss man lachen?
Als Zuschauer ist man hier hin- und hergeworfen zwischen dem Drang zu lachen und der Reflexion dieses Lachens. Darf man das überhaupt? Muss man vielleicht sogar? Oder läuft man damit Gefahr, die Grausamkeiten dieses Mannes zu marginalisieren? Er ist wieder da kann (und will) sich anfangs nicht entscheiden, ob er nun unterhalten oder warnen will, und drückt dem Zuschauer sein Anliegen zum Schluss mit einem einzigen Satz deutlich, aber dennoch elegant ins Gesicht: „Sie können mich nicht loswerden – ich bin ein Teil von Ihnen, von euch allen.“ Und plötzlich gehen einem die Augen auf. So geht gute Satire.
Er ist wieder da ist in vielerlei Hinsicht beachtenswert, man könnte gar sagen genial. Doch zu einem wirklich guten Film bedarf es eben mehr als das und hierbei zeigen sich dann doch einige eklatante Schwächen. Wie schon erwähnt fallen die fiktiven Szenen gegenüber den dokumentarischen deutlich ab, vor allem humoristisch. Gelegentlich ist das Ganze überinszeniert (Stichwort: Internet-Hype). Und auch die mauen digitalen Effekte stechen negativ heraus, trotz ihres vergleichsweise seltenen Einsatzes.
Fazit
Ich bin kein Fan des deutschen Films an sich. Doch den Verantwortlichen hinter Er ist wieder da – sei es der Regisseur, der Hauptdarsteller, seien es die Kameraleute oder die Autoren – muss man einfach seine ganze Anerkennung aussprechen. Was hier entstan-den ist, ist nicht weniger als ein absolut sehenswertes soziales Experiment, das auf fatale Missstände in unserer Gesellschaft aufmerksam macht, ohne mit dem Holzhammer, dafür aber mit der Gewalt einer unprätentiösen Satire daherkommt. Aller Schwächen, die ihm eine höhere Bewertung verwehren, zum Trotz ist Er ist wieder da ein Film, den man definitiv gesehen haben sollte. Und sei es nur aufgrund der unfassbaren Scheiße, die einige unserer „besorgten Bürger“ hier vor laufender Kamera zum Besten geben.
Bilder & Video: (c) Constantin Film
Alles, was ich am deutschen Film schlechte finde, steckt in dieser Buchverfilmung. Die Performance von Oliver Masucci als Adolf Hitler ist über weite Strecken gelungen, auch wenn hier doch eine eher sanftere Version gezeigt wird. Ansonsten hat Katja Riemann wieder die richtige Rolle abgegriffen. Die Geschichte wurde zum schlechteren angepasst, um noch deutlicher zu zeigen, wie toll sich die deutsche Filmindustrie findet. Da man mit Christoph Maria Herbst und Michael Kessler quasi zwei Hitler-Darsteller hat, ist man unbewusst selbst eine Parodie. Passend dazu wird auch die berühmte Bunkerszene aus Der Untergang nachgespielt. Ich musste über 1-2 Witze lachen, meistens aber über Szenen mit Masucci, die wohl nicht als Scherz gemeint waren. Der Film ist visuell sehr hässlich, die vielen Szenen mit dem dokumentarischen Charakter sehen nach Youtube-Handyvideo und versteckter Kamera aus. Mit 116 Minuten ist der Film auch viel zu lang und Fabian Buschs Rolle ist ätzend. Er ist wieder da ist unglaublich inkonsequent und hat keine eigene Botschaft.
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So sehr können also zwei Meinungen auseinander gehen ^^
Die Komik der „normalen“ Szenen konnte mich auch nicht vom Hocker reißen. Gerade die Szene, in der der „Der Untergang“ parodiert wird, sollte wohl besonders lustig sein, fühlte sich aber ziemlich krampfhaft an. Doch in den dokumentarischen Passagen musste ich teilweise wirklich herzlich lachen – da wurden schon sehr gute Momente ausgewählt. Dass diese Passagen nach versteckter Kamera aussehen, liegt wohl auch daran, dass sie mit (halbwegs) versteckter Kamera gedreht wurden. Da kann man, wenn man das authentische beibehalten will, eben nicht nochmal so drehen, dass die Beleuchtung etc. stimmen. Bzgl. der Länge und Fabian Buschs Rolle stimme ich dir zu, der Film ist mindestens 10 Minuten zu lang.
Eine wirklich Botschaft hat der Film vielleicht auch nicht zu bieten, aber ich finde es prinzipiell immer besser, wenn ein Film eher Denkanstöße gibt, als dich bekehren zu wollen. Der von mir zitierte Satz ging da schon in diese Richtung, hat für mich aber die richtige Wirkung erzielt.
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