Filme gesehen #98

Diese Woche mit Vom Winde verweht, Elephant, Cars und Jin-Roh – Die Wolfsbrigade.
Vom Winde verweht (Gone with the wind, Victor Fleming, USA 1939)
Dieser überlange Schinken lässt sich am besten mit drei Worten beschreiben: episch, rassistisch, sexistisch. Na ja, zumindest letzteres bricht in der zweiten Hälfte ein wenig auf. Die unterscheidet sich nämlich komplett von der ersten. Erzählt wird die Geschichte einer jungen, elitären Dame aus den Südstaaten, die sich bestens in ihrer Rolle als von allen Männern begehrtes Objekt gefällt, heute also eines von diesen verzogenen It-Girls wäre, deren 21. Geburtstag eine überkrasse Party sein muss. Dann kommt jedoch der Bürgerkrieg, der sie ihrer gesamten Existenzgrundlage beraubt – woraufhin sie zu einer knallharten Geschäftsfrau wird. Dieser Wandel wird vollkommen nachvollziehbar geschil-dert und macht Vom Winde verweht vielmehr zu einem Historien- und Familiendrama als zu einem klassischen Liebesfilm, den ich zunächst erwartet hätte. „Liebe“ ist zwar das grundlegende Thema des Films – das Ende fällt aber alles andere als erwartbar aus. Guter Film, der trotz allem aber mit einer viel zu langen Laufzeit zu kämpfen hat: die Story gibt schlicht nicht genug für knapp 3 und eine dreiviertel Stunde her, sondern hätte auch locker in zwei Stunden gepasst. (Ach ja, und das mit dem „rassistisch“ ist der Tatsache geschul-det, dass das hier ausnahmsweise auf Seiten der Südstaaten erzählt wird – ich verbuche das mal unter „Produkt seiner Zeit“…)
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Elephant (Gus Van Sant, USA 2003)
Gus Van Sants Elephant kommt mit einem Drittel dieser Zeit aus und ist dementsprechend auch ein deutlich intensiverer Film. Das aber nur auf Subtext-Ebene, denn hier überwiegen die ruhigen Momente, in denen wir eine Handvoll Highschool-Schüler kennenlernen, die das gesamte Spektrum schulischer Archetypen abdecken. Genau so subtil ist auch der Spannungsaufbau: man spürt, dass hier langsam dunkle Wolken aufziehen, die sich am Ende dann auch mit voller Wucht entladen, allerdings nicht ansatzweise so voyeuristisch, wie man es erwarten könnte. Elephant hätte in so viele Klischees tappen können, kann die allermeisten davon aber problemlos umschiffen und entpuppt sich so als psychologisches Portrait einer Gesellschaft, die die offensichtliche Wahrheit – den Elephant in the Room – nicht wahrhaben will.
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Cars (John Lasseter/Joe Ranft, USA 2006)
Einer der wenigen Pixarfilme, die ich bisher bewusst ausgelassen hatte, da sich all die T-Shirt- und Brotbüchsenaufdrucke mit dem roten Flitzer viel zu sehr nach durch-kalkuliertem Kommerz angefühlt haben. Die Idee, einen Animationsfilm mit lebendigen Autos zu machen, birgt natürlich wieder unfassbar viel kreatives Potential, was sich besonders im Abspann entfaltet. Und prinzipiell ist Cars auch kein schlechter Film – allerdings nur, wenn man die restlichen Pixarfilme nicht als Maßstab heranzieht. Tut man das doch, fällt Cars ziemlich ab, vor allem, da er emotional kaum zu packen weiß. Zumindest fällt es mir persönlich extrem schwer, eine Beziehung zu anthropomor-phisierten Autos (oder auch nur Autos im Allgemeinen) aufzubauen, weshalb mich dieser Streifen herzlich kalt gelassen hat. Aufgrund einiger netter Einfälle und gelungenen Gags immerhin noch Mittelmaß.
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Jin-Roh – Die Wolfsbrigade (Jinrõ, Hiroyuki Okiura, JPN 1999)
Wo die Animes von Studio Ghibli allesamt perfekte Sonntagmorgen-Filme sind, ist Jin-Roh das genaue Gegenteil: düster, dreckig, depressiv. In einer alternativen Zeitlinie, in der die Nazis den Krieg gewonnen haben, herrschen im Tokio der 50er Jahre soziale Unruhen, die sich in gewaltsamen Protesten entladen. Die Hauptfigur gehört zu einer Spezialeinheit der Polizei, die mit ihren gepanzerten Anzügen und viel zu großen Gewehren nicht nur ordentlich furchteinflößend aussieht, sondern auch stets verbrannte Erde hinterlässt. Den Verlauf, den man anfangs erwartet – Held erkennt, wie böse diese Einheit ist und wechselt zu den Rebellen – nimmt die Handlung von Jin-Roh aber überhaupt nicht. Stattdessen werden sämtliche Parteien und Personen extrem ambivalent gezeichnet und behandelt. Dazu kommt noch eine dicke Portion deutscher Mythologie und Symbolismus und fertig ist Anime, der mal wieder zeigt, wie erwachsen Zeichentrick sein kann. Allerdings hat Jin-Roh spürbare Probleme dabei, dem Zuschauer sämtliche relevanten Informationen zu vermitteln – das fängt beim sehr groben Einstieg an und äußert sich schließlich darin, dass man letztlich nicht alle Zusammenhänge versteht. Dennoch: allein schon wegen seiner Atmosphäre sehenswert.
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Elephant würde ich total gern sehen!
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Ja, ist leider nicht so leicht ranzukommen – als HBO Film muss man da schon sehr viel Glück haben, den mal irgendwo im Fernsehen zu sehen. Ansonsten bekommst du ihn auf amazon gebraucht für wenig Geld 🙂
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