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Kritik: „Bojack Horseman“

Bojack Horseman (Raphael Bob-Waksberg, USA 2014 – …)

Auch Stars sind ganz normale Menschen, oder? Die Netflix-Cartoonserie Bojack Horseman greift diese Frage auf und macht daraus ein herrlich bissige und unterhaltsame Satire für Erwachsene.

Wer seit längerer Zeit auf Netflix unterwegs ist und dabei immer wieder über diese ominöse Zeichentrickserie Bojack Horseman gestolpert ist, sie aber keines weiteres Blickes gewürdigt hat, der sollte diesen Fehler schleunigst beheben. Auch ich hielt sie für den x-ten Schwachsinns-Cartoon, wurde aber bereits nach wenigen Folgen eines besseren belehrt. Bojack Horseman entpuppt sich als wunderbare Verballhornung von Hollywoods Star- und Boulevard-Szene.bojack-poster

Ein Pferd in Hollywood
Wie schnell das System Hollywood seine Stars verschluckt, verdaut und wieder ausspuckt, konnten wir an etlichen Beispielen beobachten. Wer es zu schnellem Ruhm bringt, der kann auch ebenso schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken. Besonders wenn dieser Ruhm mit einer solch vermeintlich banalen Kunstform wie einer Sitcom verbunden war. Bojack Horseman hat genau dieses Schicksal getroffen. In den 90ern noch der Hauptdarsteller in einer Sitcom, doch nach deren Absetzung war keines seiner Projekte mehr von Erfolg gekrönt. Bojack kann sich nach wie vor zwar einen exzessiven und teuren Lebensstil leisten, doch leidet vor allem unter einer Sache: Innerer Leere.

Das klingt jetzt nach großen Drama – und überraschenderweise ist es das auch. Zumindest in einigen wenigen, dafür umso intensiveren Momenten. Bojack Horseman ist kein reinrassiger Comedy-Cartoon, sondern tatsächlich eine Tragikkomödie in Serienform. Und: sie folgt den Regeln des modernen seriellen Erzählens. Es gibt also mehrere kontinuierlich fortlaufende Handlungsstränge und Figuren, die die Serie dauerhaft und auf tragische Weise verlassen. Und es gilt die Regel, dass man keine Folge verpassen darf, wenn man größere Verständnislücken vermeiden will. Möglich ist das, weil Bojack Horseman nicht auf die Ausstrahlung im TV angewiesen ist (wo Cartoonserien ja oftmals als Programmfüller verblasen werden), sondern auf Netflix und damit im Binge-Watching-Modus zu sehen ist. Vor allem aber sorgt das für eine angenehme Frische im Cartoon-Genre – vielfach saß ich ernsthaft schockiert und/oder berührt vor dem Bildschirm.

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Echte Figuren – in einem Cartoon!
Dass jene dramatischen Momente so sehr zünden können, liegt besonders an der überraschend tiefen Charakterisierung der Hauptfigur, die sich eines schönen erzählerischen Kniffs bedient: Bojacks neuestes Projekt ist seine Biografie, die er wegen seines hedonistischen Lebensstils natürlich nicht selbst zu Papier bringen kann. Er bekommt deshalb eine Ghostwriterin aufgedrückt, die seine verstörende Jugend langsam aufdeckt und dadurch allmählich einen Blick hinter die Fassade werfen kann. Bojack wird damit – trotz Pferdekopf – zu einer viel menschlicheren und greifbareren Figur, als so viele, die uns in den meisten anderen Serien – selbst „realistischeren“ – präsentiert werden.

Zur Sache mit dem Pferdekopf: Ja, Bojack Horseman kommt mit einer reichlich abstrusen Grundidee daher, die auch zu keiner Zeit erklärt wird. Menschen und vollständig vermenschlichte Tiere leben hier zusammen, bilden zuweilen sogar Pärchen. Muss man als Zuschauer akzeptieren und sorgt dann auch für einige nette, meist beiläufige Gags, so wenn eine Kellnerin – eine Kuh – die Milch für den Kaffee frisch „abzapft“ oder böse blickt, wenn der Kunde ein Steak bestellt.

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Bissig und entlarvend
Der Humor von Bojack Horseman verläuft angenehmerweise nicht nach klassischem Pointenschema, sondern lässt sich am besten mit dem von South Park vergleichen: aus absurden Ideen entstehen absurde Geschichten, die zu absurden Gags führen. Die sind selten echte Brüller, aber durchweg gut, oft auch flach und referenziell. Zugleich bauen sie diese gewisse Fallhöhe auf, die sich dann in den dramatisch-emotionalen Momenten entlädt. O-Ton ist hier übrigens Pflicht: nicht nur machen die Sprecher (u.a. Will Arnett als Hauptrolle, Allison Brie als seine Ghostwriterin und Aaron Paul als… er selbst?) einen fantastischen Job, auch der Humor ist sehr wortspiellastig und deshalb denkbar ungeeignet für eine Lokalisierung.

Und auch wenn die Komik von Bojack Horseman nicht mit der über-sozialkritischen Note von South Park mithalten kann, so ist sie doch immer wieder ähnlich zynisch, bissig und entlarvend – speziell in Bezug auf Hollywood. Sätze wie „Filmfestivals sind nur da, damit man ein paar Abzeichen für das finale Filmplakat sammeln kann“ sind da nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs.

Fazit
Bojack Horseman 
ist ein wahres Highlight unter den modernen Cartoon-Serien und eben nicht nur eine weitere Ansammlung von Gags, sondern eine herrlich absurde und doch (auf seltsame Weise) so bodenständige Persiflage auf Hollywood – und das Leben an sich. Beim nächsten Netflixbesuch also nicht einfach wieder drüber scrollen. Die jeweils 12 Folgen starken drei Staffel schauen sich in einem Rutsch weg – und sind überraschend intelligente Unterhaltung für Erwachsene, in der Komik und Drama Hand in Hand gehen.

5,0

Bilder & Trailer: (c) Netflix

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