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Kritik: „Doctor Strange“

Doctor Strange (Scott Derrickson, USA 2016)

Benedict Cumberbatch wird zum Superhelden: In Doctor Strange kämpft ein arroganter Chirurg zunächst gegen sich selbst und dann gegen den Weltuntergang. Mal was neues von Marvel? Mitnichten.

Das Superhelden-Genre bekommt sie alle. Mittlerweile fällt es immer schwerer, namhafte Schauspieler zu nennen, die noch nicht in irgendeinem DC-, Marvel-, X-Men- oder anderen Superheldenfranchise mitgewirkt haben. Mit Doctor Strange assimiliert das moderne Mega-Blockbuster-Genre nun also auch Frauenschwarm, Oscaranwärter und Sherlock-Darsteller Benedict Cumberbatch.doctor-strange-poster

Vom Chirurg zum Magier
Cumberbatch verkörpert den Neurochirurgen Stephen Strange, einer der besten, wenn nicht gar der beste seines Fachs, zugleich aber mit einigen eklatanten charak-terlichen Schwächen ausgestattet: Strange ist egozentrisch, überheblich, arrogant und selbstverliebt. Das wird ihm eines Tages zum Verhängnis, als er wegen seines aggressiven Fahrstils einen fatalen Autounfall verursacht. Seine Hände – seine wichtigsten Arbeitsinstrumente – werden dabei so schwer in Mitlei-denschaft gezogen, dass er die Arbeit aufgeben muss. Seine letzte Hoffnung ist ein obskurer Hinweis, der ihm Heilung in einem tibetanischen Kloster verspricht. Doch dort geht man weit über körperliche Heilmethoden hinaus: Strange wird in die Kunst der Magie eingeführt.

Wer auch nur den Hauch einer Hoffnung hatte, dass Marvel und Disney mit Doctor Strange ihre immer gleiche und immer erfolgreiche Formel auch nur ansatzweise verlassen würden, der hätte sich kaum schwerer irren können. Nach wie vor gilt: What you saw is what you get (again). Charakteraufbau, regelmäßige Actioneinlagen, auflockernde Gags – auch in der neuesten Ausgabe des größten Filmfranchise der Gegenwart greifen die gleiche Struktur, Atmosphäre und Erzählweise, die auch schon in den vergangenen Jahren für volle Kinosäle gesorgt haben. Als Originstory muss sich Doctor Strange überdies damit abmühen, zunächst seine Hauptfigur sowie diverse Nebencharaktere zu etablieren. Grundlegend funktioniert das alles natürlich – schließlich hat man in den Marvel Studios schon jahrelang Übung darin.

Charakterliche Tiefe und optische Opulenz
Zwei Dinge muss man Doctor Strange fraglos zugestehen. Erstens wird im Verlaufe der Handlung überraschend tief in Stephen Stranges Psyche vorgedrungen. Denn bei seiner Ausbildung in Tibet geht es nicht einzig darum, neue Fähigkeiten zu erwerben, sondern vor allem, seine charakterlichen Mängel und Schwächen zu erkennen und zu überwinden. Auch wenn das alles Küchenpsychologie sein mag – Strange wird damit bereits in seinem ersten Film zu einem deutlich tiefer gezeichneten Helden als Tony Stark, Thor oder Captain America.

Zweitens ist Doctor Strange Marvels bis dato visuell beeindruckendster Film. Das meint nicht nur die Qualität der computergenerierten Effekte (die wird schließlich kontinuierlich besser), von denen es mal wieder überdurchschnittlich viele gibt. Vielmehr beeindruckt das gesamte Design, in dem Welten und Dimensionen verbogen, verschränkt, auseinandergefechert und -gerissen werden. In den hektischsten Momenten sorgt das zwar für einen visuell Overkill, doch die mandalahafte und kaleidoskopische Gestaltung dieser Szenen ist sowohl faszinierend als auch fesselnd und steckt voller wunderbarer Details. Hier könnte man zurecht über eine Oscarnominierung für die besten Specialeffects diskutieren. In jedem Falle sei Interessierten eine Sichtung im Kino ans Herz gelegt – vorzugsweise in 3D.

dr-strange-03Doch abgesehen von diesen beiden Stärken ist Doctor Strange ziemlich generisches, bestenfalls berechenbares Filmfutter, das überdies noch mit vielen kleineren und größeren Macken zu kämpfen hat. Sind die Kräfte, die Strange allmählich entwickelt, anfangs noch nachvollziehbar (zumindest so nachvollziehbar, wie Magie das sein kann), fühlt es sich so an, als würde diese innere Logik gegen Ende langsam auseinanderbröckeln. Die beiden Antagonisten sind – in bester Marvel-Tradition – flache Abziehbilder. Der Love-Interest (Rachel McAdams) ist uninteressant und dient hauptsächlich dazu, eine überflüssige romantische Ebene in die Handlung einzubauen. Sämtliche Schauspielleistungen sind solide, aber niemals herausragend. Und der Humor – so sehr ich auch immer wieder schmunzeln musste – schießt stellenweise über das Ziel hinaus und wirkt deplatziert.

Fazit
Ich bin innerlich zerrissen: Einerseits konnte mich Doctor Strange mal wieder gut unterhalten, den Kinobesuch habe ich keinesfalls bereut. Andererseits konnte Scott Derricksons Film mich auch nicht begeistern – das immer gleiche narrative Schema scheint so langsam auch bei mir seine Wirkung einzubüßen. Was bleibt, ist ein Film der sich perfekt ins Marvel Cinematic Universe einreiht – mit sämtlichen bekannten Plus- und Minuspunkten – und die Frage, wie lang diese Masche noch ziehen wird.

4,0

Bilder & Trailer: (c) Marvel Studios

8 Kommentare zu „Kritik: „Doctor Strange“ Hinterlasse einen Kommentar

  1. Endlich mal eine Kritik, mit der ich voll und ganz übereinstimmen kann.
    Der Streifen kommt mir bei den meisten viel zu gut weg. Aber wennn man sich so die Bewertungen auf FIlmportalen anschaut, dann scheint Doctor Strange allgemein sehr gut anzukommen.

    Gefällt 1 Person

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