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„Ghostbusters“ (2016) Oder: Die absurde Macht der Trolle

Zur Neuverfilmung von Ghostbusters gäbe es eigentlich nicht viel zu sagen – wäre da nicht eine interessante Facette, die aus einem schlechten Film einen schlechten Film  mit einer ungewöhnlichen Meta-Ebene macht.

Wir leben in verrückten Zeiten. Das erkennt man nicht nur daran, dass ein Reality-Star mit Selbstbräunersucht und Toupet (und auch noch einem ziemlich schlechten) zum US-Präsidenten gewählt wird. Es spiegelt sich ebenso in den Medien wieder – auch und besonders in unseren Unterhaltungsmedien.

Bücher, Filme und Musik sind immer ein Spiegel unserer Zeit, unserer Probleme, unserer Gesellschaft. Schließlich entstehen und existieren sie nicht losgelöst von der Welt außerhalb ihrer selbst: Wenn Menschen kreativ sind, fließt zwangsläufig immer ihre gefühlte Lebenswirklichkeit in diesen Prozess mit ein. Dabei ist die Wirklichkeit selbst nur das Ergebnis eines gesellschaftlichen Konstruktionsprozesses, wie wir seit Peter Berger und Thomas Luckmann wissen.

Das Internet hat diesen Prozess, dieses Zustandekommen der Wirklichkeit, massiv verändert: Hass, Rassismus, Sexismus, Homophobie – Dinge, die es schon immer gab  – können nun noch deutlicher nach außen kommuniziert werden. Die Wege, auf denen das geschieht, haben sich gewandelt, sind direkter und unmittelbarer geworden. Das hat auch die Filmindustrie zu spüren bekommen: Die Reaktionen zu Ankündigungen, Teasern und Trailern werden nun nicht mehr nur in kleiner Runde, auf dem Schulhof oder im Filmclub diskutiert – sie erreichen die Produzenten direkt und auf dem schnellsten Wege.

A History of Hate
Die Geschichte geht nun also so: Comedy-Regisseur Paul Feig, der für solch phänomenale Werke wie Bridesmaids oder Taffe Mädels verantwortlich zeichnet, macht ein Remake von Ghostbusters. (Oder ist es ein Reboot? Kann man das heute überhaupt noch mit Bestimmtheit sagen?) Der erste Trailer landet im Netz und erkämpft sich in Windeseile den Ruf des am schlechtesten bewerteten Trailer aller Zeiten. Die Kommentarspalten füllen sich mit sexistischen Sprüchen, Hass und Getrolle (was außerdem dazu führt, dass nun jeder Verfasser einer schlechten Kritik zu diesem Film zunächst bekräftigen muss, dass er kein Sexist sei – als ob das nicht klar wäre). Als Antwort darauf wirft der Regisseur seinen Kritikern Sexismus vor, was zum Teil berechtigt sein mag, beileibe aber nicht auf alle zutrifft. Denn der Trailer wirft alles andere als ein gutes Licht auf den Film, punktet stattdessen mit flachem Humor, einfallsloser Story und klischeehaften Figuren.

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Nachdem Ghostbusters nun auf DVD erschienen ist, habe auch ich ihn mir angesehen. Nicht weil ich großer Fan der Vorlage (die übrigens auch mit einigen sexistischen Spitzen aufwartet) und erst recht nicht des Regisseurs bin. Auch nicht, weil ich einen guten Film erwartet hätte. Sondern schlicht, weil ich mir den Stein des Anstoßes gern selber zu Gemüte führen wollte. Was ich gesehen habe, ist zumindest in einer Hinsicht faszinierend: Ghostbusters geht nämlich auf direkten Konfrontationskurs mit seinen „Hatern“.

Eine ganz neue Meta-Ebene
Es war zu erwarten, dass sich die kontroverse Debatte in gewisser Weise im Film widerspiegeln würde. In welchem Maße das jedoch geschieht, ist beachtlich. Anfangs reagiert die neu gegründete Geisterjägertruppe noch mit kurzen, beinahe beiläufigen Anmerkungen auf die hämischen Kommentare, die im Internet auf die Videos der ersten Geister geäußert werden. Bei diesem netten kleinen Meta-Kommentar hätte man es belassen können. Doch Paul Feig wäre wohl nicht Paul Feig, wenn er sich nicht Kopf voran darauf stürzen würde. Da wird einem nervtötenden Blogger, der die vier Damen auf offener Straße beleidigt, ins Gesicht geschlagen. Die Geister auf der anderen Seite der Glasscheibe (You get it?) sind mies und gemein – und natürlich „hauptsächlich Kerle“. Zu guter Letzt wird dem finalen Obermotz mit einem Schuss in die Weichteile sein Ende bereitet. Subtil geht anders, stattdessen wird die offene Konfrontation und Gegen-Beleidigung gesucht.

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Das alles ist deswegen so interessant, weil es auf eine ganz neue Dimension des Verhältnisses zwischen Produzent und Konsument hindeutet. Das Bild des einsamen Künstlers, der ungestört von der Außenwelt in seinem Atelier arbeitet, ist ja schon längst nicht mehr aktuell. Doch dass Regisseur und Drehbuchautor derart auf die ersten Reaktionen ihres potentiellen Publikums antworten, ist eine ganz andere Nummer: Die künftigen Zuschauer nehmen nun schon während des Produktionsprozesses Einfluss auf das finale Werk – allerdings nicht im intendierten Sinne. Ein wenig erinnert das an moderne Performancekunst – mit dem Unterschied, dass dabei der Prozess an sich das Kunstwerk ist. Ghostbusters hingegen ist ein Film, etwas für die Ewigkeit, dessen Schaffensprozess dennoch massiv vom Publikum beeinflusst wurde – mit der Besonderheit, dass dieser Einfluss nur indirekt und reaktionär geschah. Denn die Drehbuchänderungen waren eben nicht anbiedernd oder adaptiv, wie es beispielsweise bei Videospiel-Beta-Tests der Fall ist.

Nein, Paul Feig hat mit Ghostbusters den (meines Wissens) ersten Film abgeliefert, der die öffentliche Reaktion auf seinen Trailer inhaltlich reflektiert, was ihn auf eine ganz neue Meta-Ebene hievt. Kein Fan-Service, der auf Bitten à la „Macht doch dies und das“ entsteht, sondern Anti-Fan-Service: eine Gegenreaktion. „Oh, ihr findet meinen Film scheiße, ohne ihn gesehen zu haben? Dann schreibe ich eben das Drehbuch eben um und geb’s euch so richtig!“ Nicht auszudenken, was passiert, wenn dieses Beispiel Schule macht…

Historisch interessant – als Film aber mies
Das macht Ghostbusters zwar zu einem filmhistorisch ziemlich interessanten Untersuchungsobjekt, ändert aber nichts daran, dass der Film selbst ziemlich mies ist. Handlung und Erzählstruktur sind gänzlich unkreativ, die Figuren wandelnde Klischees – besonders das afroamerikanische Mitglied der Gruppe lässt eine überraschend rassistische Prägung erkennen. Und wer seinen Film kiloweise mit sexistischen Gags auflädt, der hat eigentlich auch kein Recht, sich über sexistische Internettrolle zu beschweren. Am schlimmsten aber ist ausgerechnet der Humor des Films geraten. Klar, gute, das heißt tatsächlich witzige US-Komödien sind inzwischen eine Rarität. Und Humor ist immer subjektiv. Aber tatsächlich lachen musste ich hier nur ein einziges Mal – stattdessen versprüht dieser Film den unerträglichen Charme eines dieser Menschen, die sich selbst für unfassbar witzig halten, doch die einzigen im Raum sind, die über ihre flachenKalauer lachen.

Insofern haben die Internettrolle dann doch einen – wenn auch makabren – Zweck erfüllt: Durch sie ist Ghostbusters von einem „einfachen“ sehr schlechten Film zu einem sehr schlechten Film mit einer interessanten, neuartigen Meta-Ebene geworden. Das ändert aber nichts daran, dass ich jedem von diesem Machwerk nur abraten kann.

Und damit: Frohe Weihnachten!

1,5

Bilder & Trailer: (c) Sony Pictures Entertainment

4 Kommentare zu „„Ghostbusters“ (2016) Oder: Die absurde Macht der Trolle Hinterlasse einen Kommentar

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