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Kritik: „La La Land“

La La Land (Damien Chazelle, USA 2016)

Ein Film für Träumer, Nostalgiker und Formalisten: Whiplash-Regisseur Damien Chazelle will mit La La Land das Musical wieder ganz groß machen.

Das Musical. Glanz und Gloria. Ein Genre, das symptomatisch für Hollywoods goldenes Zeitalter steht. Das für den Aufstieg der lokalen Filmindustrie ebenso entscheidend war wie für ihren kommerziellen Niedergang in den 60ern. Trotzdem hat das Musical in Bühnen- wie in Filmform überlebt und erhält mit La La Land nun seinen neuesten Ableger. Damien Chazelle, Regisseur von Whiplash, zeichnet dafür verantwortlich und konnte dafür bereits sieben (!) Golden Globes einstreichen. Erfolg gibt recht. Oder?la-la-land-poster

Perfekter Einstieg
Dass sich La La Land seiner historischen Last bewusst ist und mit dieser offen umgeht, wird schon im ersten Frame deutlich: Ein Körniges Schwarz-Weiß-Bild in 4:3, das sich langsam zum Cinemascope streckt und Farbe annimmt. Die Vergangenheit in die Gegenwart transportieren, altes wieder modern machen – das scheint Chazelles Anspruch zu sein. Im deutlichen Kontrast dazu steht die erste Szene, die mit sämtlichen Vorteilen der modernen Filmproduktion auftrumpft: Mehr als fünf Minuten dauert diese Plansequenz, in der ein Stau auf dem Highway als Ausgangslage für eine mehr als beeindruckende Nummernrevue dient. Fantastische Farben, Choreografie, rhythmische Kamerabewegungen, unkitschige Gute-Laune-Musik – und sofort ist man verzaubert.

Das ist dann auch das entscheidende Wort: La La Land will verzaubern, auditiv wie visuell. Und immer wenn es musikalisch wird, gelingt ihm das auch: Sobald die Menschen unvermittelt beginnen zu singen, zu tanzen und alle Umstehenden wie selbstverständlich miteinsteigen, genau dann löst sich jeglicher Realismus in heißer Luft auf und weicht einem verträumten Zusammenspiel von Bild und Ton. Chazelle ist sich der Macht dieser Ästhetik bewusst. Während sich in den schnellen, präzis gesetzten Schnitte von Whiplash das Stakkato des Schlagzeugs widerspiegelte, dominiert in La La Land eine dynamische, lebendige Kamera. Die musikalischen Sequenzen kommen mit wenigen bis gar keinen Schnitten aus – und wirken deshalb umso beeindruckender. Und diese Farben – die Farben!

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Innige Leidenschaft zur Musik 
Chazelles zweiter Film lässt indes bereits das thematische Leitmotiv seines Regisseurs erkennen: die innige Leidenschaft zur Musik. Die schwang im Vorgängerfilm noch in manische Besessenheit um, hier dient sie der Nostalgie, dem Eskapismus, der Träumerei – sowohl der des Publikums als auch der beiden Protagonisten. Er – Ryan Gosling als erfolgloser Pianist und Jazz-Liebhaber – und sie – Emma Stone als lebendes Klischee vom aufstrebenden Mädchen, das in Hollywood ihr Glück als Schauspielerin sucht – finden und verlieben sich ziemlich schnell ineinander.

Schneller zumindest, als in vergleichbaren Filmen, die den ersten Kuss gern ans Ende der Geschichte setzen. Nicht so in La La Land: Hier rückt schon nach kurzem die Liebes-Beziehung der beiden in den Vordergrund, samt aller Höhen und Tiefen.

Trockener Alltag
Ob das dem Film aber sonderlich gut tut, steht auf einem anderen Blatt. Denn mit jenen Höhen und Tiefen des Berufs- und Liebeslebens hält auch die nüchterne, ja beinahe dröge Lebensrealität Einzug in die Geschichte. Das äußert sich in La La Land durch eine musikalische wie kreative Durststrecke, die die flach gezeichneten Hauptfiguren nicht auffangen können. Denn so gut Stone und vor allem Gosling (der aus seinem Charakter eine sympathische Mischung aus trockenem Zyniker und naivem Rebell macht – und das ganz ohne ausladendes Mimenspiel) auch spielen: Ihr marginaler charakterlicher Unterbau reicht nicht aus, um auch ohne Musik und Farben die nötige, sonst so überschwängliche Portion Emotionalität auf die Leinwand zu zaubern.

Der Versuch, mit diesen Passagen einen Konterpart zu schaffen, mag dramaturgisch notwendig sein. Bei den Songs auf Qualität statt auf Quantität zu setzen, war ebenfalls keine schlechte Entscheidung. Dem Gesamteindruck schaden diese langatmigen Szenen, von denen man in dieser Form schon zu viele gesehen hat, dennoch. Stattdessen wünscht man sich die Farbenpracht und Verspieltheit der Musikeinlagen zurück. Die kommt dann zwar auch wieder – und wie! – bis dahin ist aber zu viel Zeit verstrichen.

Fazit
Dass so viele Menschen (einschließlich der Golden Globe Jury) von La La Land begeistert sind, ist nachvollziehbar: In seinen besten Momenten, also sämtlichen musikalischen Stücken, ist dieser Film eine ästhetische Wohltat für die vom Alltag zermürbte Seele. Das Bedürfnis nach Nostalgie, der Wunsch nach Eskapismus werden hier gleichermaßen befriedigt. Sobald jedoch eben jener Alltag Einzug hält, offenbart sich, dass La La Land respektive seine Figuren nicht genug Fleisch auf den Rippen haben. Von einem „perfekt“ ist er deshalb weit entfernt – ebenso wie von der Qualität seines Vorgängers Whiplash.

4,5

Bilder & Trailer: (c) Studiocanal

9 Kommentare zu „Kritik: „La La Land“ Hinterlasse einen Kommentar

  1. Danke sehr! Puhh… endlich jemand, der den Film auch ein wenig kritischer betrachtet. Ich fand ihn auch sehr schön, gerade das Ende war wirklich toll gemacht. Aber zwischendurch hatte der Film einfach auch ein paar kleine Hänger, die ihn für mich auch nicht zu einem perfekten Film machen. Es ist ein schöner Film, ohne Frage… aber nicht perfekt.

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