Kritik: „Life“

Life (Daniel Espinosa, USA 2017)
Alien Covenant steht bevor. Braucht man da noch Daniel Espinosas Science-Fiction-Horrorfilm Life? Antwort: Nein. Sollte man ihn sich trotzdem ansehen? Antwort: Ja.
Das Genre des Science Fiction Horrors ist ja prinzipiell immer interessant. Es konfrontiert den größten Traum des Menschen – den Griff nach den Sternen – mit seinem größten Albtraum: Abgeschiedenheit. Wer an vorderster Front auf der Suche nach Entdeckungen ist, ist letztlich auf sich gestellt und hilflos, sobald er der Gefahr ins Auge blickt. Hybris wird bestraft.
Die Blaupause dafür ist fraglos Ridleys Scotts erster Alien, dessen Franchise in naher Zukunft um zwei Filme erweitert wird. Bevor Scotts Alien Convenant im Mai dem Genre vielleicht einen neuen Höhepunkt (oder Tiefpunkt) verpasst und das Kinopublikum sättigt, kommt Sony Pictures mit Life daher und liefert damit – aller anfänglichen Zweifel zum Trotz – einen erstaunlich effektiven Film ab.
Alien trifft Gravity
Das Setting ist mit „Alien trifft Gravity“ perfekt umrissen: Sechs auf der ISS stationierte Astronauten bergen in naher Zukunft die erste Sonde, die Gesteinsproben vom Mars zurückbringt. Der darin entdeckte Einzeller wird wiederbelebt, auf den Namen Calvin getauft und entwickelt sich vom putzigen Zellhaufen bald zu einer handfesten Bedrohung.
Dieses Wandeln auf vielfach bemühten Genre-Pfaden behält Life bis zum Ende bei und entblößt damit seinen größten Schwachpunkt: seine Ideenarmut. Nur in ganz wenigen Momenten kann er mit frischen und/oder interessanten Einfällen punkten. Immer wieder fühlt man sich stattdessen an andere Filme – vor allem seine beiden offensichtlichen Vorbilder – erinnert. Das bedeutet aber nicht, dass Life gleichzeitig identitätslos ist. Denn tatsächlich schafft er es dort, wo es wichtig ist, zu punkten: bei der Spannung.
Cast ohne Kanonenfutter
Dank einer gelungenen Charakterzeichnung ist die erste Voraussetzung dafür schon einmal erfüllt. Seamus McGarvey lässt seine Kamera in einer beeindruckend langen Plansequenz zu Beginn durch die Gänge der Raumstation gleiten und gibt uns damit bereits einen ersten, flüchtigen Blick ins Innen- und Zusammenleben der Figuren. Deren Schauspieler arbeiten ihr Rollen sauber ab.
Da schweben Jake Gyllenhaal als traumatisierter Bordarzt, Olga Dihovichnaya als sympathische Kommandantin, Ryan Reynolds als Deadpool oder Rebecca Furgeson als Quarantäne-Expertin (die als einzige ein wenig abfällt) durch die Station. Wir erfahren, was sie dort oben tun, womit sie sich die Zeit vertreiben, was sie auf ihrer irdischen Heimat zurückgelassen haben, was sie antreibt. Und obwohl diese Protagonisten alles andere als herausragend oder memorabel geschrieben sind, so werden sie doch klar genug umrissen, um menschlich und sympathisch zu wirken. Mit anderen Worten: Wenn es kritisch wird, fiebert man mit ihnen mit.
Im Weltall hört man alle schreien
Und wie kritisch es stellenweise wird. Wenn nach 45 Minuten das Chaos ausbricht und Life endgültig dem Survival-Horror Platz macht, gönnt er dem Zuschauer nur ganz selten Momente der Entspannung. Es dominiert ein Gefühl der permanenten Bedrohung. Jeder Charaktertod – so vorhersehbar die späteren auch sind – tut weh und ist obendrein äußerst unangenehm, ohne dass das Ganze zum Splatter verkommt. Schade allerdings, dass das anfangs unkonventionelle Design von Calvin im weiteren Verlauf immer generischer wird. Das Tierchen erinnert dann verdächtig an HR Gigers Xenomorph – an einem solch ikonischen Vorbild kann man aber nur scheitern. Immerhin wirkt die Bedrohung hier auf ganz andere Weise: Calvin ist keine physische Ur-Gewalt, sondern ein intelligentes und anpassungsfähiges Wesen. Die Evolution bahnt sich ihren Weg.
Wer gerne an physikalischen Unkorrektheiten rumkrittelt, wird auch an Life seine Freude haben – Schall im luftleeren Raum und so. Geschenkt. Ein wirkliches Ärgernis ist hingegen das Finale. Hier wird (mal wieder) mit aller Macht der Weg für eine Fortsetzung bereitet, sodass Life nicht den runden Abschluss bekommt, den er verdient hätte. Denn so wenig dieser Film auch Neues zu bieten hat, so sehr er sich von bewährten Zutaten seiner viel größeren Genre-Kollegen bedient – er schafft es trotz allem, daraus ein Paket zu schnüren, das an genau den Stellen funktioniert, an denen es funktionieren muss.
Fazit
Life ist ein reinrassiges Stück Gerne-Kino. Eine bekannte Geschichte in neuer Form. Ideenarm, aber sehr unterhaltsam. Er weiß, welche Knöpfe er drücken muss und tut dies zur rechten Zeit. Eine Qualität muss man ihm nichtsdestotrotz zusprechen: Er übersetzt die von Ridley Scott bereits 1979 nahezu perfekt erzählt erzählte Geschichte in ein wesentlich authentischeres, lebensnäheres Szenario. Die meisten seiner Fehler verzeihe ich ihm deshalb nur allzu gerne.
Bilder & Trailer: (c) Sony Pictures
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