Kritik: „All Eyez on me“

All Eyez on me (Benny Boom, USA 2017)
Biopic über Tupac Shakur, das alle Stationen im Leben des Rappers abbildet und trotzdem oberflächlich bleibt.
Wer sich öfter auf dieser Seite herumtreibt, der wird vielleicht schon bemerkt haben, dass ich großer Rap- und HipHop-Fan bin. Deshalb herrschte bei mir reges Interesse und große Vorfreude, als endlich die filmische Biografie über das Leben des Rapper 2Pac angekündigt wurde. Denn mal ehrlich: Ein solcher Film war schon lange, lange überfällig. Dem Wirken seines Protagonisten wird All Eyez on me jedoch nicht gerecht.
Biopic nach Schema F
Die Geschichte beginnt – wie sollte es anders sein – im Knast. Dort sitzt Tupac Shakur (Demetrius Shipp Jr.) wegen sexueller Belästigung ein. Ein Kamerateam positioniert sich für ein Interview, das fortan den narrativen Rahmen des ersten und zweiten Filmdrittels bildet. Shakur berichtet dem Reporter von seiner Kindheit in New York, seinen Umzügen nach Baltimore und später nach Los Angeles. Dem schwierigen Verhältnis zu seiner Mutter (Danai Gurira), die aktives Mitglied der Black Panthers und nach einem Gefängnisaufenthalt crackabhängig war. Dem langsamen Aufstieg im Musik-Business, der bei Digital Underground begann, ihn nach New York und schließlich wieder nach L.A. in die Arme des umstrittenen Label-Bosses Suge Knight (Dominic L. Santana) führte.
Was sich liest, wie ein striktes Abhaken von Lebensstationen, ist dann auch genau das: All Eyez on me prescht in beeindruckendem Erzähltempo vor, fügt eine Begebenheit nahtlos an die nächste. Das ist einerseits gut, weil dadurch keine Durststrecken und keine Langatmigkeit aufkommen. Anderseits wird dabei auch keiner Szene Zeit zum Atmen und Wirken gegeben.
Erzählerischer Flickteppich
Kaum eine Minute vergeht bis zum nächsten Schauplatzwechsel, viel zu oft werden spannende Situationen nur angerissen, ohne dass es in die Tiefe geht oder das Ganze zur Handlung beiträgt – vermutlich auch, weil die Faktenlage in manchen Fällen ziemlich unklar ist. Dieser erzählerische Flickenteppich mag zum Ziel haben, ein komplexes und möglichst vollständiges Bild des Protagonisten zu zeichnen, verkommt aber zu einer mehr oder minder losen Aneinanderreihung kurzer Szenchen. Und das resultiert in einem noch größeren Problem: All Eyez on me gelingt es nur ganz, ganz selten echte Höhepunkte zu setzen. Meist rauscht der Film einfach nur am Zuschauer vorbei.
Auch werden jene Aspekte, die das gesellschaftliche Klima beleuchten sollen, in denen Shakur aufgewachsen ist, irgendwann einfach fallen gelassen. Rassismus? Black Panthers? Staatliche Repression und Zensur? Crack? Alles nur Randnotizen, anfangs mal kurz erwähnt, zum Teil auch durch den Interviewer kritisch kommentiert und kontextualisiert – am Ende aber spielen sie alle keine Rolle mehr. Einzig Shakurs fragwürdige Haltung gegenüber Frauen wird da noch etwas stärker in den Fokus der Handlung gerückt, was sich in erster Linie in seinem Gerichtsprozess wegen einer angeblichen Vergewaltigung widerspiegelt.
Perfektes Hauptdarsteller-Casting
Bei all der Kritik kann All Eyez on me aber zumindest in einem Punkt überzeugen und bestätigt damit das, was sich bereits durch den Trailer angedeutet hatte: Das Casting des Hauptdarstellers ist perfekt. Nicht nur sieht Demetrius Shipp Jr. dem echten Tupac äußerst ähnlich (so ähnlich sogar, dass sein Gesicht auf sämtliche Poster und Platten-Cover retuschiert wurde, was gar nicht mal schlecht aussieht): Er schafft es zudem, seine Körpersprache glaubwürdig zu imitieren.
Dieser positive Eindruck wird aber auch gleich wieder dadurch geschmälert, dass seine Darstellung und das Script jegliche Tiefe vermissen lassen. Die Filmversion von Shakur bleibt oberflächlich, ist in Summe weder sympathisch noch unsympathisch, verkommt stattdessen zu einer kaum greifbare Fläche, der man am Schluss des Films nur wenige Zentimeter näher gekommen ist. Tupacs Temperament und seine aus den radikaleren Auswüchsen der Bürgerrechtsbewegung geborene, durchaus ambivalente Weltansicht deutet All Eyez on me lediglich an.
Ein wenig schade außerdem, dass man die Schauspieler, die bereits in Straight outta Compton Snoop Dogg, Dr. Dre und Suge Knight verkörpert hatten, nicht verpflichten konnte/wollte. Immerhin: Mit Jamal Woolard kann der Biggie-Darsteller aus Notorious noch einmal punkten. Und natürlich ist auch musikalisch alles Top. Wenn zu Beginn „So many Tears“ erklingt, dann ist das einfach der ideale Soundtrack für die Einfahrt in den Knast. Visuell bewegt sich All Eyez on me auf durchschnittlichem Niveau – nur der Schnitt und einige seltsam unpassende Zeitlupen-Einsätze geben Anlass zur Kritik.
Fazit
So weit, so solide. All Eyez on me nimmt sich viel vor – und bemüht sich redlich, eine möglichst vollständige Chronik des Lebens von Tupac Amaru Shakur zu sein. Doch wie das so oft ist: Wer sich anstrengt, liefert nicht zwangsläufig das beste Ergebnis ab, sondern überhebt sich gern mal. Genau das ist auch bei All Eyez on me der Fall. Am Ende dieses 140 Minuten langen Streifens hat man zwar das Gefühl, alle Stationen im Leben des wohl populärsten Rappers aller Zeiten gesehen zu haben, ohne jedoch etwas über den Menschen gelernt zu haben. Schade um das verschenkte Potential.