Kritik: „Wonder Woman“

Wonder Woman (Patty Jenkins, USA 2017)
Wonder Woman ist der Beweis, dass das mit den DC-Filmen tatsächlich noch etwas werden könnte. Ein unangenehmer Beigeschmack bleibt dennoch.
Ja, ich bin mal wieder viel zu spät. Die halbe Welt hat Wonder Woman inzwischen gesehen, fast genau so viele sind begeistert. Als erster Superheldinnen-Film, als erster guter Film des DC Expanded Universe, als feministisches Werk inmitten eines von Männern dominierten Genres wird er gefeiert. Nun ist nur eine dieser Behauptungen tatsächlich objektiv belegbar, auf die Diskussion über einen anderen will ich mich gar nicht erst einlassen. Zumindest beim Qualitätsvergleich mit Man of Steel, Batman v Superman oder dem desaströsen Suicide Squad schließe ich mich an: Wonder Woman ist in der Tat der beste Film dieser Reihe. Das Siegel „sehr gut“ bleibt ihm von meiner Seite aber verwehrt. Und das liegt an lediglich 10 Minuten.
Akt 1
Dabei geht alles so gut los: Auf einer Insel im Mittelmeer, durch einen magischen Nebel vor neugierigen Blicken und unerwünschten Besuchern verborgen, wächst die junge Diana inmitten von Amazonen auf. Die Königin verweigert ihrer Tochter zwar die Ausbildung im Kampf, was das neugierige Kind jedoch nicht davon abhält, heimlich zu üben und zu lernen. Ein Glück jedoch, dass die Mutter eine begeisterte Geschichtenerzählerin ist, denn so kann dem Zuschauer die Ursprungsgeschichte der Amazonen auf dem Silbertablett serviert werden: Als Sprösslinge der (griechischen) Götter leben die weiblichen Kriegerinnen verborgen, um Ares im entscheidenden Moment aufzuhalten, sollte er nach seiner Niederlage vor tausenden von Jahren jemals zurückkehren, um die Menschheit in einem letzten großen Krieg zu vernichten.
Das ist ganz schön viel mythologischer und hingebogener Tobak, der dem Zuschauer in der ersten halben Stunde da hineingeschaufelt wird und mit dem er sich wohl über übel abfinden muss. Zugleich aber ist es auch die ehrlichste Exposition, die ein (übernatürlicher) Superheldenfilm bisher präsentiert hat: Die kulturwissenschaftliche These von Superhelden als moderne Re-Interpretation der antiken Götter findet in Wonder Woman ihre wortwörtliche Umsetzung. Und wie in der griechischen Mythologie wird die Idylle des Götterparadieses durch den Menschen zerstört: Der englische Spion Steve Trevor (Chris Pine) stürzt mit seinem Flugzeug vor der Küste ab und wird von Diana gerettet, die ihn schließlich nach London begleitet, um Ares an der Front des ersten Weltkrieges zu suchen und zu vernichten. Denn nur so kann – so besagt es die Legende – der große Krieg beendet werden.
Akt 2
Im grauen London schlägt Wonder Woman einen ganz anderen Ton an. Hier entfaltet sich eine klassische Fish-outta-Water-Geschichte, in der der Fisch, also die Protagonistin, wahrhaft glänzen kann. Der Kontrast aus Weltfremdheit und Belesenheit, in dem Diana gefangen ist, lockert den Erzählton spürbar auf und generiert viele kleine Lacher, von denen jedoch keiner erzwungen wirkt. Möglich wird das erst durch Gal Gadot, die zwar beileibe keine großartige Darstellerin ist, aber all die schauspielerischen Qualitäten mitbringt, die es für diese Rolle braucht. Ob ihre Figur nun idealistisch oder nur naiv ist, das wird ganz der Interpretation des Zuschauers überlassen – in ihrem Gesicht lässt sich beides finden.
Die Nebencharaktere, die in diesem zweiten Akt eingeführt werden, sind aufgrund ihrer rudimentären Figurenzeichnung teils obsolet, teils verschenkt. Ihr eigentlicher Zweck: Die Hauptfigur weiter zu formen und sich beweisen zu lassen. Vor allem gegenüber Männern. Dass sie dabei nie überheblich erscheint oder die Männer zu dumpfen, testosteronbetriebenen Machos degradiert werden, ist das wahre Kunststück. Weibliche Eleganz (und göttliche Herkunft) schlägt maskulinen Narzissmus. Und auch die Gefahr, die Titelheldin zur unfreiwillig lächerlichen Figur zu machen, umschifft Wonder Woman in ganz weitem Bogen.
Akt 3
In Frankreich, an der Front angekommen, ereilt Diana dann der große Schock über all das Leid, das dieser Krieg hervorbringt. Und dem stellt sie sich mit all ihrem Idealismus und Können entgegen, was Regisseurin Patty Jenkins bestens einzufangen weiß. Die erste große Actionsequenz ist in höchstem Maße packend und wuchtig und bereits ein ausreichender Grund für eine zweite Sichtung. Schnitt, Kamera, Sounddesign und Special Effects sind auf ganz hohem Level. Mit einer Ausnahme: Bei gänzlich übermenschlichen Bewegungen – allen voran 20 Meter weiten Sprüngen – fällt selbst dem unerfahrensten Auge auf, dass daran nichts Echtes ist. Wie schon bei Batman v Superman ist das – wie ich vermute – vor allem eine Folge des deutlich roheren, grobkörnigeren Looks.
Um historische Korrektheit bemüht sich Wonder Woman übrigens nicht. Dennoch wird der erste Weltkrieg hier nicht zur bloßen Kulisse degradiert, sondern zur Metapher für die schlechtesten Charaktereigenschaften der Menschen erhoben. Trotz menschlicher Gegenspieler sind die eigentlichen Antagonisten der Krieg und die Gewalt an sich, die es zu stoppen gilt. Paradoxerweise scheint das nur mit Gewalt zu gehen, was die große Frage nach der Legitimation selbiger aufwirft. Eine Frage, auf die Wonder Woman zunächst eine klare Antwort zu haben scheint, nur um diese kurz vor Ende mit aller reflexiven Macht zu entkräften. Der Abschluss scheint perfekt, bis es zum…
…Finale…
…kommt, in dem Wonder Woman in die große Blockbusterfalle gerät: Die Bühne krampfhaft mit einem Knall verlassen zu müssen. Plötzlich verliert dieser zuvor so geerdete Film seine Form, ergeht sich in einem bombastischen Effekt-Gewitter, das nicht nur schlampig umgesetzt ist – visuell und dank übermäßig retardierender Momente auch erzählerisch – sondern auch die Metapher und deren (leider nur vorläufige) Konklusion entwertet. [Spoiler on] Wenn der Tod von Ares dazu führt, dass sich auf einmal alle in den Armen liegen und der Krieg sofort beendet ist, wie bitte komt es dann zu einem zweiten Weltkrieg? [Spoiler off]
„Wie ein desaströses Finale einen eigentlich guten Film fast ruiniert“, schrieb ich nach meinem Kinobesuch auf Facebook. Derart drastisch ist mein Eindruck nach einiger Bedenkzeit zwar nicht mehr. Dennoch: Diese zehn Minuten, in denen Wonder Woman vollkommen seine Fassung verliert, in denen es so scheint, als hätte man den Praktikanten auf den Regiestuhl geschleppt, sind ein überaus unwürdiges Finale.
Fazit
Jeder der drei atmosphärisch wie stilistisch verschiedenen Akte von Wonder Woman ist eine kleine, gute Geschichte für sich. Das Ergebnis ist deshalb mehr als nur die Summe seiner Teile: Action, Story, Zeichnung des Hauptfiguren – all das funktioniert. Vor allem funktioniert es wesentlich besser, als in allen bisherigen DC- und auch den meisten Marvel-Filmen. Fünf Sterne wären für Wonder Woman rausgesprungen – würde er sich nur mit 120 Minuten zufrieden geben. Mit einem solch grauenvollen Ende allerdings ist das unmöglich.
Bilder & Trailer: (c) Warner Bros.
„Wonder Woman“ ist doch nur ein weiterer Hype-Film. Nichts an diesem Film ist neu oder hat das Potenzial das Superhelden-Genre umzukrempeln.
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Bis auf die Tatsache, dass eine Frau die Hauptrolle übernimmt, stimmt das auch. Daher wohl auch der Hype…
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Sehe das ganz ähnlich wie du. Auch meiner Meinung nach ist es der mit Abstand beste Film der Reihen und macht über 90% seiner Laufzeit alles richtig doch dann kommt das Finale und das teils wirklich lächerliche CGI sowie mehrere äußerst blasse Antagonisten stören zusehends den anfänglich aufgebauten Genuss.
Hier wär übrigens meine Rezension zu dem Film falls du mal reinschauen willst ;-):
https://mediaffinblog.wordpress.com/2017/06/15/wonder-woman-filmrezension/
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