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Kritik: „Spider-Man: Homecoming“

Spider-Man: Homecoming (Jon Watts, USA 2017)

Marvel bekommt seinen Spinnenmann zurück. Das Ergebnis ist keine Offenbarung, aber ein rundum gelungener, bodenständiger Superheldenstreifen.

Den Untertitel des sechsten Spider-Man-Films subtil zu nennen, wäre eine heillose Untertreibung. Denn das „Homecoming“ bezieht sich – recht offensichtlich – nur in zweiter Linie auf das große Abschlussfest, das in diesem Jahr an Peter Parkers (Tom Holland) Schule gefeiert wird. Zu Hause angekommen ist die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft nämlich dort, wo sie in den Augen ihrer Schöpfer schon lange hingehört: bei Marvel. Die konnten die Manager von Sony, bei denen noch immer die Filmrechte für Spider-Man liegen, nach fünf Filmen (von denen die Mehrheit enttäuschte) endlich zu einer Kooperation überzeugen (oder umgekehrt). Es mag daran liegen, dass meine Erwartung praktisch unterirdisch waren, doch Spider-Man: Homecoming entpuppt sich als bester Superheldenfilm des laufenden Jahres.

Junge sucht Anerkennung
Erste Voraussetzung dafür: das Setting. Das wählt einen deutlich bodenständigeren Ansatz als die üblichen Genre-Vertreter und wirft den Helden Peter Parker nach seinem spektakulären (wenn auch etwas überflüssigem) Einsatz am Flughafen Leipzig/Halle in Captain America 3 zurück in den bunten Alltag seines Highschool-Lebens. Dort ist Peter als liebenswerter Nerd verschrien, vernachlässigt jedoch Freunde und Freizeit, um nachmittags in der Nachbarschaft Kleinkriminelle zu stellen und Hilfsbedürftige zu unterstützen. Der YouTube-Ruhm ist ihm gewiss, doch eigentlich wartet er nur darauf, dass Tony Stark (Robert Downey Jr.) a.k.a. Iron Man eines Tages anruft, um ihn für den nächsten großen Einsatz zu rekrutieren.

Michael Keaton zum zweiten Mal als Birdman
Man kann gar nicht genug betonen, wie sehr es dem Film überdies zugute kommt, dass die Macher auf eine typische Origin-Story verzichten. Wie Peter zu seinen Kräften kam, warum er bei seiner Tante lebt, wie sein bisheriges Leben aussah – diese Fragen werden entweder in einem beiläufigem Satz oder erst gar nicht beantwortet, weil die Antwort bereits bekannt ist. Stattdessen wird eine andere Origin-Geschichte erzählt, nämlich die des späteren Antagonisten gespielt von Michael Keaton. Der fühlt sich von der Regierung und Tony Stark zu Recht betrogen und bastelt mithilfe von Alientechnologie, die nach den Ereignissen in Avengers 1 verschütt gegangen ist, hochgefährliche Waffen zusammen, die er an Kriminelle verkauft.

Das Schöne daran: Birdman Vulture, wie sich Keatons Alter-Ego nennt, ist kein weiterer Antagonist, der die Welt vernichten oder ins Chaos stürzen, sondern einfach nur seine Familie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten versorgen will und dafür illegale Wege geht. Immer wieder zeigt er sich ganz menschlich, gelegentlich sogar ziemlich sympathisch. Ein weiterer Faktor dafür, dass die Geschichte so geerdet wirkt.

Ganz menschlich zeigt sich natürlich auch der Protagonist, der – das muss ich ebenfalls explizit hervorheben – von Tom Holland ganz wunderbar verkörpert wird. Sein Alter nimmt man ihm sowohl physisch als auch psychisch ab: Ein pubertierender, mal wilder, mal verschlossener Jungspund, der erst noch seine Kräfte entdecken und seine Identität finden muss, wobei sein Anzug zugleich Hindernis wie Hilfe ist.

Die Spinne darf spinnen
Den bekommt er – das war bereits in Civil War zu sehen – von Tony Stark, der in Homecoming zu Peters Ersatz-Vater wird. Die gute Nachricht: Robert Downeys filmische Präsenz ist nicht halb so groß, wie das die Poster noch vermuten ließen. Es sind vielmehr kurze, pointierte Einsätze, die die Handlung immer wieder voranbringen und niemals reiner Selbstzweck sind.

Stattdessen werden Peters Alltag und Abenteuern ordentlich Platz eingeräumt – niemals jedoch so viel, dass man genervt oder gelangweilt wird. Homecoming gelingt es dabei, ein zwar noch immer filmisches, aber dennoch authentisches und tatsächlich „cooles“ Bild des modernen Teenager-Alltags in New York zu zeichnen. Die explizite Referenz auf Ferris macht blau ist berechtigt: Homecoming nimmt seine Figuren und ihre Probleme ernst, schlägt trotzdem aber einen lockeren und höchst unterhaltsam erzählerischen Ton an. Weshalb auch der Humor nicht mehr erzwungen wirkt: Freche Sprüche und andere Gags passen eben besser in ein Teenager-Setting als in eine Geschichte, in der die Welt kurz vor ihrer Vernichtung steht. Einziger größerer Kritikpunkt: Tante May (Marisa Tomei), diese eigentlich so wichtige Bezugsperson, wird nach ihrer Verjüngungskur zum Flirt-Objekt stilisiert und bleibt eine sehr flache Figur – schade.

Fazit
Man sollte von Homecoming dennoch nicht zu viel erwarten: Der Film ist keinesfalls ein innovativer Kick-Start für ein Genre, das schon länger von Gleichförmigkeit und Massenmarkt-Kompatibilität geplagt wird. Als reines Entertainmentprodukt betrachtet macht er seinen Job aber nahezu perfekt: keine Längen, durchweg unterhaltsam, technisch überzeugend, trotz 130 Minuten knackig erzählt. Was ihn dezent, aber merklich von anderen Superheldenfilmen abhebt, ist sein bodenständiges Setting. Und das macht ihn in meinen Augen zum besten Superheldenfilm seit Captain America 2.

Bilder & Trailer: Sony Pictures Entertainment/Marvel

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