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Kritik: „Hell or High Water“

Hell or High Water (David Mackenzie, USA 2016)

Stark gespielter und geschriebener Neo-Western mit Jeff Bridges und Chris Pine. Eine unbedingte Empfehlung für Fans tiefer Geschichten.

Come hell or high water – Komme, was wolle. Keine Phrase könnte die Essenz dieses Films besser einfangen. Denn das, was die Zukunft da noch bringt, das ist den Figuren von Hell of High Water entweder reichlich egal – oder ein solcher Graus, dass sie es ausblenden und verdrängen wollen. So passt es auch, dass das vierfach oscar-nominierte Werk eine moderne Remineszenz und an den guten, alten Western ist – und zugleich seine Dekonstruktion.

Tot oder lebeding
Es ist eine klassische „Cops and Robbers“-Geschichte, auf die sich Hell or High Water stützt: Zwei Hillbilly-Brüder überfallen zwei Banken, zwei Ranger sind den beiden auf der Spur und verfolgen sie durch halb Texas. Angesiedelt ist das nicht im 19., sondern im 21. Jahrhundert. Dass der Film dennoch charakteristische Erzählkonventionen des großen amerikanischen Genres aufgreift, ist bereits an der Kleidung, die die Hauptakteure tragen, erkennbar: Während die beiden Kriminellen (Ben Foster und Chris Pine) auf dunkle Hemden setzen, kleiden sich die Gesetzeshüter (Jeff Bridges und Gil Birmingham) in weiß.

Dieser Schwarz-Weiß-Kontrast soll jedoch der einzige in der sonst so ambivalenten Erzählung von Hell or High Water bleiben. Weder gibt es den strahlenden Helden, noch einen abgrundtief bösen Gegenspieler. Nicht mal einen klaren Sympathieträger. Wäre es nur so einfach! Doch Postmoderne und simple Gut-Böse-Strukturen vertragen sich nun mal nicht. Eine klare moralische Verortung ist deshalb unmöglich, schließlich handeln beide Duos nach mehr oder minder legitimen Grundsätzen: Die Brüder wollen zwar Banken ausrauben, nicht aber deren Kunden und versuchen so, die Ungerechtigkeiten, die ihnen seitens der Bank angetan wurden, auszugleichen. Die Gesetzeshüter wiederum tun nur ihren Job, die Ausführung dessen fühlt sich jedoch gelegentlich wie Urlaub an.

Gerechtigkeit – das zentrale Thema von Hell or High Water – ist in diesem Film, dieser Welt und in dieser Zeit beileibe nichts absolutes mehr. Beide Duos verfolgen stattdessen ihre ganz eigene Gerechtigkeit. Weshalb auch Selbstjustiz ein Aspekt ist, der immer wieder durchklingt und der von den Gesetzeshütern bereitwillig akzeptiert oder zumindest verharmlost wird.

Good ol‘ Times
Das Resultat ist die Dekonstruktion der klassischen Western-Romantik: Cowboys sind haben Mühe damit, ihre Herde vor einem Brand zu retten, Kellnerinnen und Bardamen sind nicht mehr erotisch anziehend, sondern wahlweise harmlos oder abstoßend. War die Bewährung im und Eroberung des „Frontiers“ noch das große Narrativ des Westerns, ist davon in einer Zeit, in der schon alles erobert ist, nichts mehr zu spüren. Nun geht es nur noch ums Bestehen in einer rauen Gesellschaft, deren beste Tage lange zurückliegen. Eingefangen wird das in weiten Landschaftsaufnahmen, akustisch unterstrichen durch einen melancholischen, höchst wirksamen Soundtrack. Tristesse und Bedrückung sind omnipräsent. Die die goldenen Zeiten schimmern in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne.

Was aber nicht bedeutet, dass Hell or High Water ein depressiver Film wäre. In den Dialogen herrscht vielmehr ein lockerer bis humorvoller Ton. Ein sehr nihilistischer zwar auch, aber deshalb nur ein umso menschlicher. Allem voran der Trashtalk zwischen Bridges und seinem indianisch-mexikanischem Partner. Dass sich deren freundschaftliche Beleidigungen auf rassistische Klischees beschränken, ist ebenfalls so ein Relikt der „guten alten Zeit“, in der Indianer und Mexikaner die dienlichsten Feindbilder abgaben. Noch besser trifft es da aber einer der Bankkunden, der bei einem der Überfälle anwesend ist: „Das ist verrückt, ihr seid doch gar keine Mexikaner!“

Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass das von allen Akteuren höchst glaubwürdig gespielt und im O-Ton deshalb um einiges besser ist. Aber auch auf Deutsch ist Hell or High Water ein starkes Stück Kino. Im Kern ein Neo-Western wie Old Contry for Old Man (und mit diesem noch am ehesten vergleichbar), zugleich jedoch auch Drama/Tragödie und Milieustudie. Und das bei einer angenehm knackigen Laufzeit von 102 Minuten.

Fazit
Hell or High Water 
macht eigentlich alles richtig: Er bietet tiefe, interessante Charaktere, tolles Schauspiel, gut dosierte Spannungs- und Höhepunkte und sorgt mit Bildern wie Musik für eine höchst einnehmende Atmosphäre. Zwar macht das den Film noch nicht zum Klassiker, aber zu einem dieser Filme, die man nach einiger Zeit wiederentdeckt und sich sehr gern ein weiteres Mal anschaut.

Bilder & Trailer: (c) Universal Pictures

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