Kritik: „Kingsman: The Golden Circle“

Kingsman: The Golden Circle (Matthew Vaughn, UK/USA 2017)
Fortsetzung der rundum gelungenen Agentenkomödie von 2014 – qualitativ leider ein deutlicher Rückschritt.
Was konnte mich der erste Kingsman seinerzeit begeistern: Eine hochklassige Darstellerriege, eine ebenso spannende wie witzige Agentengeschichte und tolle Actionsequenzen – summa summarum eine gelungene, moderne Hommage an die guten alten James Bond Filme, die auch offen damit kokettierte. Da stimmte fast alles. Unvermeidlich also, dass ein zweiter Teil folgen würde. Der wird seinem Vorgänger allerdings nicht gerecht.
Der große Figuren-Frühjahrsputz
Dabei beginnt The Golden Circle gar nicht mal schlecht. Eggsy (Taron Egerton), der in Teil eins noch bei der britischen Geheimdienstorganisation Kingsman ausgebildet wurde, ist nun vollwertiger Agent und bekommt es sogleich mit seinem ehemaligen Mitschüler Charlie (Edward Holcroft) zu tun. Der verwickelt ihn in eine spektakuläre Verfolgungsjagd, die damit endet, dass der Abtrünnige die Daten der anderen Kingsman-Agenten entwendet. Dann folgt der große Frühjahrsputz: Diverse Raketeneinschläge löschen sämtliche Kingsmen aus, einzig Eggsy und sein Ausbilder Merlin (Mark Strong) überleben den Anschlag, für den die wahnsinnige Drogenkönigin Poppy Adams (Juliane Moore) verantwortlich zeichnet. Die heckt einen heimtückischen Plan aus – warum sie dafür allerdings die Kingsmen auslöschen muss, das wird nicht so ganz ersichtlich.
Die einzig nachvollziehbare Erklärung für diese Sequenz: Die Autoren brauchen Platz für neue Figuren und einen guten Grund, um die zwei verbliebenen Agenten nach Amerika zu schicken, wo sie den Statesman begegnen, dem US-Equivalent der Kingsman. Dort geht die Star-Parade dann so richtig los: Channing Tatum, Pedro Pascal, Halle Berry, Jeff Bridges. Was für Namen! Und was für eine Verschwendung. Tatum und Bridges nämlich bekommen nur gut zehn Minuten Screentime und tragen nahezu nichts zum Plot bei.
Schneller, härter, größer
Aber gut, das ist verschmerzbar. Weniger hingegen, dass sich die erste Hälfte des Films zu lange mit der Exposition aufhält. Erklärung folgt auf Erklärung folgt auf Erklärung – und das ist ermüdend. Erst in der finalen Stunde kommen Handlung und Spannung in Fahrt. Dann entwickelt The Golden Circle jene Dynamik, die den Erstling so toll machte. Nicht falsch verstehen: Auch vorher gibt es natürlich bereits viel Witz und ein bisschen Action zu sehen. Trotzdem macht sich der schleppende Einstieg deutlich bemerkbar.
Ansonsten baut The Golden Circle auf das bewährte Sequel-Prinzip „Schneller, härter, größer“. Was aber nicht automatisch „besser“ bedeuten muss, wie der Film eindrucksvoll beweist. Erneut ist der Antagonist (in diesem Fall: die Antagonistin) eine schrullige Karikatur, erneut hat ihr Plan einen kruden, auf seine Weise aber nachvollziehbaren Hintergrund. Erneut durchbricht immer wieder lausbübischer Humor die trockene Gentleman-Attitüde, erneut wird ein ums andere Mal hinsichtlich Sex und Gewalt über die Stränge zu schlagen.
Style-Overkill
Das Problem: Dem Zuschauer wird das derart in die Fresse geknallt, dass Kingsman 2 mehrmals die Grenze zur Fremdscham und/oder des Erträglichen überschreitet. Da landen Menschen im Fleischwolf und werden anschließend zu Hamburgern verarbeitet, da folgt man in einer intimen Szene dem Finger des Mannes über den Bauch der Frau hinweg bis ganz nach „unten“ – und noch weiter. Auf Papier klingt dieses ganze hanebüchene Zeug sicherlich super. The Golden Circle presst es jedoch zwischen all seine feschen Match-Cuts sowie zahllose unkonventionelle Kamerafahrten und wirkt deshalb über weite Strecken nicht mehr locker, sondern einfach nur noch krampfhaft cool.
Action kann er
Die besten Szenen von Kingsman 2 sind fraglos seine Actionsequenzen. Denen gelingt der schwere Spagat zwischen Dynamik und Übersichtlichkeit perfekt, zudem warten sie mit vielen unverbrauchten Ideen auf. Stilistisch überragend, allerdings auch ein wenig monoton, denn Regisseur Matthew Vaughn setzt abermals auf die Ästhetik der grandiosen Kirchen-Szene des Erstlings – jedoch ohne deren Überraschungseffekt und letztlich auch ohne deren Klasse.
Thematisch ist The Golden Circle hingegen durchweg gelungen. So schafft er es, in all dem Klamauk und Spektakel das Thema Drogenkonsum vergleichsweise ambivalent zu beleuchten. Vor allem aber die zweite große Thema – Familie – überzeugt: Eggsys Konflikt mit seinem Mentor und Ersatzvater (Colin Firth) lässt den Zuschauer stets zwischen beiden Sympathieträgern schwanken und ist ein maßgeblicher Faktor dafür, dass die zweite Hälfte so viel besser ist als die erste.
Fazit
Kingsman: The Golden Circle ist kein Vollflop, angesichts seines großartigen Vorgängers jedoch eine Enttäuschung. Wer die einschläfernde erste Hälfte übersteht und hanebüchene Storyelemente sowie einige misslungene weil überstilisierte Szenen verschmerzen kann, wird immerhin mit mitreißender Action und einem rundem Finale belohnt. Erste Verwarnung, Matthew Vaughn. Für Teil drei solltest du dich besser wieder fangen.