Kritik: „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“

Three Billboards outside Ebbing, Missouri (Martin McDonagh, USA/UK 2017)
Schwarze Tragikkomödie über eine verzweifelte Frau, die sich mit ihrer Stadt anlegt.
„Don’t believe the Hype“, ließen Public Enemy bereits 1988 verlauten. Ein Satz, der bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Three Billboards outside Ebbing, Missouri ist genau das: ein Hype-Film. Zwar nicht seitens der Massen, dafür seitens der Kritiker. Ausgezeichnet in Venedig, Toronto und San Sebastian. In höchsten Tönen von sämtlichen namhaften Feuilletonisten und in allen Kulturmagazinen gelobt. Und einer der Eröffnungsfilme des Hamburger Filmfests. Im Vergleich zu den zehn Minuten stehender Ovationen in Venedig war das, was vom Hamburger Publikum kam, aber höchstens Anstandsapplaus.
Hillbilly Battle
Der auffälligste Grund dafür: Einer grandiosen ersten Hälfte folgt eine ernüchternde bis enttäuschende zweite. Doch von vorn: Mildread Hayes (Frances McDormand) lebt in einer kleinen Ortschaft im mittleren Westen voll von naiv-rassistischem White Trash. Und ist selbst ein Teil davon. Vor einem halben Jahr hat sie ihre Tochter verloren. Der Täter: weiterhin auf freiem Fuß. Das Verbrechen: aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Weshalb Mildread drei Werbetafeln entlang einer entlegenen Straße mietet, auf die sie folgenschwere Worte kleistert: „Raped While Dying“, „And Still No Arrests?“ und „How come, Chief Willoughby?“.
Damit greift sie den der Sheriff von Ebbing – großartig verkörpert durch Woody Harrelson – direkt an. Bei dem verstaubt der Fall aus Beweismangel in der Schublade. Die Schilder kommen beim glücklichen Familienvater natürlich weniger gut an – ebenso wie bei einem Großteil der Anwohnern Ebbings. Zwischen beiden Figuren entspinnt sich eine zunächst antagonistische Beziehung, die allmählich ins Harmonische driftet. Auf ehrlichste Weise wird dabei das große Dilemma (und zugleich die größte Errungenschaft) der modernen Rechtssprechung verhandelt: Auch bei der Aufklärung von Verbrechen gibt es Regeln und Grenzen.
Lachen, das im Halse stecken bleiben
Spätestens wenn Mildread fordert, das Erbgut aller Neugeborenen zu katalogisieren und jeden zu erschießen, der sich eines Verbrechens schuldig machen, müssen die Sympathien in Richtung Sheriff kippen. Während sich der Konflikt immer weiter zuspitzt, wird die Handlung immer ambivalenter. Mildreads White-Trash-Attitüde verliert aber auch nach diesen harschen Worten nichts von ihrer Anziehungskraft. Mit aller Vehemenz schimpft und streitet sich die Dame durch ihr Testosteron-dominiertes Umfeld. Polizei, Ex-Mann, Zahnarzt, Teenager: Alle bekommen Mildreads Frust und Zorn zu spüren – meist verbal, gelegentlich auch physisch. Ihre Aggressivität wirkt aber niemals überzeichnet. Mildread ist einfach eine Frau, die sich schlicht nicht klein machen lässt.
Dabei gibt es enorm viel zu lachen, allerdings wendet der Film diesen Humor schon bald gegen sein Publikum. Spätestens ab der Hälfte bleibt einem vielfach das Lachen im Halse stecken. Was man Three Billboards nicht ankreiden kann: Dass er die Balance zwischen schwarzer Komödie und posttraumatischem Drama nicht halten könne. Was man ihm aber ankreiden muss: Dass er nach der spektakulären Halbzeit abflacht und schließlich zerfastert.
Denn das große ethische Dilemma, das bis dahin dominierte, wird urplötzlich fallen gelassen und ins Gegenteil verkehrt. Es treten neue und alte Figuren auf, die scheinbar relevant sind, dann aber kaum eine Rolle für Handlung oder Protagonistin spielen. Handlungsstränge werden entweder aufgegeben oder finden kein zufriedenstellendes Ende.
„That’s Life“, kann man nun argumentieren. Und ja, dass nicht alles ein glückliches Ende findet, mag tatsächlich lebensnäher sein als die güldene Happy-End-Suppe einer typischen Hollywod-Produktion. Ein befriedigendes Filmerlebnis ergibt das in dieser Form aber nicht. Dabei hätte es Three Billboards gar nicht nötig, nach dem Klimax so stark mit gängigen narrativen Konventionen und letztlich auch mit sich selbst zu brechen. Die erste Stunde strahlt derart viel Frische und Authentizität aus, dass es besser gewesen wäre, diese Formel beizubehalten. Stattdessen wirkt das Drehbuch unrund, ganz so als wäre es zu gleichen Teilen von zwei Autoren verfasst worden. Bei Brügge sehen… und sterben und 7 Psychos ist das McDonagh wesentlich besser gelungen.
Was Three Billboards dennoch sehenswert macht, das sind seine Darsteller. Frances McDormand dürfte ihre fünfte Oscar-Nominierung sicher haben: Wir erleben, wie sie streitet, leidet, verzweifelt oder einfach nur lakonisch vor sich hinnuschelt. Woody Harrelson und Sam Rockwell hätten eine Erwähnung bei den Academy Awards aber ebenso verdient. Und sogar Peter Dinklage darf Präsenz zeigen. Seine Rolle bleibt jedoch überraschend irrelevant. Dafür überzeugt die Szenerie: Wäre Ebbing, Missouri nicht so ein Hinterweltler-Kaff, man könnte fast überlegen, dort seinen Lebensabend zu verbringen.
Fazit
Der Einstieg von Three Billboards outside Ebbing, Missouri ist grandios: Martin McDonagh liefert interessante Figuren, die allmählichen ihren Klischees entwachsen, und meistert den Spagat zwischen schwarzer Komödie und Drama perfekt. Die zweite Hälfte kann diese Exposition jedoch nicht gescheit weiterführen. Der Film bekommt keinen befriedigenden, ja nicht mal einen runden Abschluss.
Wir lieben den Film: https://kinogucker.wordpress.com/2017/12/22/three-billboards-outside-ebbing-missouri/
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Habe schon mitbekommen, dass anscheinend jeder diesen Film liebt, außer ich ^^
Ich werd ihm nochmal ne zweite Chance geben
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In der Tat, konnte deine Ansichten nicht ganz teilen. Ich hab zum Beispiel keinen erzählerischen Bruch gesehen.
Halte den Film aber zumindest für nicht Filmliebhaber oder Menschen, die schwarzen Humor mögen, für schwierig. Ich fand der Film hat diese subtile Botschaft, dass der Mensch nicht vollkommen ist. Ebenso bildete er vielschichtige Charaktere. Eigentlich hätten sowohl Rockwell, McDormand und Harrelson den Oscar verdient…
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Die schauspielerischen Leistungen will ich auch gar nicht in Abrede stellen. Bin aber nach wie vor der (ganz, ganz persönlichen) Meinung, dass das Drehbuch in der zweiten Hälfte einige deutliche Schwächen hat. Dieser Bruch mit den Zuschauererwartungen, der ja von allen Seiten gelobt wird, wirkte für mich ein wenig zu gewollt… Ich weiß auch nicht, je länger meine Review zurückliegt, desto unsicherer bin ich mir bei meiner Wertung ^^
Wie gesagt, ich werde ihm zeitnah eine zweite Chance geben.
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