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Kritik: „American Vandal“

American Vandal (Dan Perrault/Tony Yacenda, USA 2017)

Crime-Drama-Mockumentary, dessen Kontrast aus bierernstem Stil und schierer Lächerlichkeit für zahlreiche Lacher sorgt.

Ein Verbrechen ist geschehen. Der Tatort: Der Parkplatz der Hanover High School. Das Delikt: Vandalismus – 20 Autos, die mit riesigen Graffiti in Genitalform besprüht wurden. Der Sachschaden: Mehrere zehntausend Dollar. Der Verdächtige ist schnell ausgemacht: Ein bekannter Unruhestifter wird an den Pranger gestellt und wenig später der Schule verwiesen. Doch irgendetwas ist faul… die Sackhaare fehlen!

So beginnt die erste Folge von American Vandal, einer kleinen, aber sehr feinen Netflix-Produktion, die ich beinahe übersehen hätte, wäre da nicht die Empfehlung eines guten Freundes gewesen. Im Zuge der aktuellen Crime-Doku-Welle rund um Making a Murderer und zahllose Low-Budget-Produktionen im Free-TV bildet American Vandal eine erstklassige Parodie, die sich – ebenso wie ihre Vorbilder – zu jeder Minute absolut ernst nimmt und dadurch für mehr Lacher sorgt, als man anfangs vermuten möchte.

Dylan Maxwell (Jimmy Tatro), heißt der Beschuldigte. Ein typischer Rowdie, ziemlich minderbemittelt und anfangs noch überaus unsympathisch, was sich aber bald ändert, sobald Peter Maldonado (Tyler Alvarez) und Sam Ecklund (Griffin Gluck) ihre journalistische Investigation beginnen. Der Humor ist dabei – vergleichbar mit den Werken der Coen Brüder – ein Produkt des Kontrast zwischen der bierernsten Seriösität der Ermittlungen und der schieren Lächerlichkeit der Gesamtsituation. Die erwähnten Schamhaare sind da nur der Anfang: Maxwell, bekannt dafür, regelmäßig Penisse an die Tafel seiner verhassten Spanisch-Lehererin zu zeichnen, verzichtete nie auf die Sackhaare. Die aber fehlen an den Penis-Graffiti auf den Autos. Ein erstes Indiz für eine groß angelegte Verschwörung.

Mit spannungsgeladener Musik, pathetischen Fragen à la „Wie kann das sein?“ im omnipräsenten Off-Kommentar, zahlreichen Talking Heads sowie gut gemachten Animationen und Grafiken erweckt American Vandal den Eindruck einer hochwertig produzierten, investigativen Dokumentation, die die Unschuld eines zu Unrecht Verurteilten beweisen, zuvorderst aber die Wahrheit aufdecken will. Nach und nach kommen immer mehr Hinweise ans Licht, die berechtigte Zweifel an Maxwells Schuld aufkommen lassen – dessen Dummheit und Lügen aber sorgen immer wieder dafür, dass die Ermittlungen immer wieder ins Schwanken geraten.

Über acht Folgen zu je 30 bis 40 Minuten Länge erstreckt sich dieses Pseudo-Drama und gibt damit eine sehr kurzweilige, unterhaltsame Mockumentary ab, die nur halb gut wäre, würden die jungen, unbekannten Darsteller nicht durch die Bank weg überzeugen. Vom Protagonisten bis zur kleinsten Nebenrolle, vom Schüler bis zum Lehrer kann jeder Beteiligte mit absoluter Authentizität glänzen – Originalton vorausgesetzt.

Dabei werden sämtliche Highschool-Klischees genüsslich zelebriert, was aber gar nicht negativ ins Gewicht fällt, sondern erstens der Unterhaltungsfaktor nach oben drückt, zweitens für die nötige Differenzierbarkeit der Figuren sorgt und drittens die Grundlage für die Dekonstruktion bekannter Stereotypen wie Rowdy, Nerd, Sportler oder Luder bildet. Gegen Ende wird American Vandal sogar richtig reflexiv, dann nämlich, wenn es um die durchaus problematischen Auswirkungen investigativer Recherchen für die Privatsphäre der Betroffenen geht, die die Grenze zum Voyeuristischen regelmäßig überschreiten. Wo hört der Informationswert auf und wo fängt die Bloßstellung an, lautet die Frage, die dann im Raum steht.

Und doch gibt es an einigen Stellen Mecker-Potential. So ärgere ich mich in Komödien persönlich immer darüber, wenn die Logik der Handlung zugunsten der Logik des Humors untergraben wird (vorausgesetzt, es handelt sich um ein realistisches Szenario – wie auch in diesem Fall). Über dieses Problem stolpert auch American Vandal gelegentlich. Mal unbewusst, beispielsweise in den Interviewpassagen, die in den ersten vier Folgen allesamt in der selben Situation aufgenommen wurden, auch wenn die Protagonisten dann mit Indizien konfrontiert werden, die erst in der Mitte der Handlung ans Tageslicht kommen. Mal bewusst, wenn eine minutenlange und minutiöse Nachverfolgung einer Farb-Spraydose auf einer Party mittels Handyaufnahmen durchgeführt wird – und das, obwohl ein Clip vorliegt, der den letzten Verbleib der Dose eindeutig dokumentiert, was die gesamte Sequenz im Prinzip überflüssig macht.

Fazit
American Vandal
 mag wahrlich kein Meisterwerk der seriellen Unterhaltung, erst recht nicht im sonst so starken Netflix-Katalog sein. Das muss die Serie aber auch gar nicht leisten, schließlich kann sie mit ihrem knochentrockenen Humor bestens unterhalten und ist zudem schön kurzweilig. Da kann man auch einige inhaltliche Lücken verschmerzen. Einfach mal reinschauen und wenn es Click macht: dranbleiben. Denn Spannungslosigkeit kann man American Vandal wahrlich nicht vorwerfen.

Bilder & Trailer: (c) Netflix

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