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Kritik: „Detroit“

Detroit (Kathryn Bigelow, USA 2017)

Rassismus-Drama, das die wahren Ereignisse hinter einem schrecklichen Vorfall während der Rassenunruhen in Detroit 1967 aufdecken will.

Viel Zeit ist vergangen, seit Kathryn Bigelows letztes filmisches Kind das Licht der Leinwand erblickt hat. Ganze fünf Jahre liegen zwischen Zero Dark Thirty und Detroit – ein Zeitraum, in dem einige andere Regisseure eine zweistellige Anzahl an Filmen hervorzubringen vermögen. Die Ex-Frau von James Cameron aber lässt sich lieber die nötige Zeit, um ihren politisch aufgeladenen und ambitionierten Werken eine saubere Vor-Recherche zu gönnen, was sich auch im Falle von Detroit ausgezahlt hat. Dennoch hat der Film unübersehbare Schwächen.

Es mag – mal wieder – am falschen Marketing liegen, doch Detroit ist nicht das, was der Trailer suggeriert: Keine actiongeladene Spurensuche nach der „Wahrheit“, und nur bedingt eine schonungslose Aufarbeitung der rassistischen Polizeigewalt, die sich während der Rassenunruhen von 1967 in der Industriestadt zeigte. Infolge der Räumung eines afroamerikanischen Nachtklubs verwandelte sich die Stadt in ein Schlachtfeld, auf dem geplündert, gebrandschatzt und zerstört wurde. Detroit widmet sich der Darstellung dieser Vorgeschichte in den ersten 15 Minuten, fokussiert sich im Anschluss jedoch darauf, die Figuren, die im zweiten Akt relevant werden, einzuführen: Ein weißes Polizisten-Trio, ein schwarzer Wachmann sowie ein schwarzer Musiker und dessen Freund, die in einem Hotel absteigen, in dem sich bald schreckliche Ereignisse abspielen werden.

Stein des Anstoßes dafür ist eine Schreckschusspistole, die vom Hotel aus in Richtung der Staatsgewalt abgefeuert wird, woraufhin die Einrichtung gestürmt wird und die Anwesenden – darunter besagter Musiker samt Freund, zwei weiße Mädchen und eine Handvoll weiterer afroamerikanischer Gäste – festgehalten und drangsaliert werden. Haupttäter: die drei Polizisten. Auch der Wachmann (John Boyega) ist anwesend, um sie zu unterstützen, ist jedoch hin und her geworfen zwischen dem Bemühen, deeskalierend zu wirken und dabei nicht selbst zur Zielscheibe der „Ordnungshüter“ zu werden.

In diesem zweiten Akt wird die Handlung von Detroit auf ein Kammerspiel im Inneren des Hotels zusammengestaucht: Ein gutes Dutzend Personen bestimmt fortan das Geschehen – und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Während die Polizisten ihre Machtposition ausspielen und sich dabei immer tiefer in einen Rausch der Gewalt – sowohl verbal und psychisch, als auch physisch – hineinsteigern, wächst die Verunsicherung auf Seiten der Opfer bis hin zum mentalen Zusammenbruch. Eine Spirale der Gewalt und Unterdrückung, die für ein intensives und bedrückendes Erlebnis auf und vor der Leinwand sorgt.

Der Rassismus, der hier offengelegt wird, stellt Bigelow aber keinesfalls plakativ zur Schau. Das Ganze geht weit über simple White-Supremacy-Vorstellungen hinaus, äußert sich stattdessen in unterschwelligen bis offensiven Unterdrückungs- und Machtdemonstrationen. Rassismus ist hier keine individuelle, personengebundene Eigenschaft, sondern ein systemisches Problem. Diesem – heute nicht weniger aktuellen – Thema begegnet Bigelow also mit der nötigen Ambivalenz und Angemessenheit. Ihren Antagonisten (Will Poulter) hasst man nicht, weil er ein tumber Rassist ist (wie sich an seinem durchaus respektvollen Umgang mit John Boyegas Figur erkennen lässt), sondern aufgrund seiner Taten, mit denen er die Spirale der Gewalt und Unterdrückung aufrecht erhält und befeuert.

Der Cast tut derweil sein Bestes, um für einen enormen Authentizitätsgrad zu sorgen – ebenso wie die gelegentlich eingestreuten News-Footage-Aufnahmen sowie der Handkamerastil, den Bigelow so sehr liebt und auch hier wieder einsetzt. Und obwohl diese Art der Kameraführung stellenweise in purer Hektik ausartet, so bleiben räumliche und inhaltliche Orientierung stets gewährleistet. Dennoch hat Detroit so seine Probleme, was weniger in der verfehlten Marketing-/Trailerkampagne begründet liegt, als vielmehr in seinem Erzähltempo und seiner -struktur.

Denn der sehr starke mittlere Akt wird von zwei gemächlichen bis unspektakulären umrahmt: Der Einstieg plätschert vor sich hin, das Finale wirkt gestreckt. Detroit mag lediglich zehn Minuten zu lang sein, was sich aber dennoch deutlich bemerkbar macht. Das größte Manko aber tritt ganz zum Schluss auf: Nach 135 mal drögen, mal spektakulären Minuten offenbart der Film, dass er nur auf einer Rekonstruktion von Zeugenaussagen basiert, die genauen Ereignisse jedoch niemals aufgedeckt wurden. Sprich: Der Film beraubt sich im Nachhinein seiner Glaubwürdigkeit – oder verpasst ihr zumindest einen herben Dämpfer. Wäre dieser Hinweis am Anfang erschienen, wäre das nur halb so ernüchternd gewesen.


Fazit
Detroit ist in zweierlei Hinsicht ein wichtiges Zeitdokument: Er ist die filmische Inszenierung eines schrecklichen, 50 Jahre zurückliegenden Ereignisses und wirft zugleich ein Licht auf zwei Themen, die heute nicht weniger relevant sind: Rassismus und Polizeigewalt. Der Mittelteil sitzt und kann genau die Wirkung entfalten, die sich Bigelow wohl erwünscht hat. Jedoch trüben Anfang und Ende dieses etwas zu langen Werkes den Gesamteindruck.

Bilder & Trailer: (c) Annapurna Pictures

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