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Filme gesehen #170

Diese Woche mit Churchill, Ip Man 3 und Eyes Wide Shut.

Churchill (Jonathan Teplitzky, UK 2017)
Winston Churchill scheint in der Filmindustrie gerade Hochkonjunktur zu haben. In Kürze präsentiert Gary Oldman seine Interpretation des britischen Langzeit-Premier, im vergangenen Jahr legte bereits Brian Cox vor. Der macht seinen Job auch ziemlich gut, stellt Churchill als alten, in der Vergangenheit gefangenen Mann dar, der von der anstehenden Landung in der Normandie wenig begeistert ist und die Pläne verhindern oder zumindest abändern möchte, um die Verluste zu verringern. Tatsächlich traut sich dieser Film, den Mythos um den großen Staatsmann ein wenig zu dekonstruieren: Hier steht ein traumatisierter, exzentrischer und aggressiver Mann im Mittelpunkt, dessen Stolz mehr als alles andere wiegt, der sich lieber ruhmreich opfern würde, anstatt die rational beste Entscheidung zu treffen und seinen Job zu machen. Das Problem ist nur, dass das große Dilemma des Films – Churchill Angst um die Soldaten vs. seine Machtlosigkeit in militärischen Angelegenheiten – in der zweiten Hälfte immer und immer wieder iteriert wird, bis es einem irgendwann zum Halse raushängt. So baut Churchill nach einer Stunde Laufzeit extrem stark ab und versandet in der Wiederholung der immer gleichen moralischen Bedenken, ohne etwas neues, interessantes zu liefern.
imdb / Trailer

Ip Man 3 (Yip Man 3, Wilson Yip, CHN 2015)
Irgendwann ist auch eine so interessante Figur wie der Wing Tsun Meister Ip Man auserzählt. Das muss man beim dritten Teil der Reihe, in dem Ip Mans innerfamiliäre Probleme im Mittelpunkt stehen, schmerzhaft feststellen. Die Frau wird krank, das Kind macht Probleme in der Schule, ein ausländischer Geschäftsmann sorgt für Ärger und bedroht am Ende gar die Familie. Jener Geschäftsmann wird durch niemand geringeren als Mike Fucking Tyson verkörpert, was direkt zur ersten großen Enttäuschung des Films führt: Ein Dutzend Sätze und eine dreiminütige Kampfszene – mehr gönnen die Drehbuchautoren dem beißfreudigen Ex-Boxer nicht und lassen ihn am Ende gar nicht mehr auftauchen. Ebenfalls enttäuschend: Bruce Lee, Ip Mans bekanntester Schüler, hat nur zwei kurze Auftritte und spielt ansonsten keine Rolle. Die Kampfchoreografien sind nach wie vor unantastbar gut – Donnie Yen ist noch immer the man. Da wird getreten und geprügelt, dass es schon beim Hinsehen weh tut, zudem auch noch mit hohem Tempo und diesmal auch wieder eine Spur glaubhafter als noch in Teil zwei. In dieser Hinsicht also wieder Top, in inhaltlicher hingegen Flop.
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Eyes Wide Shut (Stanley Kubrick, UK/USA 1999)
So, nun hab ich endlich auch Stanley Kubricks letzten Erguss für die großen Leinwände dieser Welt hinter mir. Ein Streifen, der Kubrick pur ist – und zugleich ganz anders als das, was ich bisher von ihm kenne. Dazu auch noch ein Thema, das für die breite Masse nur bedingt geeignet ist (sieht man vom verkappten Softporno Fifty Shades of Grey mal ab): Sex in allen Formen und Farben. Es kriselt nämlich in der Ehe von Tom Cruise und Nicole Kidman (damals auch noch im realen Leben verheiratet), beide müssen sich den Reizen und Verführungsversuchen anderer Sexualpartner stellen, bis Cruise eine Art Sex-Illuminaten-Party sprengt, woraufhin die Probleme erst richtig losgehen. Wirklich explizit wird der Film jedoch nur selten, seine großen Stärken sind stattdessen die Hauptakteure und ihr Spiel sowie die wie immer großartige Cinematografie: Jede Einstellung, jeder Zoom, jeder Schwenk folgt einer größeren Absicht, saugt den Zuschauer ein; die Farben sind warm, lebendig und verführerisch – äquivalent zu den Damen, die Kubrick hier vor der Kamera entblößt. Dennoch hat Eyes Wide Shut mit einer gewissen erzählerischen Zähigkeit sowie einem dritten Akt zu kämpfen, dessen Spannungskurve nach dem spektakulären Mittelteil ziemlich abflacht. Was Kubrick hier allerdings so perfekt einfängt, das ist die Übersexualisierung unserer modernen Gesellschaft, in der an jeder Ecke Verführungen lauern. Da kann selbst die stärkste Ehe mal kriseln.
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8 Kommentare zu „Filme gesehen #170 Hinterlasse einen Kommentar

  1. „Eyes Wide Shut“ habe ich als echte Überraschung für mich in Erinnerung. Es stimmt schon, was du sagst, dass der Film so anders ist als Kubricks übliche Werke und dennoch auch wieder sehr typisch Kubrick. Den muss ich echt noch mal gucken.

    Kannst du die „Ip Man“-Reihe im Allgemeinen empfehlen? Ich streunere da immer so ein bisschen drum herum und weiß nicht, ob ich mir die wirklich mal anschauen soll.

    Gefällt 1 Person

    • Die ersten beiden Ip Mans kann ich wärmstens empfehlen, insofern ein generelles Interesse an Martial Arts Filmen besteht. Die Kämpfe sind grandios und zumindest der erste Teil hat auch eine vergleichsweise starke Handlung

      Gefällt 1 Person

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