Kritik: „Mountain“

Mountain (Jennifer Peedom, AUS 2017)
Ästhetisch beeindruckender Natur-Dokumentarfilm mit Narration von Willem Dafoe und Musik vom Australian Chamber Orchestra.
Wer mal während des spätabendlichen TV-Zappings auf einem der zahlreichen Sparten- und Dauernachrichtenkanäle hängen geblieben ist, der weiß: Naturdokumentation gibt es in Hülle und Fülle. Was sie vereint: Zusammengekauftes, durchschnittliches und leidlich zusammen geschnittenes Bildmaterial, das mit einem drögen Off-Kommentar überspielt wird, dazu noch ein paar Halb-Experten im Interview, die jede kleine Info als bahnbrechende Erkenntnis verkaufen – fertig ist der kostengünstige Programm-Lückenfüller. Wer von solchen Naturdokus gelangweilt ist, für den steht nun ein Werk bereit, das all das anders und auch noch richtig, richtig gut macht: Mountain.
Der Name verrät es schon: Es geht um Berge. Von Südamerika über die Alpen bis in den Himalaya lässt der Film seinen Blick schweifen. Anfangs ruhig, statisch, später deutlich dynamischer, einnehmender, beeindruckender. Mountain zeigt eindrucksvoll, wie neue Technologien das Medium bereichern können: Da gibt es etliche Drohnenaufnahmen, die einem in regelmäßigen Abständen die Kinnlade herunter klappen lassen, wenn sie skurrile Felsformationen oder den Kamm eines Fünftausenders entlang gleiten. Besonders beeindruckend: Das alles hat einen überaus filmischen Look mit glasklaren Bildern – im Gegensatz zu den Aufnahmen, die man in oben erwähnten Programmfüllern findet. Außerdem im Repertoire: imposante Zeitraffer, zum Teil über Wochen hinweg aufgenommen.
So richtig trumpft Mountain aber auditiv auf. Für die musikalische Untermalung hat man das Australian Chamber Orchestra verpflichtet, die von leisen Tönen bis zu pompösem Bombast die ganze Bandbreite klassischer Musik auffahren (und sich sogar ein paar stilsichere Ausbrüche in die Moderne leisten). Wenn das erste Mal die Totale eines Berges mit der Wucht eines Beethoven-Stücks verschmolzen wird, dann ist das pure Magie und geht weit über das Niveau der meisten Blockbustern hinaus. Die stillen Momente hingegen füllt Willem Dafoe, der in unregelmäßigen Abständen poetische Zeilen ins Mirkofon brummt und von der Faszination der Gipfel und des Bergsteigens berichtet.
Denn obwohl die Natur – die schroffen Felswände, die schneebeckten Abhänge und die kargen Gebirgslandschaften – der ästhetische Star von Mountain sind, steht tatsächlich die Beziehung zwischen Berg und Mensch im Mittelpunkt der Dokumentation. Von den Anfängen des Bergsteigens bis zu den Massenaufläufen in den alpinen Skigebieten wird zugleich die Geschichte der touristischen Ausbeutung der Gebirge nachgezeichnet, die in den wahnwitzigen Extremsportevents multinationaler Konzerne gipfelt. Mountain wird an dieser Stelle anklagend – ein wenig zu anklagend vielleicht – setzt damit aber ein wichtiges und richtiges Zeichen.
Vordergründig versucht der Film aber zu ergründen, warum der Mensch überhaupt so fasziniert von den Bergen ist. Die Erkenntnis: „Die Gipfel, die wir erklimmen, sind die Gipfel unseres Geistes.“ Dafoe beschränkt sich auf wenige Sätze, räumt der Schönheit der Bilder jenen Platz ein, die sie benötigen. So entsteht ein wahrer Rausch spektakulärer Aufnahmen – auch wenn sich der Film zeitweilig etwas zu sehr darin verliert.
Fazit
Grandiose Bilder, fantastische Musik und ein professioneller, pointierter Off-Kommentar aus der sanften Kehle von Willem Dafoe: Mountain ist kein pädagogischer Film, keiner, nach dem man mehr über die Entstehung von Bergen oder über ihre physische Beschaffenheit weiß. Dafür einer, nach dem man weiß, wie wunderschön, abstrakt, skurril und bedrohlich diese Giganten sein können – ein ästhetischer Dokumentarfilm der alten Schule, verwirklicht mit modernster Technologie. Zweifellos eine der stärksten Naturdokus, die es derzeit gibt.
Mountain ist ab 19. Januar digital und ab 2. Februar auch auf DVD und BluRay erhältlich.
Bilder & Trailer: (c) dcm
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