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Kritik: „Molly’s Game“

Molly’s Game (Aaron Sorkin, USA 2017)

Biopic der Sportlerin und Poker-Prinzessin Molly Bloom mit großartigem Cast und den typischen Aaron-Sorkin-Dialogen.

Ich bin ein riesiger Fan von Aaron Sorkin. Und von Jessica Chastain. Und Idris Elba. Wenn also alle drei in einem Film zusammenkommen, ist das ein Grund zum Feiern. Das Ergebnis kann schließlich nur gut werden. Elbas Charme und Leinwandpräsenz, Chastains Eleganz und Professionalität, Sorkins unantastbare Fähigkeiten als Drehbuchautor – und erstmals sitzt er nun sogar auf dem Regiestuhl. Was soll da noch schief gehen? Nichts, wie nach dem Kinobesuch von Molly’s Game klar wird. Denn der erweist sich als absolut rundes Werk.

Der in PR-Kreisen gern verwendete Terminus der „unglaublichen Geschichte“ ist in diesem Falle nicht wirklich zutreffend: Die Story von Molly Bloom – so real sie auch sein mag – ist keinesfalls unglaublich, aber trotzdem ziemlich spektakulär. Und vor allem komplex. Da passt es also ins Bild, dass sich ausgerechnet Aaron Sorkin dieser Geschichte angenommen hat, schließlich ist der Mann dafür bekannt, mitreißende Porträts über Menschen mit außergewöhnlichen Lebensläufen zu schreiben. Und nun verfilmt er sie auch noch selbst. Blooms Karriere jedenfalls beginnt auf der Skipiste als eine der besten Freestyle-Skierinnen der USA, die aufgrund eines Unfalls die Teilnahme an den Olympischen Spielen um Haaresbreite verpasst. Eines aber bleibt von ihrem Sportsgeist erhalten: Der Drang nach Erfolg.

In Kalifornien landet sie einige Jahre später im Dunstkreis eines zwielichtigen Geschäftsmannes (Jeremy Strong), der sie zur Organisatorin seiner wöchentlichen Poker-Runden befördert. Bloom sieht zu und lernt, knüpft Kontakte und macht sich bald selbstständig. Mehrmals pro Woche leitet sie Poker-Turniere, bei denen hunderttausende von Dollar die Besitzer wechseln und Promis ihre Existenzen verspielen, während Bloom immer und immer reicher wird. Bis das FBI an ihrer Tür klingelt. Wegen illegalen Glücksspiels und angeblicher Verbindungen zur Mafia.

Wie schon bei seinen anderen Biopics The Social Network und Steve Jobs wählt Sorkin auch diesmal einen unkonventionellen, achronologischen Weg, seine Geschichte zu erzählen. Den roten Faden bilden Blooms Prozessvorbereitungen, für die sie den Anwalt Charlie Jaffey (Idris Elba) engagiert. Dabei vergehen selten mehr als fünf Minuten, bis die nächste Rückblende auf ihre Kindheit (mit einem schwierigen, fordernden und hoch intelligenten Vater verkörpert durch Kevin Costner), ihre Sportler- oder Poker-Karriere folgt. Der konstante Wechsel der Zeit- und Erzählebenen fordert die Aufmerksamkeit des Zuschauers im gleichen Maße wie die für Sorkin typischen Maschinengewehr-Dialoge: Die Protagonisten feuern sich in rasantem Tempo Fachbegriffe und Argumente um die Ohren, was zumeist mit einer witzigen und/oder intelligenten Pointe aufgelöst wird. Ein echter Mensch würde so natürlich nie reden. Diese Fusion von Anspruch und Stil aber trägt die unverkennbare Handschrift des Autors und ist ein echtes Fest.

Verstärkt wird das zum einen durch den rasanten Schnitt, zum anderen durch die Vielfalt an Themen, die mit Bloom und ihrer Geschichte einher gehen. Neben ausführlichen Abhandlungen über Poker (samt noch nie gehörter Fachtermini) und das Justizsystem geht es um Buchhaltung, Menschenkenntnis, Psychologie und letztlich auch um die komplexe Figur Molly Bloom selbst, die allmählich vom Sog der Macht verschluckt wird. Eine eigenständige, analytische, hoch intelligente Frau, die eine entscheidende Charakterschwäche hat: Sie kann nicht zurückstecken.

Geprägt von ihrem Vater, der sie zur Profisportlerin machen wollte, tut sie alles für ihre Unabhängigkeit, vor allem vom Patriarchat, bewahrt ihre juristische, aber nicht immer ihre moralische Integrität und übersieht dabei die eigentlich Triebkraft ihres Handelns: Der Wunsch nach Macht über mächtige Männer. Bloom ist weder gänzlich Opfer noch gänzlich Täterin, sondern eine überaus ambivalente und (trotz ihrer übermenschlichen Attitüde) glaubwürdige Figur, die andere ihre Sozialisation deutlich spüren lässt.

Und diese Attitüde ist ansteckend: Schneller als einem lieb ist, erwischt man sich dabei, wie man sich auf Blooms Seite schlägt, sich über jeden gelungenen Coup und jeden verdienten Schein freut. Trotzdem bleibt stets eine gewisse Distanz zwischen dem Zuschauer und der Figur bestehen, denn diese Frau ist über weite Strecken ziemlich unantastbar, was nicht zuletzt an Chastains Performance liegt. Jeder Blick, jeder Gesichtsausdruck, jede Geste sitzt. Sympathie kann sie ebenso versprühen wie absolute Kälte. Die Distanz aber entsteht in erster Linie durch ihr Outfit (Bloom bezeichnet es selbst als die „Hollywoodversion“ von sich selbst), das aus einer ordentlichen Portion Make-Up, knappen Röcken und einem tiefen Ausschnitt besteht. Letzteres kann man als Seitenhieb im Fahrwasser von #metoo verstehen, auf Dauer aber fühlt man sich – vor allem als Mann – in die unangenehme Position eines Voyeurs versetzt.

Fazit
Molly’s Game macht so ziemlich alles richtig: Großartige Schauspieler bekommen ein noch großartigeres Drehbuch serviert, die Handlung ist so spannend wie intelligent, die Inszenierung zwar nicht der Knüller, aber durchweg solide. Dennoch fehlt es Molly’s Game an Brisanz: Im Vergleich zu den Geschichten von Mark Zuckerberg und Steve Jobs, deren Leistungen Millionen und Milliarden von Menschenleben geprägt haben, wirkt Molly Blooms Story geradezu banal. Nach Molly’s Game ist man zwar um eine interessante Geschichte reicher, mehr aber auch nicht – im Gegensatz zu The Social Network und Steve Jobs, die einen neuen Blick auf die Entstehung von Facebook und Apple ermöglichten. Letztlich muss man Aaron Sorkin aber vor allem eines zugute halten: Er nimmt sowohl seine Figuren als auch sein Publikum ernst – und fordert letzteres auf äußerst angenehme Weise heraus.

Molly’s Game läuft am 8. März 2018 in den deutschen Kinos an.

Bilder & Trailer: (c) SquareOne Entertainment

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