Kritik: „The Shape of Water“

Shape of Water – Das Flüstern des Wassers (The Shape of Water, Guillermo del Toro, USA 2017)
Wunderschönes, verträumtes und verspieltes Märchen über eine außergewöhnliche Liebe – leider zu verspielt.
Der Titel von The Shape of Water ist ein Oxymoron: Er will dem Wasser eine Form bescheinigen. Jenem Stoff also, der niemals eine beständige, bestimmbare Form hat, der sich stattdessen – wenn einmal befreit – invasiv ausbreitet, jede kleine Spalte, jeden winzigen Hohlraum füllt. Eine Eigenschaft, die er sich mit einem anderen Grundbaustein des menschlichen Lebens teilt: der Liebe.
Liebe und Wasser – die beiden tragenden Elemente der Handlung von The Shape of Water werden bereits in der ersten Sequenz miteinander vereint. Sie zeigt die morgendliche Routine von Elisa Esposito (Sally Hawkins): Sie steht auf, genießt ihr Frühstück und steigt in die Badewanne um zu onanieren. In Ermangelung eines Partners gibt sich die stumme Frau der Selbstliebe hin, bevor sie ihren Nachbarn Giles (Richard Jenkins) besucht und zur Arbeit aufbricht. Das soll sich bald ändern. Denn die Forschungseinrichtung, in der Esposito als Putzkraft tätig ist, bekommt ein neues Subjekt: Ein anthropomorphes Wasserwesen (Doug Jones), zu dem Esposito allmählich eine freundschaftliche und bald auch eine romantische Beziehung aufbaut.
The Shape of Water lässt den Zuschauer vor allem eine Liebe spüren: Jene, die Regisseur Guillermo del Toro zu seinen Monstern verspürt. Mit größter Detailverliebtheit ließ er bereits in Hellboy, Pans Labyrinth und Pacific Rim allerhand kreative Kreaturen auf sein Publikum los, nun beschränkt er sich auf eines. Zumindest dem äußeren Anschein nach. Das wahre Monster in dieser Geschichte ist stattdessen Sicherheitschef Richard Strickland (Michael Shannon), der das Subjekt foltert und sich allmählich in einen paranoiden Wahn hinein steigert.
Del Toros jüngster Film ist ein Plädoyer für Toleranz und Empathie im Gewand eines Liebesfilms. Die anfangs abschreckende Andersartigkeit dieses Wesens weicht schnell einem sympathischen Interesse an dessen Natur, Fähigkeiten und Eigenarten. Klarheit schafft del Toro aber nie: Das Mischwesen bewahrt seine Mystik bis zum Schluss und darüber hinaus, der inhaltliche Fokus liegt vielmehr auf seiner Beziehung zu Esposito, die durchaus unerwartete Ausmaße annimmt.
Dass sich das trotz einiger gewalttätiger Ausbrüche dennoch wie ein stilechtes Märchen anfühlt, liegt am verspielten Flair des Films. Die bunte 60er-Jahre Kulisse, die detaillierten Sets, die verliebt-verträumten Musikstücke klassischer und bluesiger Natur – all diese Elemente wirken wie aus einem Guss, versetzen den Zuschauer erfolgreich 50 Jahre zurück in die Vergangenheit, laden die Atmosphäre des Films trotz einer Vielzahl ernster Themen (Rassismus und Sexismus, Ethik der Wissenschaft, Kalter Krieg und Spionage) mit einer angenehmen Unbeschwertheit auf und dürften dem Film mit ziemlicher Sicherheit die Oscars für das beste Produktionsdesign sowie die besten Kostüme einbringen.
Schauspielerisch hat The Shape of Water ebenfalls hohe Qualitäten zu bieten. Michael Shannon und sein Kinn geben die Bedrohlichkeit seiner Figur perfekt wieder, Richard Jenkins mimt den liebenswertesten alten Mann seit Anthony Hopkins in The World’s Fastest Indian und Sally Hawkins weiß ohne Worte, dafür mit einer überaus starken Mimik wahre Wunder zu vollbringen.
Doch trotz all dieser Qualitäten ist The Shape of Water keine Offenbarung. Ästehtische Kinomagie ja, doch die Handlung bleibt dünn, scheinbar relevante Handlungsstränge versanden, die zweite Hälfte kann nicht mit der ersten mithalten. Denn so interessant das Wasserwesen und die Implikationen dieser Figur anfangs auch sind: Sobald die Gefangenschaft beendet ist und die Empathie, die aus der zuvor erfolgten Folter hervorging, verspielt ist, fehlt es an Tiefe. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sich die beiden Protagonisten immer weiter vom Zuschauer entfernen je näher sie sich kommen. Da hilft auch keine urplötzliche und viel zu kitschige Musicaleinlage: The Shape of Water kann in der zweiten Hälfte nicht die Substanz vorweisen, die man nach der ersten erwartet.
Fazit
The Shape of Water ist ein Film, in dem del Toro seine Leidenschaft voll auslebt – wobei er aber allmählich sein Publikum aus den Augen verliert. Während diese Leidenschaft, die im Set-Design, in der Musik und in den Figuren sicht- und hörbar wird, in der ersten Hälfte noch ansteckend wirkt, geht dem Film anschließend sukzessive die Puste aus. Das Tempo dünnt aus, die Spannung nimmt ab, die Pointe ist eine Luftnummer. The Shape of Water ist ein wunderschönes und verspieltes Märchen über eine ungewöhnliche Liebe – leider ein zu verspieltes.
Bilder & Trailer: (c) Fox Searchlight
Deine Meinung teile ich größtenteils. Die Geschichte wird zum Ende hin etwas dünn und für mich wirkt sie sogar arg konstuiert. Trotzdem ein wunderschöner Film, der hoffentlich möglichst gut an den Kinokassen ankommt, damit del Toro weiter solche Projekte machen darf.
Nur bei einer Sache sind wir nicht einer Meinung: Ich hoffe, dass der Design-Oscar an Blade Runner geht : )
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Stimmt, Blade Runner hätte ich da ganz vergessen… Gibt ja aber einen Unterschied zwischen glauben und hoffen, insofern bin ich auch auf der Seite von Blade Runner obwohl ich nach wie vor denke, dass shape of Water da das Rennen macht.
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Ja, der Unterschied zwischen Glauben und Hoffen ist besonders in diesem Jahr sehr groß. Blade Runner wird wohl irgendeinen kleinen Oscar bekommen, aber sonst wahrscheinlich komplett untergehen.
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Ich steh mit der Meinung vielleicht allein, aber ich mutmaße, dass Shape of Water der große Verlierer bei den Oscars sein wird, also in den großen Kategorien nichts abräumen wird
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Das ist gut möglich, dass Shape of Water zwar mit vielen Oscars rausgeht, aber bei den großen Kategorien wieder die alten Bekannten (* hust* Meryl Streep *hust*) gewinnen.
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Hätte für mich noch verspielter sein können. Design und alles war schon toll, aber die Charaktere fand ich teilweise echt öde – allen voran die gute Elisa, die ich wirklich sehr langweilig und oftmals nicht nachvollziehbar fand. Da fand ich ihren Nachbarn Giles die ganze Zeit über wesentlich interessanter. Aber ich muss mir den FIlm noch einmal durch den Kopf gehen lassen, um in Ruhe meine Kritik zu schreiben.
Alles in allem war ich jedoch ein wenig enttäuscht, hatte ich doch mehr erwartet.
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Endlich kann ich deine Kritik lesen, weil ich jetzt auch den Film gesehen hab. 😀
„Doch trotz all dieser Qualitäten ist The Shape of Water keine Offenbarung. Ästehtische Kinomagie ja, doch die Handlung bleibt dünn, scheinbar relevante Handlungsstränge versanden“ –> Jaaa!
Du findest aber echt immer schöne Worte noch. Ich bin komplett plumpen Kommentaren aus dem Kino gekommen.
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Danke Danke 😊
Mein Kumpel, mit dem ich da war, hat auch alles andere als elegante Worte gefunden. Hat sich sehr an der Liebesgeschichte gestört, meinte, das sei pervers oder so 😄
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Haha 🙂 Ich glaube mein erster Satz als wir aus dem Saal kamen war „Wie heißt nochmal der Film mit der Sodomie, den alle feiern? Achja…“
Aber so richtig ernst gemeint hab ich das nicht, mich haben andere Dinge viel mehr gestört.
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Zum Beispiel?
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Zum Beispiel fand ich die Hauptclique (Stumme, Schwuler, Dunkelhäutige) charakterlich recht arm ausgestattet. Jeder hatte halt irgendwie eine Funktion und das wars – keine Schichten.
Da hatte der Böse sogar einiges mehr.
Und dann fand ich, dass sehr viele unnötige Informationen hineingeworfen wurden (was waren das für Pillen die ganze Zeit? Hab ich da eine Erklärung verpasst?) und dafür aber die eigentliche Liebesgeschichte überhaupt nicht nachvollziehbar dargestellt wurde. Da hat sich nichts entwickelt, das war einfach auf einmal so und jeder hat es hingenommen.
Und dann war ja Wasser das hauptsächliche Symbol und das fand ich dadurch, dass alles bläulich war und die morgendliche Routine und das Labor, ihre Tätigkeit, die Gespräche beim Händewaschen usw. halt auf jeden Fall gut erkennbar, aber auch etwas unkreativ umgesetzt..
Bei Romeo und Julia ist zB auch Wasser eins der Hauptsymbole und da gibt es richtig schöne Szenen, wie sie sich zB zum ersten Mal durch ein Aquarium hindurch gegenseitig sehen und dann jeweils die Mimik immitieren und so.. Viel verspielter und man kann viel besser erkennen, warum die beiden eine Verbindung zwischen sich spüren. Hier in diesem Film war es einfach nur die Hand an die Scheibe legen.
Also insgesamt hatte ich das Gefühl, dass es so ein artsyfartsy Film war, der sich so darauf konzentriert hat alles mögliche interessant erscheinen zu lassen, dass die Charaktere und die Handlung dabei auf der Strecke blieben und irgendwie auch egal waren. Also von mir aus hätten die alle erwischt werden oder sterben können. Ich dachte immer mal wieder sogar, dass wenn das passieren würde, das den Film für mich aufwerten würde.
Und ich hab grundsätzlich nichts dagegen, wenn Filme „anders“ sein und Grenzen überschreiten wollen, aber mich muss da schon etwas packen, da reicht es nicht wenn er nur schön anzusehen ist. Mother zB fand ich um Welten besser.. Aber wurde ja für nichts nominiert.
Achja, Sally Hawkins mag ich auch nicht. Die fand ich schon in Happy-Go-Lucky schwach.
So. Aufsatz Ende. Du hast gefragt. 😀
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Oh wow, das ist echt ausführlich 😄
Vieles davon natürlich Geschmackssache, bei einige Dingen (zB den Charakteren) stimme ich dir zu, bei anderen nicht. Aber ja, artsyfarsty war auch das Wort, mit dem ich ihn einen Tag später einem Kollegen beschrieben habe.
Die Pillen waren glaube ich einfach nur Schmerzmittel wegen der fehlenden Finger, so weit ich weiss…
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