Filme gesehen #176

Diese Woche mit A Most wanted Man, Wer die Nachtigall stört und Wer ist Mr. Cutty?
A Most wanted Man (Anton Corbijn, UK 2014)
Eine britische Produktion, die nicht nur im schönen Hamburg gedreht wurde, sondern auch dort spielt und eine der letzten Rollen des vor einigen Jahren überraschend verstorbenen Philip Seymour Hoffman aufzuweisen hat, der hier einen Geheimdienstmitarbeiter mimt. Und der will einen Halbtschetschenen, der gerade nach Hamburg gekommen ist und das Konto seines stinkreichen Kriegsverbrechervaters auflösen möchte, als Maulwurf anwerben, um so an die großen Terror-Finanzierer zu kommen. Spannend erzählt, mit einer überaus (zwischen-)menschlichen Komponente und vielen subtilen, ambivalenten Zwischentönen verfeinert. Nur die großen, spektakulären Momente sind ein wenig zu sparsam eingesetzt, stattdessen ergeht sich A Most wanted Man in einer nüchternen, fast schon sterilen Optik und Dramaturgie. Der einsame Höhepunkt: Ein Verhör-Situation, in der Hoffman den „Bad Cop“ gibt und derart vom rhetorischen Leder zieht, dass man selbst als Zuschauer kurz Angst bekommt. Muss man nicht geguckt haben, wird man aber auch keinesfalls bereuen.
imdb / Trailer
Wer die Nachtigall stört (To Kill a Mockingsbird, Robert Mulligan, USA 1962)
Und wieder einer diesen ewigen Klassiker, die ich von nun endlich meiner Liste der Scham abhaken kann. Gregory Peck als alleinerziehender Vater und Anwalt, der in einer weißen Kleinstadt der 30er Jahre lebt und als Verteidiger eines Schwarzen verpflichtet wird, dem Vergewaltigung an einer weißen Frau vorgeworfen wird. Der Fall selbst spielt nur in der zweiten Hälfte eine Rolle, zuvor stehen Pecks Kinder im Mittelpunkt, die das Geheimnis eines mysteriösen Hauses in der Nachbarschaft zu ergründen versuchen. So wirklich weiß man nicht, wohin das führt (auch wenn es nett anzusehen ist) – zumindest bis zum Ende. Die Pointe dieses Handlungsstrangs aber bildet den eindeutig schwächeren Teil des Films. Der Prozess selbst ist es, um den die tiefsinnigen, moralischen Fragen kreisen: Wer die Nachtigall stört ist ein für seine Zeit überaus progressiver Film über Rassismus, Toleranz und das in der US-Verfassung festgeschriebene, nur selten eingehaltene Gebot, alle Menschen seien vor Gericht gleich und gipfelt in einer der besten, kraftvollsten Ansprachen, die ich jemals in einem Film erleben durfte. Allein deswegen schon überaus sehenswert.
imdb / Trailer
Wer ist Mr. Cutty? (The Axxociate, Donald Petrie, USA 1996)
Damals in den 90ern, als Whoopy Goldberg noch ein Star und die Börse (zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung) kein Ort gänzlich moralischer Degeneration war, entschloss sich Donald Petrie dazu, einen Film zu drehen, der heute – mehr als 20 Jahre später – den Zeitgeist kaum besser treffen könnte. Goldbergs Figur ist gut in ihrem Job, bekommt aber nicht die verdiente Anerkennung und macht sich deshalb als Investitionsberaterin selbstständig. Weil aber die weißen Manager eine schwarze Frau nicht ernst nehmen wollen, erfindet sie einfach einen Partner, der zum gehypten Mysterium wird und ihr eine Wagenladung Erfolg beschert. Dabei vergisst man gern mal, dass dieser Film eigentlich eine Komödie ist, denn die gesellschaftlichen Statements, die hier implizit und explizit zur Sprache kommen, haben Hand und Fuß. Ein feministisches Werk im humoristischen Gewand, das zwar alles andere als subtil daher kommt – aber hey, die Kombination geht auf. Lediglich wenn es zur unvermeidlichen Verkleide-Szene kommt, gleitet das Ganze ein wenig in Fremdscham-Humor ab. Aber das verzeihe ich dem Film gerne.
imdb / Trailer
Ich finde es sehr gut, wie schnell du auf den Punkt kommst, daher lese ich diese Artikel besonders gerne. Bei „wer ist Mr. Cutty?“ stimme ich dir absolut zu. Auch er ist ein Film, den man nicht bereut zu sehen, glaube ich. „A Most Wanted Man“ hingegen fand ich nur semi-spannend. Auch wenn ich es interessant fand, welche Orte man zum Dreh ausgewählt hat. (Kleiner Fun-Fact: das Gebäude, in dem sich die Büros befinden wird aktuell abgerissen. In den 70ern hat die Deutsche Post dieses Gebäude gebaut. Am Zeitpunkt des Drehs stand die „Alte Post“ bereits leer.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Danke für die lobenden Worte. Wollte mich jetzt eigentlich auch immer bei meinen ausführlicheren Kritiken kürzer halten, aber irgendwie bekomme ich das nicht hin 😄
Gefällt mirGefällt mir
A Most Wanted Man war wirklich recht gut. Ich musste aber zu der Erkenntnis kommen, dass Hoffman darstellerisch beinahe alles konnte aber ein deutscher Akzent gehörte nicht dazu… 😉
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ähh… hab ich was verpasst? Deutscher Akzent?
Habe mich eher gewundert, dass in Hamburg niemand mehr (nicht mal auf der Straße) Deutsch spricht ^^
Gefällt mirGefällt 1 Person
Genau das meine ich. Selbst die deutschen Schauspieler sprechen englisch und Hoffman bemüht sich sein Englisch mit einem deutschen Akzent zu versehen, was nur so mittel funktioniert…
Gefällt mirGefällt 1 Person
Aber er spielt doch einen Briten, insofern sähe ich gar keine Notwendigkeit für einen deutschen Akzent.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Huh? Der leitete doch eine halboffizielle Abteilung innerhalb der deutschen Nachrichtendienste und Google sagt der Charakter heißt „Günther Bachmann“. Ich ging davon aus, dass er Deutscher sein soll. Ist aber länger her und durchaus möglich, dass ich mich völlig falsch erinnere.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Nun ja, bloß weil jemand eine typisch Seitenscheiben Namen hat, macht ihn das noch nicht zu einem Deutschen… mag sein, dass du Recht hast, ist meines Erachtens aber auch nicht von größerer Relevanz
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ich glaube auch, wir haben mehr als genug zu dam Aspekt gesagt. 😉
Gefällt mirGefällt 1 Person