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Lähmungserscheinungen: Die Oscars 2018

Ein persönlicher Rückblick.

Da sind sie also schon wieder vorbei, die diesjährigen Academy Awards. Die Öffentlichkeit schaute diesmal ganz genau hin: Nicht nur feierten die Oscars ihren 90. Geburtstag – da stand ja auch noch dieser ganz große Elefant namens #metoo im Raum. Und auch hinsichtlich der #OscarsSoWhite-Debatte hatte die Academy noch einiges an Wiedergutmachung zu leisten. Statt nun aber so richtig politisch zu werden, schien es vielmehr so, als hätten die kontroversen Themen der vergangenen Monate und Jahre die Veranstaltung gelähmt. Anders kann ich mir kaum erklären, warum die Oscars 2018 eine so dröge Vorstellung waren.

Das Unterhaltsamste fand da bereits auf dem Roten Teppich statt – zumindest bei Pro7. Der arme Oscar-Korrespondent Steven Gätjen hatte – anscheinend aufgrund organisatorischer Fehler – große Mühen, Stars vors Mikrofon zu holen. Zugleich wollte der deutsche Privatsender aber auch seiner Fashion-Zielgruppe etwas bieten, weshalb man immer wieder zu Viviane Geppert (die ums Verrecken nicht moderieren kann) und Michael Michalsky schaltete, die die Kleider der weiblichen Hollywood-Größen unter die Lupe nehmen sollten. Für noch mehr unfreiwillige Komik als der Spagat zwischen diesem sexistischen Unfug und #metoo sorgte nur Michalsky selbst, der – keine Ahnung ob das sein Markenzeichen ist – mit einer derben Portion Zynismus aufwartete, seine Co-Moderatorin auch schon mal anpflaumte und dem dieser Job sichtlich kein Vergnügen bereitete.

Sei’s drum. 2 Uhr ging’s schließlich los – und zunächst nahm ich die Zurückhaltung bei der Inszenierung der Show auch tatsächlich als angenehm wahr. Die Abwesenheit eines pompösen Intros zugunsten einer humorvollen Retro-Hommage ging jedoch mit einer überraschenden Zurückhaltung seitens Moderator Jimmy Kimmel einher, dessen Gags zwar kurz Bezug auf die Panne im vergangenen Jahr und die aktuellen Debatten um Sexismus und Rassismus nahmen, in Summe aber eher lau waren und Schärfe vermissen ließen.

Das zeigte sich auch bei den meisten anderen, die auf die Bühne traten: Neben ganz wenigen Ausnahmen (zum Beispiel Jane Fonda, Helen Mirren, Frances McDormand) herrschte da vornehme Zurückhaltung. Stattdessen wurde jedes Mal euphorisch geklatscht, sobald es um weibliche Nominierungen ging: Erstmals eine Kamerafrau in der engeren Auswahl! Eine Auszeichnung gab es dafür dann aber doch nicht. Die ging stattdessen (absolut verdient) an Roger Deakins und den großartigen Blade Runner 2049, der ebenso für seine Special Effects prämiert wurde – ein fairer Trost für die fehlende Nominierung als bester Film.

Am größten war meine Freude jedoch über den Preis für das beste Original-Drehbuch, der an den (ebenfalls großartigen) Get Out ging und mit Jordan Peele den einzigen afroamerikanischen Preisträger der Show hervor brachte. Die Vergabe der Darsteller-Oscars hingegen war kein bisschen überraschend, was auch für den überwiegenden Rest der Preise galt: Dunkirk räumte die Technik-Preise ab, der beste Animationsfilm kam mal wieder von Pixar. Am Ende wurde das verspielte, unanstößige Konsens-Werk The Shape of Water mit den zwei wichtigsten Auszeichnungen bedacht. Langweilig, aber nachvollziehbar.

Und dazwischen? Gab’s eine wunderschöne Montage, die den 90. Geburtstag der Academy feierte, eine weitere Montage zu Ehren der US-amerikanischen Soldaten, die seltsam und irgendwie unpassend anmutete, sowie eine – wie schon 2017 – wenig glaubwürdige Showeinlage, der bei eine Handvoll Nominierte einen angrenzenden Kinosaal stürmten und die Zuschauer mit Snacks überraschten. Natürlich alles total spontan und so…

Am Ende manifestierte sich der Eindruck, als hätten die jüngsten Hollywood-Kontroversen vor allem für Lähmung unter Filmschaffenden und Oscar-Organisatoren gesorgt. Es fehlte sowohl die Schärfe als auch die Lockerheit – stattdessen pendelte man sich irgendwo in der langweiligen Mitte ein. Ganz unverfänglich, ganz harmlos, ganz öde. So sieht die Debattenkultur anno 2018 in Hollywood also aus. Liebe Academy, lasst doch 2019 vielleicht mal Frances McDormand moderieren. Deren Dankesrede war nämlich einer der ganz wenigen Glanzmomente dieser vierstündigen Besänftigungs-Parade.

6 Kommentare zu „Lähmungserscheinungen: Die Oscars 2018 Hinterlasse einen Kommentar

  1. Die Show lief auch mMn nach mit angezogener Handbremse, was natürlich an den aktuellen Debatten liegt. Die Montagen zum Jubiläumsjahr waren zwar super, aber die gingen doch viel zu sehr unter.
    Positiv war für mich, dass die Debatten wenig Auswirkungen auf die Preise hatten. Filme sollten nicht für ihre Aussage gewinnen, sondern für Ihre Qualität. Da gehe ich bei den Entscheidungen der Academy meistens mit (zumindest sind sie alle nachvollziehbar).

    Wir können nur hoffen, dass wir diese Diskussionen in ein paar Jahren garnicht mehr führen müssen und der Fokus wieder auf die Filme gelegt werden kann.

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  2. Wirklich sehr schön zusammengefasst und artikuliert…bin genau derselben Meinung, da war eindeutig die Handbremse angezogen nur damit man ja nicht aus Versehen etwas provozierendes sagen könnte

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