Kritik: „Isle of Dogs – Ataris Reise“

Isle of Dogs – Ataris Reise (Isle of Dogs, Wes Anderson, USA 2018)
Der neueste Streich von Kultregisseur Wes Anderson widmet sich den Unerwünschten dieser Welt, lässt den Zuschauer aber emotional kalt.
Wes Anderson ist einer der wenigen Regisseure, dessen Filme man bereits nach wenigen Sekunden erkennt. Da macht Isle of Dogs keine Ausnahme. Neun Jahre nach Der fantastische Mr. Fox hat sich der Texaner erneut an die Kunst des Animationsfilms gewagt. Er wusste also schon, wie man so etwas angeht. Dennoch fehlt es dem Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale an einer wichtigen Sache: Herz.
Soll nicht heißen, dass Anderson kein Herz in diese Produktion gesteckt hätte. Ganz im Gegenteil: Isle of Dogs ist die Passion seines Regisseurs durchweg anzumerken. Das einleitende Trommelkonzert strotzt vor Epik, drückt einen förmlich in den Sitz und liefert den perfekten atmosphärischen Einstieg in das Szenario, in dem sich Anderson diesmal austobt: Japan. In der Stadt Megasaki – so wird es aus dem Off erzählt – sind die Katzenliebhaber an der Macht und versuchen schon seit Jahrhunderten, sämtliche Hunde loszuwerden.
Eine Epidemie von Hundekrankheiten liefert den perfekten Anlass, um alle Hunde auf eine Insel vor der Stadt abzuschieben. Die Symbolik ist von Beginn an überdeutlich: Isle of Dogs ist eine Fabel, die sich den Unerwünschten dieser Welt, den Unliebsamen und den Verteufelten widmet. Früh werden Parallelen zur aktuellen Weltlage erkennbar, im weiteren Verlauf droht ein Hunde-Genozid, der mithilfe von Giftgas vollzogen werden soll. Welches historische Ereignis hier widergespiegelt wird, ist klar.
Nun ist es schwierig, zwischenmenschlichen Rassismus auf einen Konflikt zwischen Mensch und Tier umzumünzen, da hier ja tatsächlich biologische Differenzen bestehen. Isle of Dogs kann diese Hürde jedoch überwinden, da er im Kern weniger anti-rassistisch als vielmehr anti-faschistisch ist. Während der kleine Atari – Sohn des diktatorischen Bürgermeisters von Megasaki – auf der Exil-Insel nach seinem früheren Hund sucht, drangsaliert sein Vater die Pro-Hunde-Opposition mit Einschüchterung und Gewalt. Am Ende ist Isle of Dogs ein Plädoyer für die Akzeptanz des Anderen und des Andersartigen, für Empathie und Zusammenhalt.
Diese Botschaft zündet aber nur bedingt. Denn der Film liefert wenig, an das man sich emotional binden kann. Die menschlichen Figuren sind – mit zwei Ausnahmen – entweder uninteressant, irrelevant oder antagonistisch. Im Zentrum steht aber auch nicht (wie es der deutsche Untertitel suggeriert) Atari, sondern die fünf Hunde, die ihn auf seiner Suche begleiten. Allen voran der Streuner Chief (vertont durch Bryan Cranston), der durch seine Erlebnisse mit Atari langsam seinen Hass auf die Menschen verliert. Annäherung ist nun mal ein Prozess, der auf beiden Seiten eines Konflikts stattfinden muss.
Doch liefern diese Hunde eben auch zu wenig Identifikationsfläche, zu wenig Individualität, um sie über den Status von Stereotypen hinauszuheben und greifbar zu machen. Mitfiebern, Mitlachen, Mitfühlen – alles höchstens in Ansätzen vorhanden. Die Tiertruppe rund um Mr. Fox zeichnete sich noch durch Vielfältigkeit (sowohl äußerlich als auch charakterlich) aus, ihr Kampf gegen die Menschen entsprang einem nachvollziehbaren Konflikt. In Isle of Dogs ist die Diversität einem Design gewichen, das die wichtigsten Hunde nur noch durch die Farbe ihres Fells unterscheidbar macht. Und dieser Hunde-Genozid ist derart weit von jeglicher Alltagserfahrung entfernt, dass die Distanz zwischen tierischen Protagonisten und menschlichen Zuschauern einfach nicht schwinden will.
Natürlich kommt man nicht an einer formalen Diskussion vorbei. Anderson-typisch dominieren Zentralperspektive und symmetrische Bildgestaltung, die aber stets einen Hauch Asymmetrie beinhaltet. Für die Augen bleibt es also immer interessant. Das damit einhergehende Potential für visuelle Komik nutzt Anderson auch – allerdings nicht ansatzweise so gut, wie in seinen bisherigen Werken. Der Humor entspringt diesmal noch stärker der Dissonanz zwischen situativer Absurdität und dem stoischen Ernst, mit dem die Figuren dem begegnen. Der Stop-Motion-Look überzeugt durch eine aberwitzige Detailverliebtheit, die vor allem beim Hundefell deutlich wird: Jedes einzelne Haar lässt sich im Flattern des Windes erkennen.
Interessant auch, wie Anderson hier Sprache einsetzt: Während die Hunde Englisch (respektive Deutsch) sprechen, blieben alle menschlichen Figuren (mit zwei Ausnahmen) bei Japanisch. Das rückt die Tiere noch deutlicher in den erzählerischen Mittelpunkt und spiegelt deren kommunikative Barriere zu den Menschen auch formal wieder. Nur ein Teil der japanischen Texte wird übersetzt, was vielfach aber gar nicht nötig gewesen wäre: Wenn Anderson eines beherrscht, dann ist es die Kunst der visuellen Erzählens. Seine Puppenhaus-artigen Bilder sagen tatsächlich mehr als die sprichwörtlichen tausend Worte.
Fazit
Ich mag Wes Andersons Filme wirklich. Mit Isle of Dogs hat er zwar ein Werk vorgelegt, das mit viel Hirn und Handwerk daher kommt, dem aber das dritte große „H“ fehlt: Herz. Man ist beeindruckt ob der Optik, der Detailversessenheit und der Perfektion – zu lachen, zu weinen oder zu zittern gibt es aber viel zu wenig. Das ist gerade bei einem Animationsfilm ein Unding.
Bilder & Trailer: (c) Fox Searchlight Pictures
Ich verstehe, was Du meinst. Bin kein Anderson-Fan, allerdings hat er einen sehr eigenen Stil. Mir haben „Grand Budapest Hotel“ und „Moonrise Kingdom“ gefallen, weil sie sehr strange sind. Allerdings fühlen sich die Figuren oftmals sehr distanziert, geradezu kalt an. „Isle of Dogs“ werde ich in jedem Fall sehen, weil ich Stop-Motion-Filme einfach liebe.
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Stimme dir zu, trotzdem haben die Figuren immer noch was liebenswert-skurriles an sich. Und gerade dieses liebenswert fehlt bei Isle of Dogs
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