Zum Inhalt springen

Kritik: „Feinde“

Feinde – Hostiles (Hostiles, Scott Cooper, USA 2017)

Zäher, aber intensiv und vielschichtig erzählter Spät-Western, der mit Stereotypen und veralteten Vorstellungen von Gut und Böse bricht.

Das Western-Genre zeigt kaum wie ein zweites, wie wandlungsfähig Hollywood ist. Von den ruhmreichen Tagen eines John Wayne über Leones Spaghetti-Western bis zur Dekonstruktion im zeitgenössischen Setting im Stile eines No Country for old Men oder Hell or High WaterJede Generation von Filmemachern – so scheint es – kann dem Genre eine neue Facette abgewinnen. Ein weiterer Vertreter diese Riege ist nun auch Scott Cooper, der mit Feinde einen zähen, aber dennoch großartigen Spät-Western abgeliefert hat.

Feinde beginnt, wie er auch endet: mit einem grauenhaften Akt der Gewalt. Eine Gruppe von Komantschen überfällt das Haus der Familie Quaid. Einzig Mutter Rosalee (Rosamunde Pike) überlebt den Vorfall, bleibt blutbeschmiert und verstört zurück. Szenenwechsel. US-Soldat fangen einen entflohenen Ureinwohner, schleifen ihn am Pferd gefesselt über den Boden zurück in die Zelle, während Captain Joe Blocker (Christian Bale) nur zusieht, diese Folter sogar gutheißt.

Sie hassen sich also noch immer gegenseitig, Ureinwohner und Weiße. Selbst nach dem Ende ihrer großen Schlachten, die 1892 – das Jahr, in dem Feinde spielt – schon einige Zeit zurückliegen. Die Narben von damals – körperliche wie seelische – sind aber geblieben, nähren den Hass. Auch den Hass von Blocker, der seinen Zorn notgedrungen runter schlucken muss, als er Befehl erhält, Chief Yellow Hawk (Wes Studi) und dessen Familie durch das halbe Land zu eskortieren. Dem Chief – viele Jahre in Gefangenschaft und inzwischen an Krebs erkrankt – soll als Zeichen der Versöhnung sein letzter Wunsch gewährt werden: in Montana zu sterben.

Blocker und Yellow Hawk begegneten sich einst auf dem Schlachtfeld als titelgebende Feinde. Dieser hochexplosive Konfliktherd – wie sollte es anders sein – erlischt im Laufe der gemeinsamen Reise. Auch als Blocker Rosalee begegnet und sie mitnimmt. Gegen wild gewordene Komantschen, gesetzlose Pelzjäger und störrische Großgrundbesitzer hilft nur Zusammenhalt. Feinde erzählt eine Geschichte von zwischenmenschlichen Mauern, die sukzessive abgetragen werden – ohne jedoch zu verschwinden.

Dafür sorgen die wiederkehrenden Konflikte und Gewaltorgien. Feinde ist kein Splatter-Film, aber dennoch ein äußerst brutaler, dessen blutige Momente spärlich verteilt, aber pointiert gesetzt sind. Oft bekommt sind nur die schmerzhaften Resultate dieser Gewalt zu sehen. Keiner Figur wird ein heldenhafter Abgang gewährt, nur ein ruhmloses Ende im Staub. Feinde bricht alte Stereotype, Rollen- und Moral-Klischees auf, bemüht sich um eine De-Romantisierung des Wilden Westen. Dennoch hält er an einem elementaren Genre-Motiv – das neue Land als Chance für einen Neuanfang – fest. Auch wenn dieser Neuanfang alles andere als leicht ist.

Feinde legt dabei ein sehr langsames Erzähltempo an den Tag. Geredet wird wenig. Stattdessen lässt Cooper seine Bilder sprechen, inspiziert mit der Kamera die ausdrucksstarke Mimik seiner Darsteller (großes Lob an Christian Bale) und kontrastiert diese mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen. In Verbindung mit dem dezent meditativen Soundtrack wird Feinde streckenweise zu einer zähen Angelegenheit, weshalb mein erster Eindruck ein eher gemischter war. Doch seine Tiefe und Vielschichtigkeit, seine Ambivalenz und seine einnehmenden Atmosphäre lassen Feinde nachwirken und reifen, was ihn schlussendlich zu einem meiner eindrücklichsten Western-Erlebnisse in jüngerer Vergangenheit macht.

Fazit
Scott Cooper hat mit Feinde einen Spät-Western geschaffen, der vom Zuschauer einiges an Geduld und Einfühlungsvermögen verlangt. Wenn man das jedoch aufbringen und sich an der ruhigen aber umso intensiveren Erzählweise erfreuen kann, bekommt man ein Filmerlebnis, das einen auf die gleiche Weise wie Coopers Erstlingswerk Crazy Heart einzunehmen vermag – das aufgrund seiner Gnadenlosigkeit jedoch viel bedrückender wirkt.

Bilder & Trailer: (c) Universum Film

3 Kommentare zu „Kritik: „Feinde“ Hinterlasse einen Kommentar

  1. Den wollt ich mir auch unbedingt im Kino anschauen aber leider haben sie den nirgends in meiner Nähe gespielt😒! Naja, jetzt „muss“ ich ihn mir halt auf DVD kaufen 😁😉.

    Gefällt 1 Person

    • Bin ich überrascht, dass der bei uns nicht im Multiplex läuft oder in dem einen Arthouse-Kino… Immerhin in einem kleineren. Aber auch DVD lohnt er sich mit Sicherheit auch 😉

      Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: