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Filme gesehen #197

Diese Woche mit Escobar: Paradise Lost, Sicario und Wind River.

Escobar: Paradise Lost (Andrea Di Stefano, FRA/ESP/BEL/PAN 2014)
Benicio del Toro zum Ersten und eigentlich in einer Rolle, die für ihn wie geschaffen scheint, nämlich als kolumbianischer Drogenbaron Pablo Escobar. Nun müsste man eigentlich denken: Nach der großartigen Netflix-Serie Narcos ist diese Figur zur Genüge auserzählt – so zumindest meine Meinung. Paradise Lost versucht sich dennoch an einem neuen Ansatz, indem er einen fiktiven, jungen Kanadier in die Familie Escobar einheiraten lässt. Wie wichtig das Thema Familie dabei ist, wird schon in den ersten Dialogzeilen mehr als deutlich gemacht. Und tatsächlich war es ja eben diese Ambivalenz in der Darstellung Pablo Escobars, die Narcos so großartig machte: Einerseits ein gnadenloser Drogenhändler und Massenmörder, der sich hinter der Fassade der Philanthropie versteckte, andererseits ein absoluter Familienmensch, dem Verwandtschaft alles bedeutete. Auch Paradise Lost arbeitet sich an dieser Ambivalenz ab, opfert sie am Ende jedoch zugunsten einer plakativen Dämonisierung des Patron. Und ganz ehrlich: dieses kanadische Weißbrot hätte es einfach nicht gebraucht. Zu flach und langweilig ist die Figur, zu vorhersehbar und dröge ist ihr Schicksal. Tatsächlich ist es einzig del Toros großartiger Darstellung zu verdanken, dass dieser sonst auf Sparflamme köchelnde Film bis zum Ende anschaubar bleibt.
imdb / Trailer

Sicario (Denis Villeneuve, USA 2015)
Benicio del Toro zum Zweiten und diesmal ebenfalls in einer Rolle, in welcher er für das kolumbianische Drogenkartell arbeitet. Zugegeben: Nachdem ich Sicario das erste Mal gesehen hatte, war ich dezent enttäuscht. Einerseits hatte ich von einem Denis Villeneuve mehr erwartet, andererseits war es wohl aber auch die falsche Erwartung (mehr Action!!1!1), mit der ich diesem Crime-Thriller damals entgegen trat. Nun, nach dem zweiten Mal, ist meine Meinung ein erhebliches Stück positiver, auch wenn ich nach wie vor nicht der Meinung bin, hier ein absolutes Meisterwerk vorliegen zu haben. Dennoch: Soundtrack, Kamera und Schauspiel verschmelzen zu einer einzigartigen Atmosphäre, die (trotz der heißen Wüstensonne) an Kälte kaum zu überbieten scheint. Und auch meine Meinung zu Emily Blunts Figur, die ich zuvor als dezent überflüssig empfand, ist nun deutlich besser, bildet sie doch einen moralischen Fixpunkt zwischen dem Zynismus eines Josh Brolin und den nihilistischen Rachegelüsten eines del Toro. Letzterer ist dabei derart einnehmend, dass es mir wahrlich schwerfällt, seinem abgeklärten Charisma nicht zu erliegen. Ja, wenn man weiß, was auf einen zukommt, ist Sicario einfach ein deutlich besserer Film.
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Wind River (Taylor Sheridan, USA/UK/CAN 2017)
Schön, wenn es zwischen den Filmen, die ich hier jeden Montag bespreche, eine Parallele gibt. Die bildet im Fall von Sicario und Wind River der Drehbuchautor Taylor Sheridan, der hier nun auch erstmals Regie geführt hat und dabei eine durchweg respektable Leitung vorzuweisen kann. Statt im brennend heißen Mexiko lässt er diese Story in den schneeverwehten Gefilden Wyomings spielen und schickt Jeremy Renner auf die Jagd nach dem Killer einer jungen Indianerin. Auch das FBI schaltet sich ein, schickt jedoch nur eine blutige Anfängerin (Elizabeth Olsen) vorbei, die mehr Hilfe benötigt als sie bringt, jedoch den notwendigen Identifikationspunkt für Außenstehende (sprich: den Zuschauer) bildet. Was ein wenig mühsam beginnt, steigert sich im Laufe der Handlung spürbar und entlädt sich in einem ebenso überraschenden wie knallharten Finale. Trotzdem verspielt Sheridan die Chance, seinen Figuren abseits von schweren Schicksalsschlägen ausreichend Profil zu verpassen. Wind River ist zudem überaus ruhig erzählt, was ihn in Summe dann doch etwas zäh wirken lässt. Jedoch weiß er in den entscheidenden Momenten die nötige Intensität zu kreieren. Trotz dieser Schwächen überwiegt ein positiver Gesamteindruck, allem voran aufgrund der Atmosphäre, des Settings und der gelungenen Inszenierung.
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9 Kommentare zu „Filme gesehen #197 Hinterlasse einen Kommentar

  1. Wind River hat mir gefallen, auch wenn ich dir selben Schwächen wie du kritisiere. Für mich der bisher beste Sheridanfilm. Bei Sicario hat mir das Feuer und die Spannung gefehlt, die ich eigentlich nur hundertprozentig in der Anfangssequenz gespürt habe. Zu dem Escobarfilm kann ich nichts sagen…
    Ich hatte letzte Woche nur Mission Impossible: Rogue Nation. Das Wetter war zu gut, aber der Film bleibt einer der besten der Reihe. 5 Sterne.

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    • Das stimmt, Sicario hat kein Feuer, aber genau in dieser Ruhe liegt die Kraft ^^
      Bei MI5 bin ich irgendwann in der Mitte weggenickt… nicht weil er langweilig war, ich war einfach nur verdammt müde. Vielleicht mache ich bei Gelegenheit mal einen MI-Marathon

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  2. Sicario wächst mit jedem Mal mehr und mausert sich bei mir zu Villeneuve’s vielleicht nicht besten, aber rundesten Film. Jedes Mal entdeckt man neue Kleinigkeiten die die Welt greifbar und die Figuren glaubhaft machen. Und die Atmosphäre, eine von Villeneuve’s Stärken, ist so dicht, dass man sie förmlich schneiden kann. Ein echter Stimmungsfilm mit einem unglaublichen Soundtrack.

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  3. Sicario fand ich deutlich schwächer als du. Immer noch ganz ok, für mich der schwächste Villeneuve, den ich bisher gesehen habe.

    Escobar kann ich nachvollziehen, wenngleich ich den einen Ticken besser als du in Erinnerung habe.

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  4. „Wind River“ fand ich okay, aber dann am ende einfach nicht packend genug. Diese ganze Ermittlung war dann doch weniger aufregend als gedacht. Dafür fand ich Renner echt super.

    Sicario ist der Film, den ich von Denis Villeneuve am wenigsten mag und trotzdem ist es ein Hammer-Film 🙂

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