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Shock and Awe

Rob Reiner, USA 2017

Wenn in diesem Jahr ein Film das Prädikat „Underrated“ verdient, dann ist es Shock and AweSchockierend am neuen Werk von Regisseur Rob Reiner (Harry und Sally, Das Beste kommt zum Schluss) ist dabei vor allem das kaum vorhandene, überwiegend negative Kritikerecho. Kaum eine Rezension findet sich im deutschen Sprachraum, kaum eine Wertung kommt über „Durchschnittlich“ heraus.

Um das gleich zu Beginn loszuwerden: Shock and Awe ist kein perfekter Film. Schon die ersten Minuten verdeutlichen das größte Problem, das dieser Film hat: ein Übermaß an Pathos. Eine US-Flagge weht müde im Gegenlicht, Trompeten säuseln eine melancholische Hymne. Ein junger Soldat sitzt im Rollstuhl, sagt vor Gericht aus. Er berichtet von seinem Einsatz im Irak, wie er seine Beine durch eine Mine verlor und endet mit den Worten: „Wie konnte das nur passieren?“ Ein Hauch Der Soldat James Ryan weht durch den Raum.

Reiner führt uns damit aber in die Irre. Der junge Soldat (Luke Tennie) bekommt fortan nur noch einige kurze Szenen spendiert. Die eigentliche Fokus des Film liegt auf dem Reporter-Duo Jonathan Landy (Woody Harrelson) und Warren Strobel (James Marsden), deren Geschichte am 11. September 2001 beginnt. Infolge der Anschläge auf das World Trade Center recherchieren die beiden Journalisten zu den Plänen der Bush-Regierung, unter dem Vorwand, Saddam Hussein hätte Massenvernichtungswaffen, in den Irak einzumarschieren.

 

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Während sich die restliche Presse – so zumindest stellt es der Film dar – als Kriegstreiber profiliert und kaum Zweifel an den Aussagen von Bush, Rumsfeld, Cheney und Co. äußert, stehen Landy und Strobel als einsame Wölfe da, sprechen mit Insidern, decken Lügen auf und brechen gemeinsam mit ihrem Boss (gespielt von Rob Reiner selbst) auch die ein oder andere Regel, um ein öffentliches Korrektiv zu bilden.

Viele Kritiken bemühen den Vergleich zu Spotlight. Freilich kommt Shock and Awe nicht an dessen Charakterzeichnung, Pathosarmut und inhaltliche Brisanz heran. Spotlight schaffte, was Jahre zuvor auch seinen Protagonisten gelang: Die öffentliche Aufmerksamkeit (erneut) auf einen riesigen Skandal zu richten. Die Mär von irakischen Atomwaffen und die Lügen der damaligen Regierung hingegen sind allseits bekannt.

Hinzu kommt, dass Reiner eine klare Agenda hat, die er hier mit aller Macht durchdrücken will: Pro kritische Presse, contra blindes Vertrauen gegenüber der Regierung, inklusive zahlloser Querverweise auf die aktuelle Situation in den USA. Und doch will der Vergleich mit Spotlight nicht wirklich greifen, vielmehr erinnert Shock and Awe mit seinem Protagonisten-Duo und in seinem gesamten Aufbau an All the President’s Men. Nicht umsonst finden Woodward und Bernstein regelmäßig Erwähnung.

Und so wirkt all der Pathos plötzlich weit weniger aufdringlich, denn er ist trotz allem einer, der sich selbst und den Entwicklungen innerhalb der USA kritisch gegenüber steht. Möglicherweise ist die negative Resonanz auf Shock and Awe deshalb auch dem gekränkten Selbstbewusstsein des amerikanischen Publikums geschuldet…

Zweifellos sind auch andere Kritikpunkte angebracht. Die Story des jungen Soldaten verkommt bald zur Nebensächlichkeit, ihr Finale geht weitgehend spurlos an einem vorbei. Auch interessiert sich Reiner kein bisschen für die Perspektive des angegriffenen Landes, sondern sorgt sich ausschließlich um das Leben amerikanischer Soldaten. Und der ideologische Filter, der die Darstellung der journalistischen Arbeit überdeckt, hätte deutlich ausfallen können. Und doch muss ich abschließend zu einem Fazit kommen, das vielleicht überrascht: Shock and Awe ist besser als Die Verlegerin.

Bilder & Trailer: (c) EuroVideo

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