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Im Kino: Bohemian Rhapsody

Bryan Singer, USA/UK 2018

Wie verdichtet man die 25-jährige Geschichte einer der schillerndsten Rockbands des 20. Jahrhunderts auf Filmlänge? Indem man einige Episoden konsequent rafft, zusammenfasst oder schlicht streicht. Und vor allem, indem man den Fokus auf den einen, entscheidenden Punkt richtet. Im Falle von Bohemian Rhapsody ist dieser Punkt – wenig überraschend – Sänger und Frontmann Freddie Mercury.

Bohemian Rhapsody ist deshalb auch weniger ein Film über Queen als vielmehr ein konventionelles Biopic über Mercury, verkörpert von Rami Malik, und das in einer oscarreifen Performance. Von Beginn an hat seine Darstellung etwas Einnehmendes. Der mit Zahnprotese ausgestattete Schauspieler mag nicht das körperliche Volumen von Mercury besitzen, gleicht das aber durch eine umso expressivere Körpersprache aus. Wenn er die großen Auftritte des Quartetts auf den Bühnen dieser Welt – vom kleinen Club in der englischen Provinz über Rio und Tokyo bis zum Live-Aid-Auftritt in London – nachahmt, dann nicht nur originalgetreu, sondern auch mit einem Elan, dessen mitreißende Kraft seinesgleichen sucht. Und selbst dazwischen, in den ruhigeren Momenten, in den Gesprächen und Streitereien mit Bandmitgliedern, Freunden, Inspirationsquellen und Managern hängt man an seinen Lippen.

So interessant die Persona des Freddie Mercury, seine subversiv-provokante, rebellische Art, seine kreativen Exzesse, sein kometenhafter Aufstieg und sein unvermeidlicher zwischenzeitlicher Absturz aber auch sind, so schade ist es, dass den anderen Protagonisten dieser Geschichte so wenig Platz eingeräumt wird. Mercurys Weggefährten Roger Taylor (Ben Hardy), Brian May (Gwinlym Lee) und John Deacon (Jospeh Mazello) bleiben Randfiguren. So dienen sie im Wesentlichen als Katalysatoren für Mercurys Entwicklung, stellen das bodenständige Gegengewicht zur abgehobenen Starattitüde des Frontmanns dar und holen ihn immer wieder in die Realität zurück. So wichtig sie also für die Handlung sind, so marginal fallen leider ihre Rollen aus.

Viele relevante Passagen der Bandgeschichte sind zum Zwecke einer erträglichen Lauflänge (135 Minuten) ebenfalls Opfer des Schnitts geworden. So wird der Entstehung des titelgebenden Songs dieselbe Zeit eingeräumt wie der immerhin sechsjährigen Auszeit der Band. Die Drogen- und Sexeskapaden der Hauptfigur werden zu einer undurchsichtigen Montage verdichtet, gleiches gilt für den kommerziellen Aufstieg des Quartetts nach dem Erscheinen des zweiten Albums.

All diese Mängel sind aber vergessen, sobald wieder das im Mittelpunkt steht, um was sich hier alles dreht: die Musik. Natürlich hatte es Regisseur Bryan Singer hier mehr als einfach, konnte er doch auf ein riesiges Repertoire grandioser Songs zurückgreifen. Und jedes Mal – also wirklich jedes Mal – wenn die großen Stücke im Studio, auf der Bühne oder schlicht im Hintergrund erklingen, vollbringt Singer die Großtat, das zu absoluten Gänsehautmomenten zu machen. Das gilt selbst für solch überspielte Lieder wie „We are the Champions“ oder „We will rock you“.

Das Ganze kumuliert in einem der kraftvollsten Finale, die der Musikfilm je hervorgebracht hat. Nachdem Singer den Ballast der bandinternen Probleme sowie Mercurys AIDS-Erkrankung erzählerisch abgehakt hat, widmet er sich in den letzten 15 Minuten einer nahezu originalgetreuen Nachbildung des Live-Aid-Auftritts, der einerseits ganz die Musik in den Fokus rückt, andererseits durch das zuvor erlebte jedoch ganz andere Bedeutungspotenziale entfaltet als ein simpler TV-Mitschnitt. Spätestens mit diesem Finale verdient sich Bohemian Rhapsody trotz seiner Schwächen das Prädikat „absolut sehenswert“.

Mit freundlicher Unterstützung des Regina Palastes Leipzig!

Bilder & Trailer: (c) 20th Century Fox

7 Kommentare zu „Im Kino: Bohemian Rhapsody Hinterlasse einen Kommentar

  1. Oh ja, will ich unbedingt sehen, auch wenn es am Ende nur ein konventionelles Biopic ist. Malek sieht aber auch schon in den Trailern einfach nur spitze aus. Obwohl ich dennoch gerne irgendwie die Variante mit Sacha Baron Cohen gesehen hätte. Das wäre ja wohl definitiv kein konventionelles Biopic geworden, was man so liest.

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  2. Ja, bei Cohen sollten mehr die Eskapaden und Ausschweifungen Mercurys im Fokus stehen. Sicher nicht uninteressant, aber letztlich aus meiner Sicht verzichtbar. Der Film ist -wenn man das Chronistische mal nicht ganz so eng sieht- gut so wie er ist. Ich hatte schon lange im Kino nicht mehr so viele Momente, die mich wirklich so bewegt man. Mehr möchte ich als Mann dazu nicht sagen 😊

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  3. Mein Kinobesuch steht noch aus, aber wenn ich schon von einer sechsjährigen Bandpause höre, klingt das nach einer sehr freien Variation und das macht mir ein wenig Sorge, auch wenn die Trailer sehr gut waren…

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