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Black Mirror: Bandersnatch

David Slade, UK 2018

Ein Phantom begleitet das Fernsehenseit den 90er Jahren. Sein Name: „Interaktivität“. Von den zögerlichen Anfängen mit optionalen Zusatzinformationen über Quizformate bis hin zur Zuschauerentscheidung über das Gerichtsurteil im 2016 ausgestrahlten Fernsehfilm Terror haben TV-Macher immer wieder versucht, eines der elementaren Gesetze des passivsten aller linearen Unterhaltungmedien aufzubrechen: den Zuschauer zum Mit-Autor zu machen.

Im Zeitalter des Digitalen, des neuen Global Players Netflix und des Formats Black Mirror, das sich zur Spielwiese dystopischer Zukunftsvisionen entwickelt hat, war es nur eine Frage der Zeit, bis da ein neuer Versuch unternommen werden würde. Das Ergebnis heißt Bandersnatch und klingt zunächst vielversprechend: Wir begleiten den enthusiastischen Programmierer Stefan Butler (Fionn Whitehead) bei seinem Versuch, ein interaktives Abenteuerbuch in ein Videospiel zu verwandeln – und damit entlang eines Pfades, der ihn allmählich in den Wahnsinn treibt.

Die Grenzen zwischen den verschiedenen Medien – Fernsehen, Spiel, Buch – sind dabei fließend. Oder zumindest weniger eindeutig, als dies sonst der Fall ist. Ein durchaus interessanter Ansatz, der aber bereits nach zehn Minuten für die erste große Ernüchterung sorgt. Fallen die ersten beiden Entscheidungen (Welche Cronflakes willst du? Welche Musik soll gespielt werden?) noch reichlich banal aus, geht es bei der dritten endlich mal um etwas: Den Job annehmen oder nicht?

Jetzt gilts also – in welche Richtung wird sich die Story entwickeln? Die sich aufbauende Spannung wird aber jäh im Keim erstickt, als sich herausstellt, dass es keine zwei Pfade, sondern nur eine richtige und eine falsche Antwort gibt. Wer letztere wählt, beginnt einfach von vorn. Und das ist nicht das einzige Mal: Immer wieder sind es gerade die vermeintlich richtungsweisenden Entscheidungen, von denen nur die richtige die Story fortführt, während die andere in eine Sackgasse mündet und einen Neustart von einem früheren Handlungspunkt aus zur Folge hat.

Bandersnatch gibt sich redlich Mühe, dieses konzeptionelle Versagen zu kaschieren: kleine Abänderungen in den Wiederholungen, Meta-Kommentare („Haben wir das nicht schon mal erlebt?“), Lösungswege, die sich erst nach mehrfachem Scheitern eröffnen. Mit viel gutem Willen kann man Bandersnatch durchaus attestieren, ein cleveres Experiment zu sein, das den kognitiven Verfall seines Protagonisten formal zu repräsentieren weiß. Eines, dass den Zuschauer einbindet und ihm ein (nicht wirklich) neuartiges narratives Erlebnis präsentiert, bei dem er – so wie beim Geschichtenerzählen am Lagerfeuer – zwar keine Kontrolle über den grundlegenden Verlauf und den Ausgang der Handlung hat; bei dem aber allein die Suggestion von Einflussnahme einen Mehrwert bietet.

So sehr man das aber auch honorieren kann, so ungeschickt stellt sich Bandersnatch dabei an. Das ständige Wiederholen von bereits Gezeigtem; die zwar mit netten Ansätzen gespickten, letztlich aber nur verwirrende Handlung; das Durchbrechen der vierten Wand, als der Zuschauer plötzlich in eine Art Dialog mit dem Protagonisten einsteigt und sich als (vermeintlich) treibende und kontrollierende Instanz seines Lebens outet (Meta-Spielchen, die in Videospielen durchaus Relevanz haben, bei einer Serie aber reichlich konstruiert anmuten) – all das kommt nicht über ein „gut gemeint“ hinaus. Dass Inszenierung und Schauspiel ebenfalls alles andere als begeistern können, macht es nicht besser.

Bilder & Trailer: (c) Netflix

 

8 Kommentare zu „Black Mirror: Bandersnatch Hinterlasse einen Kommentar

  1. Ich wollte das auch erst starten aber ich habe schon mehrfach gelesen, es funktioniert nach dem „Game over“ Prinzip. Bitte fange neu an.
    Das reizt mich deswegen gar nicht mehr und so werde ich dieses Bandersnatch auslassen.
    Black Mirror selber hatte ein paar wirklich gute und tiefgehende Episoden.

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    • Die Qualität der Folgen schwankt leider sehr. In dem Fall würde ich die aber trotz der negativen Stimmen raten, mal einen Versuch zu wagen, wenn du Luft hast. Interaktive Formate haben ja die Eigenschaft, dass sie jeder auf seine Weise erlebt

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  2. Ich habe den auch letztens mit ein paar Freunden gesehen? gespielt? geinteraktet. Ich hatte schon den Eindruck es gibt eine ordentliche Verästelung und nicht nur Sackgassen und richtige Wege (außer zum Ende hin, siehe unten). Das ist aber auch ein Stück meines Problems mit dem Ding. Was will es mir eigentlich sagen? Frei nach ‚Time Bandits‘ „irgendwas mit freiem Willen“ nehme ich an. Aber genau weil man so viel Quatsch machen kann

    SPOILER SPOILER SPOILER

    sich mit der Therapeutin prügeln und das Ganze als Film enttarnen, sich als Netflix-Zuschauer erkennen geben, den Vater ermorden (Game Over, wenn man ihn nicht zerstückelt!) wirkt das Ganze reichlich beliebig.

    Das ist aber überhaupt häufig mein Problem mit Black Mirror. Wenn sich Folgen für so clever halten, dass sie schon die Ehrenrunde drehen, bevor sie eigentlich ins Ziel gekommen sind.

    Aber ich (und qasi alle anderen die dabei waren, außer dem der sich beruflich mit interaktivem Storytelling beschäftigt) waren gegen Ende durch die häufigen game Overs und damit verbundene Wiederholungen ernstlich frustriert. Ich frage mich, wie viele Zuschauer das wirklich bis zu einem befriedigenden (Happy gibts bei BM ja nicht) Ende durchprobieren.

    PS: ob wohl das Cornflakes Ding am Anfang ganz billige Marktforschung war?

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    • Es hatte schon einige nette inhaltliche Ansätze, unter anderem das mit dem freien Willen oder auch die Frage, ob es sowas wie Kausalität wirklich gibt oder nicht alles willkürlich ist – gerade was das Erzählen von Geschichten betrifft. Aber wirklich konkret wurde es eben auch nie…

      Soweit ich das richtig verstanden habe, gibt es aber schon ein richtiges Ende, auf das die Folge hinaus will. Also jenes, bei dem der Abspann anläuft. Bei allen anderen möglichen Enden, die ich erreicht habe, hätte ich zwar auch die Möglichkeit, den Abspann anzusehen, konnte aber auch zurückspringen. Für mich ein Indiz, dass ich das richtige Ende nicht erreicht habe.

      Und ja, das mit den Cornflakes könnte man wohl unter Marktforschung verbuchen 😄

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      • Mhh, an den Abspann kann ich mich nicht erinnern. Bei uns hat aber das Spiel 5/5 Punkten bekommen, was wir uns gegen Ende als Ziel gesetzt haben. 😉

        Oh warte, ich glaube wir hatten doch das „richtige“ Ende, weil auch noch eine Szene kam, dass jemand das Buch jetzt als Film umsetzen wollte!

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