I am not your Negro

Raoul Peck, FRA/USA/BEL/CHE 2017

Zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass mir der Name James Baldwin bisher unbekannt war. Dabei wird der 1924 in Harlem Geborenen auf Wikipedia als einer „der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Das ist allerdings nicht die einzige meiner geistigen Lücken, den I am not your Negro zu füllen wusste. Die Mischung aus Dokumentar- und Essayfilm hangelt sich an einem unvollendeten Manuskript Baldwins entlang, in dem er seinen Gedanken zur Bürgerrechtsbewegung, zum Verhältnis von Weißen und Schwarzen, dem strukturellen Rassismus in den USA und der soziokulturellen Prägung ihrer Bevölkerung Ausdruck verleiht.

Das tut er mit einer derart prägnanten und pointierten Sprache, dass I am not your Negro zu einem wahren Zitatefeuerwerk wird. Es fallen Sätze wie „Wenn man aufsteht und versucht der Welt ins Gesicht zu sehen, als hätte man ein Recht hier zu sein, greift man die gesamte Machtstruktur der westlichen Welt an.“ Oder: „Wenn irgendein Weißer auf der Welt sagt: ‚Gebt mit die Freiheit oder gebt mir den Tod‘, applaudiert die gesamte weiße Welt. Wenn ein Schwarzer genau das gleiche sagt, wird er als Verbrecher betrachtet und behandelt.“ Baldwins Worte sind ebenso poetisch wie scharfsinnig, sein Weltbild ist von einem ehrlichen Humanismus geprägt, der die Schuld nicht bei „den Weißen“, sondern im System sieht, dem sich niemand entziehen kann, das es aber dennoch zu durchbrechen gilt. Das ist heute nicht weniger aktuell als vor 50 Jahren.

Baldwins Gedanken sind die Knochen und das Fleisch dieses Films. Seine Haut sind die zahllosen Interview- und Archivaufnahmen, die Fotografien und historischen Dokumente, die I am not your Negro zu einer sehenswerten Collage machen. Dass der Film derzeit über die Webseite des Bundeszentrale für politische Bildung zu sehen ist, mag vielleicht ungewöhnlich anmuten – letztlich ist er an dieser Stelle aber genau richtig aufgehoben. Unbedingt anschauen, solange er dort noch online ist.

imdb / Trailer

Bild: (c) Edition Salzgeber

Comments

7 Antworten zu „I am not your Negro”.

  1. Avatar von ainu89

    Wow, danke für den Tipp…dass es solche Filme gibt, ist gerade heutzutage wieder unglaublich wichtig und dass sie sogar auf einer offiziellen Website des Bundes online gestellt werden ist eine hervorragende Sache

    Gefällt 1 Person

    1. Avatar von christianneffe

      Die stellen dort wohl regelmäßig Dokumentationen rein. Aber diese hier ist wirklich extremst sehenswert! 🙂

      Gefällt 1 Person

      1. Avatar von ainu89

        Muss ich direkt mal im Auge behalten…

        Gefällt 1 Person

  2. Avatar von flightattendantlovesmovies

    Oh, den wollte ich eigentlich schon vor 2 Jahren sehen als er für den Oscar nominiert wurde. Jetzt, nachdem ich „If Beale Street Could Talk“ gesehen habe, muss ich diese Filmlücke natürlich erst recht füllen.

    Gefällt 1 Person

    1. Avatar von christianneffe

      Du Glückliche, dass du den schon gesehen hast… Hierzulande müssen wir ja noch 3 Wochen warten 😩
      Aber ja, am besten noch schnell gucken bevor er wieder offline ist

      Gefällt 1 Person

  3. Avatar von flightattendantlovesmovies

    Danke für den Link übrigens, werde ich mal checken.

    Ja, soweit ich weiß kommt er sogar erst am 7.3. offiziell ins Kino.

    Gefällt 1 Person

  4. Avatar von Beale Street – audiovisuell

    […] der Roman If Beale Street could talk des afroamerikanischen Schriftstellers und Essayisten James Baldwin, dem er zumindest in großen Teilen treu bleibt. Beale Street ist ein Charakter- und […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..