Vice, Adam McKay, USA 2018
Schon in seinem letzten Film The Big Short bewies Regisseur Adam McKay viel Kreativität und Witz bei der filmischen Aufarbeitung eines komplexen, historischen Ereignisses – der weltweiten Bankenkrise 2008 – und konnte dem Zuschauer das Thema gleichsam unterhaltsam wie auch intelligent vermitteln. Sein aktuelles Werk Vice zeigt im direkten Vergleich die exakt selben Stärken, quantitativ jedoch um ein Vielfaches potenziert. Das Ergebnis ist eine ganz großes Highlight des frühen Kinojahres 2019.
Im Zentrum von Vice steht das Leben und Wirken von Dick Cheney, von 2001 bis 2009 US-Vizepräsident und George W. Bush und schon damals als heimlicher Strippenzieher der Regierung bekannt. Wie viele Fäden Cheney jedoch in Händen hatte und wie fest er an diesen zog, das versucht Adam McKay nun zu ergründen. Dabei schrammt er gleichsam an der Grenze zur filmischen Reportage wie auch zur astreinen Satire entlang. Penibel recherchierte Fakten und Archivaufnahmen sorgen für Authentizität – der rotzige Erzählton und viele kleine Spielereien mit filmischen Elementen für den Unterhaltungswert.
In der Tat fällt es im Nachhinein schwer, einzelne memorable Szenen zu benennen – schlicht weil es so viele davon gibt. Da ist ein Dinner, bei dem auf überaus zynische Weise Folter- und Überwachungsgesetze serviert werden. Da gibt es einen Ausflug in ein Shakespeare-Drama oder einen falschen Abspann in der Filmmitte. Und da scheidet der Off-Erzähler vollkommen unerwartet aus der Geschichte aus. Kurzum: Vice kommt alle paar Minuten mit einer neuen, verrückten Idee daher, die den Zuschauer aus der Illusion reißt und ihn Reflexion des Dargestellten zwingt.
So großartig das vielfach aber auch ist, so sehr überlädt es die Geschichte auch. Vice ist ein Monster von einem Film, komprimiert er doch 40 Jahre US-Politik auf zwei Stunden Laufzeit und eine Handvoll Männer. Zu denen zählt unter anderem ein großartiger, verabscheuungswürdiger Steve Carell als Donald Rumsfeld und ein zwar unterpräsenter, nichtsdestotrotz herrlich-dümmlicher Sam Rockwell als US-Präsident Bush. Nicht zu vergessen: Hauptdarsteller Christian Bale, der mit seiner Rolle geradezu verschmilzt und schon nach kurzer Zeit vollkommen unter der fantastischen Maske verschwindet.
Spätestens wenn die Amtseinführung von Barack Obama als kathartischer Moment inszeniert wird, wird klar, dass Vice eine eindeutige politische Richtung verfolgt. Wenn es darum geht, Cheneys Machenschaften und deren langjährige Auswirkungen aufzuzeigen, macht er jedenfalls keine Gefangenen, auch wenn das mehr als nur einmal reichlich überspitzt wird. Eine nüchterne Biografie-Verfilmung ist Vice jedenfalls nicht – will er aber auch gar nicht sein, wie der schwarzhumorige Unterton deutlich macht. Genau dieser Ton ist es jedoch, der im Zusammenspiel mit den grandiosen Darstellern und der ebenso kreativen wie souveränen Regie für ein überwältigendes filmisches Erlebnis sorgt.
Mit freundlicher Unterstützung des Regina Palastes Leipzig!
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