Im Kino: Beach Bum

The Beach Bum, Harmony Korine, FRA/GB/CHF/USA 2019
Manchmal (wahrscheinlich sogar öfter, als man glaubt) braucht es kein „High Concept“, keine ausgefeilte, von Twists durchzogene Geschichte und keine überbordenden Computereffekte, damit ein guter Film entsteht. Manchmal reicht einfach ein Matthew McConaughey, der im Vollsuff und zu wohlig-entspannter Musik über einen Strand läuft und Dummheiten macht. So zu sehen im neuen Film von Harmony Korine.
Der hatte vor fünf Jahren mit Spring Breakers eine meta-modernes Meisterwerk geschaffen, einen surrealen Drogentrip in 16:9, der die wilden Strandparties Floridas in einem brutalen, neonlicht-durchfluteten Massaker gipfeln ließ. Beach Bum hat damit wenig zu tun: Die martialische Aufmachung ist einer seichten, lebensbejahenden Geschichte gewichen, die so hauchdünn ist wie das Papier, mit dem Moondog (McConaughey) hier seine Joints dreht. Der verkörpert eine Art Penner-Poeten, welcher sich in Key West und Miami herumtreibt und längst eine lokale Legende geworden ist. Als seine wohlhabende Frau (Isla Fisher), die ihm diesen Lebensstil finanziert, bei einem Autounfall ums Leben kommt, muss Moondog endlich seinen neuen Roman fertigstellen, um an seinen Erbanteil zu kommen. So verlangt es das Testament.

Auftakt für ein halbes Dutzend Episoden, in denen der Protagonist mit verschiedensten Charakteren zusammentrifft. Unter anderem einer geistig verwirrten Abwandlung von Zac Efrons Figur aus Baywatch, einem Delfin-Sexperten gespielt von Martin Lawrence, oder Snoop Dogg, der sich einfach nur selbst verkörpert, was ja schon ausreicht. Allesamt sind sie absurd, allesamt sind sie höchst unterhaltsam, allesamt spiegeln sie ein Lebensgefühl wieder, das uns Europäern fremd sein dürfte: das ziel- und streblose Herumlungern in der Sonne, der pure Hedonismus samt exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum, umgeben von halb- bis gänzlich nackten Frauen. Jammen, Alltags-Philosophie und seltsame, äußerst explizite „Poesie“ dominieren darin den Alltag.
Beach Bum hat auf den ersten Blick wenig zu erzählen, geniert sich vielmehr als Lifestyle-Film. Regisseur Korine hat die Atmosphäre und Stimmung in Florida hier in 95 Minuten Laufzeit verdichtet, garniert das Ganze mit knalligen Farben, die im Sonnenschein bestens zur Geltung kommen, und einem Soundtrack, der den Fuß mehr als nur einmal mitwippen lässt. Doch unter der Oberfläche schlummert – wie schon in Springbreakers – tatsächlich so etwas wie eine Botschaft. Eine lebensbejahende und zur Freude aufrufende. Eine, die dafür plädiert, das Leben zu genießen und nicht in selbstzweckhafter Arbeit zu ersticken.
Ach ja: Matthew McConaughey ist dabei schlicht großartig. Wer es schafft, nur mit einer Gasmaske und einer Badehose bekleidet auf einem Fahrrad durch den Vorgarten zu cruisen und dabei derart natürlich zu wirken, kann nur brillant sein. Ganz zu schweigen davon, dass man ihm anmerkt, wie viel Spaß er hatte. Große Empfehlung also für Beach Bum – wahrscheinlich eines der Kinojuwelen des Jahres 2019, das viel zu wenig Beachtung finden werden.
Danke für die tolle Rezension…ich hab morgen nämlich Kinoabend und überlegt was ich mir anschauen soll und dank dieses Beitrags ist die Wahl auf Beach Bum gefallen 😉
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Na wenigstens ein Leser, den ich mal überzeugen konnte ^^
Spaß beiseite. Freue mich sehr, dass dein Interesse geweckt wurde – und bin gespannt darauf, deine Meinung zu lesen 😉
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Ich habe THE BEACH BUM in der Sneak gesehen und ich war da weniger begeistert. Nachdem der Film (endlich!) fertig war, haben meine Begleiter und ich noch kurz vor dem Kino drüber diskutiert und unser Hauptkritikpunkt war die fehlende Charakterentwicklung.
Am Anfang des Films nimmt Moondog Drogen, hat Sex und schreibt Gedichte. Am Ende des Films nimmt Moondog immer noch Drogen, hat immer noch Sex und schreibt immer noch Gedichte. Und dazwischen passiert auch nichts Weltbewegendes. Selbst der Tod der Frau, der ja vielleicht in anderen Filmen zu einem „Jetzt muss ich aber mal was ändern“-Modus führen würde, verpufft im luftleeren Raum. Und Drogenkonsum als „Freude am Leben“-Botschaft zu deuten, finde ich da auch äußerst zweifelhaft.
Schauspielerisch ist Herr McConaughey natürlich großartig, aber der Film hat für mich keine Botschaft. Auf mich wirkt er eher wie ein L’art-pour-L’art-Film.
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Ich kann deine Punkte nachvollziehen, bin ich da aber anderer Ansicht. Ich sehe da durchaus eine gewisse Charakterentwicklung, wenn er am Ende komplett auf das Geld pfeift, dass er vorher so dringend haben wollte. Ja, im Vergleich zu anderen Filmen, ist die Entwicklung marginal. Aber dadurch hebt er sich m.E. eben auch schön von jenen anderen Werken ab.
Was den Drogenkonsum betrifft: Auch den Punkt sehe ich. Und Beach Bum schrammt da ein ums andere mal auch an der Glorifizierung vorbei. Davon abgesehen, dass ich aber glaube, dass man das durchaus ambivalent sehen kann, geht es mir vor allem um den Moment, in dem er berichtet, was er für ein Leben führen will. Bis dahin war ich auch der Meinung, dass er ein reichlich asozialer Penner ist. Aber das Argument, dass er sein Leben ausschöpfen und genießen will, hat mich nochmal umdenken lassen. Die Figur ist da natürlich extrem, aber gerade deswegen hat es für mich funktioniert.
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