David Kajganich, USA 2018
Das Jahr 1846. Voller enthusiastischem Selbstbewusstsein brechen zwei Schiffe der britischen Navy auf, um einen der letzten weißen Flecken auf der Weltkarte zu erkunden: die Nordwest-Passage in den arktischen Gewässern Nordamerikas. Die Expedition der HMS Erebus unter Kommando von John Franklin (Ciarán Hinds) und der HMS Terror unter Francis Crozier (Jared Harris) mit mehr als 130 Mann Besatzung und einem Proviant für drei Jahre wird als eine der größten Katastrophen der englischen Schifffahrt in die Geschichtsbücher eingehen. Die erste Staffel der AMC-Serie The Terror erzählt diese Geschichte nach dem gleichnamigen Roman von Dan Simmons – inklusive dessen phantastischer Elemente.
Schon in der ersten Folge deutet sich das Unheil an. Franklin unterschätzt die Unberechenbarkeit der Arktis – die Schiffe werden im Packeis eingeschlossen. Zum Nichtstun verdammt, verbringt die Crew daraufhin zwei Winter in den eisigen Weiten und wird nicht nur von einer schleichenden Krankheit geplagt, deren Ursache wohl in den gelagerten Konservendosen zu finden ist. Nach dem Kontakt mit zwei Inuit scheinen sie außerdem von einem bärenartigen Monster heimgesucht zu werden, das die Mannschaft immer weiter dezimiert. Irgendwann halten Wahnsinn und Paranoia Einzug – die größte Bedrohung ist bald ist nicht mehr die Natur, sondern der Mann nebenan.
In zehn packenden Episoden erzählt The Terror eine Geschichte menschlicher, speziell westlicher Hybris. Die Handlung konzentriert sich auf wenige, entscheidende Akteure: Neben den Kapitänen sind dies der nach Ruhm gierende James Fitzjames (Tobias Menzies), der erfahrene Offizier Thomas Blanky (Ian Hart), der Assistent des Schiffsartzes, Harry Goodsir (Paul Ready) und der unscheinbare Seemann Cornelius Hickey (Adam Nagaitis). Jeder hat seine Rolle auf dem Schiff zu erfüllen, jeder muss seine persönlichen Dämonen überwinden. Interne und externe Konflikte treiben die Handlung in eher gemächlichem Tempo voran, stets arbeitet The Terror mit Andeutungen und baut Mysterien auf, von denen am Ende auch nicht alle aufgelöst werden.
In Verbindung mit dem eingeschränkten Schauplatz und den ausufernden Gewalt- und Grenzerfahrungen werden die zehn Episoden so jedoch zu einem extrem intensiven und atmosphärischen Erlebnis. Nur zwei größere Kritikpunkte muss sich die Serie gefallen lassen. Zum einen die regelmäßigen (wohl durch Werbepausen bedingten) Schwarzblenden, die den Erzählfluss stören. Zum anderen die Tatsache, dass die Schiffe bis zum Schluss nicht zur greifbaren Schauplätzen werden, sondern stets wie Kulissen wirken – trotz ihrer authentischen Ausstattung.
Angesichts all der Stärken – Schauspieler, Set-Design, Cinematografie und Musik, die zum Schneiden dichte Atmosphäre und nicht zuletzt der real-historische Hintergrund – rücken diese Problemchen aber weit in den Hintergrund. The Terror ist eine extrem packende Serie, die den Irrglauben der menschliche Überlegenheit gegenüber der Natur vollkommen dekonstruiert und uns ordentlich das Fürchten lehrt. Nicht nur vor Monstern im Schnee, sondern vor allem vor der Unbarmherzigkeit der Wildnis.
The Terror ist in Deutschland auf Amazon Prime Video verfügbar. Die zweite Staffel der Anthologie-Serie soll im August starten und im zweiten Weltkrieg spielen.
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