Beale Street

If Beale Street could talk, Barry Jenkins, USA 2018 – Mit dem zweiten Spielfilm direkt den Oscar für den besten Film zu kassieren- da liegt die Messlatte für alles weitere natürlich ziemlich hoch. Und tatsächlich kann Barry Jenkins mit seinem jüngsten Film auch nicht ganz an die Qualität von Moonlight anschließen. Was aber gar nicht schlimm ist, denn Beale Street ist trotz dessen ein äußerst sehenswertes Werk, mit dem Jenkins der zentralen Frage seines Schaffens treu bliebt: Was bedeutet es, als Schwarzer in Amerika aufzuwachsen?
Als Vorlage diente ihm diesmal der Roman If Beale Street could talk des afroamerikanischen Schriftstellers und Essayisten James Baldwin, dem er zumindest in großen Teilen treu bleibt. Beale Street ist ein Charakter- und Gesellschaftsporträt im Gewand eines Liebesdramas, das im Harlem der 1970er spielt. Das junge afroamerikanische Liebespaar Fonny (Stephan James) und Tish (KiKi Layne) wird auseinander gerissen, als Fonny fälschlicherweise einer Vergewaltigung verdächtigt wird und im Gefängnis landet. Die zwei Hauptbelastungszeugen sind ein rassistischer Polizist (herrlich widerwärtig: Ed Skrein) und eine Puerto Ricanerin (Emily Rios), die nach ihrer Aussage abgeschoben wird.

Obwohl die Vorwürfe nicht haltbar sind, versauert Fonny in der U-Haft und muss darauf hoffen, dass seine sowie Tishs Familie Beweise und Zeugen finden, die ihn entlasten. Was ihn davon abhält, seinen Lebenswillen zu verlieren, ist einzig Tishs Schwangerschaft. Mit der zieht sie jedoch den Zorn von Fonnys strenggläubiger Mutter (Aunjanue Ellis) auf sich, derweil ihre eigene Mutter (Oscar-prämiert: Regina King) alles nur Denkbare unternimmt, um Fonny zu helfen.
Die Struktur von Beale Street zeichnet sich durch einen permanenten Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit aus, was Fonnys und Tishs Beziehung wesentlich greifbarer macht, als in linear erzählten Romanzen. Jenkins zeigt ihren ersten Kuss, ihre erste gemeinsame Nacht, ihre Suche nach einer gemeinsamen Wohnung – und konterkariert diese emotionalen Beats mit eindrücklichen Dialogen im Besucherbereich des Gefängnisses oder Tishs schwierigem Alltag. Wenn die junge Schwarze aus dem Off von ihrer Arbeit in einer Parfümerie berichtet und davon, dass schwarze Kunden respektvoll mit ihr umgehen während weiße sie als dekoratives Element sehen, dann spielt Beale Street seine größten Stärken aus.
Der bodenständigen Sozial-Poesie eines James Baldwin werden in diesen Momenten wunderschöne, klare Aufnahmen beigemischt, die ästhetisch ebenso wie inhaltlich zu beeindrucken wissen. Baldwin und Jenkins schildern Ereignisse, die in dieser oder ähnlicher Weise wohl Tausenden Afroamerikanern geschehen sind und entblößen damit das rassistische und repressive Gesicht der USA der 1970er, das heute orange ist. Die kafkaesken Grundstimmung verleiht Beale Street eine Dringlichkeit, der das Erzähltempo allerdings nur teilweise gerecht wird. Nahaufnahmen, langsame Zooms und Kamerafahrten sorgen zwar für tolle, bisweilen grandiose Bilder. Doch insgesamt fehlt es dem Film an Tempo.
Bei dem melancholischen Tenor ist eine gewisse Entschleunigung natürlich angemessen. Und zu behaupten, Beale Street wäre langweilig, würde die Schwere der Themen und die Vielschichtigkeit der Figuren völlig verkennen. Dennoch hätte sich Jenkins ruhig etwas weniger Zeit nehmen können, um seine Geschichte zu erzählen. Denn trotz zahlreicher Stärken ist Beale Street etwas schwerfällig.
Beale Street erscheint am 30. August auf DVD und BluRay.