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Late Night

Nisha Ganatra, USA 2019 – Passé sind die Zeiten stilvoller Late-Night-Moderatoren vom Schlage eines David Letterman oder Harald Schmidt. Spitzfindiger politischer Humor hat inzwischen seine eigene Nische etabliert – siehe etwa John Olivers Last Week Tonight. Die klassische Late Night Show hingegen ist zum Tummelplatz für Marvel-PR und mäßig unterhaltsame Spielchen geworden, die immer „total spontan“ sind. (Gut, dass uns Jimmy Fallon immer wieder daran erinnert, wie spaßig das alles ist…) Wer ähnlicher Meinung ist, wird sich zu Beginn von Late Night pudelwohl fühlen, dürfte am Ende jedoch arg enttäuscht werden.

Mit viel Biss und Sarkasmus arbeitet sich der neue Film der kanadischen Regisseurin Nisha Ganatra am aktuellen Zustand der allabendlichen TV-Unterhaltung in den USA ab. Zumindest im ersten Drittel. Da gibt es platte Stand-Up-Comedians, die darüber witzeln, dass sie anderen in die Schuhe kacken, oder Youtube-Stars als Studiogäste, deren Geschichten kaum banaler sein könnte. Und mittendrin: die altehrwürdige Moderatorin Katherine Newbury (Emma Thompson). Seit 27 Jahren macht sie ihre eigene Show, doch die ruhmreichen Zeiten sind längst vorbei. Die Britin war einst bekannt für ihre politische Chuzpe, hinter den Kulissen aber ist sie zur zynischen Eigenbrötlerin geworden, die halt ihren Job macht und das alles scheinbar nur noch hinter sich bringen will. Die Show leidet darunter – qualitativ und Quoten-technisch.

Als einer ihrer Autoren (Katherine kennt nicht einmal die Namen ihrer ausschließlich männlichen Gag-Schreiber) gekündigt wird und eine Stelle vakant wird, soll diese unbedingt mit einer Frau besetzt werden. Großes Glück für Molly Patel (zugleich Drehbuch: Mindy Kaling): Die gutmütige junge Frau mit indischen Wurzeln bekommt den Job und muss sich im Writers Room künftig mit Klischees, Druck von oben und dummen Sprüchen ihrer Kollegen herumschlagen. Die sehen in Molly wenig mehr als ein Mittel zur Steigerung der (quasi nicht vorhandenen) Diversität im Büro. Noch schwieriger ist allerdings der Umgang mit Katherine, die sich partout nicht mit neuen Konzepten befassen will. Nicht einmal das Internet darf man in ihrer Gegenwart erwähnen.

Emma Thompson in „Late Night“. (c) 20th Century Fox

Late Night beginnt als leichte, bisweilen urkomische Persiflage auf die US-amerikanische Unterhaltungsbranche und arbeitet sich dabei an solch zeitkritischen Themen wie „white privilege“, Sexismus und #MeToo ab. Das Drehbuch sorgt für einige tolle Momente vor und hinter der Kamera. Je weiter der Film voranschreitet, desto tiefer greift er jedoch in die Klischee-Kiste. Während Late Night diverse Stereotype und Klischees aufs Korn nimmt, nutzt er selbst immer mehr davon.

Da sind zwar einerseits die, die die erst den Aufhänger der Geschichte bilden (etwa die debile Männerschaft, die hier ihr wohlverdientes Fett weg bekommt) – andererseits sind da aber auch die unfreiwillig genutzten Klischees. Die Story wandelt alsbald auf ausgetretenen Pfaden und wird völlig berechenbar: Wer nicht bereits nach 20 Minuten ahnt, dass der jüngste Quoten-Anstieg der Show mit einem Streit der zwei Hauptfiguren endet, nur um beide am Ende zu einer gemeinsam Katharsis zusammenzuführen, hat noch nie einen derartigen Film gesehen. Einige Wendungen kündigen sich an, andere wiederum kommen aus heiterem Himmel – allem voran die letzte. Der schnulzige Pop-Soundtrack ist eine Frechheit. Und am Ende, wenn das Team aus Menschen sämtlicher Ethnien und Geschlechter besteht, wird die (wenn auch gut gemeinte) Diversitäts-Keule derart ausladend geschwungen, dass man sich nur noch in Deckung begeben möchte.

So gut Late Night also auch beginnt, so rapide ist der Abstieg, den der Film respektive das Drehbuch in der zweiten Hälfte hinlegt. Nur ein Aspekt bleibt konstant großartig: Emma Thompson. Die 60-Jährige glänzt hier in jeder einzelnen Szene und verkörpert die abfällige Karrierefrau, die in die Öffentlichkeit stets ein anderes Gesicht aufsetzt und sich selbst wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten vorkommt, mit einer derart charismatischen Ausstrahlung und Körpersprache, dass es eine wahre Freude ist. So sehr es auch schmerzt, wie sehr Late Night sein Potential verschenkt, so sehr schafft es Thompson im Alleingang, diesen Film zu tragen und zu retten.

Bilder: (c) 20th Century Fox; Trailer: (c) Amazon Studios

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