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Marriage Story

Noah Baumbach, USA 2019 – Scheiden tut weh, wusste schon Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Wie schmerzhaft der Trennungsprozess nach einer langjährigen Beziehung sein kann, das müssen auch Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver) am eigenen Leib erleben. Noah Baumbachs Marriage Story zeichnet den Prozess ihrer Scheidung nach und erweist sich dabei als überaus ambivalentes Beziehungsporträt, das sämtliche Klischees clever umschifft.

Es beginnt mit einem Liebesgeständnis: Aus dem Off lesen Charlie und Nicole all die Dinge vor, die sie an ihrem Partner schätzen. Charlie etwa, so Nicole, sei erstaunlich eigenständig, achte auf die Ordnung im Haus und liebe an seiner Vaterschaft all die Dinge, die man eigentlich hassen müsste. Nicole wiederum komme bestens mit Menschen zurecht, nehme sich ausreichend Zeit um mit ihrem gemeinsamen Sohn Henry (Azhy Robertson) zu spielen und sei eine großartige Schauspielerin. Denn – das kommt noch hinzu und macht die Trennung nicht einfacher – beide arbeiten zusammen am Theater in New York: Charlie als Regisseur, Nicole als Darstellerin.

Dann der Cut – beide sitzen bei einem Paartherapeuten, der ihnen zuvor die Aufgabe gab, all die Dinge aufzuschreiben, die sie am anderen mögen. Baumbach verknüpft an dieser Stelle gekonnt Narration und Charakterisierung und kommt – zum Glück – den Rest dieses mehr als zweistündigen Scheidungsdramas ohne weitere Off-Erzählung aus. Stattdessen speist sich die Erzählung von Marriage Story fortan aus einer Vielzahl an mal cleveren, mal einfühlsamen, aber stets intelligenten Mono- und Dialogen. Das funktioniert nicht nur deshalb so gut, weil Baumbach (zugleich Drehbuchautor) hier ein unfassbares Gespür für authentischen Sprachgebrauch und Tempo beweist, sondern auch, weil er mit Driver und Johansson zwei Hauptakteure gefunden hat, die ihre Rollen bis zur Perfektion verkörpern und ausspielen.

Marriage Story greift dabei nie in die Klischeekiste, vermeidet fremdschämigen Humor, platte Pointen und kitschig-gefühlsduselige Momente, die man bei einem solchen Plot erwarten könnte. Vielmehr konfrontiert der Film sein Publikum auf clevere Weise mit eben jenen oberflächlichen Vorstellungen, die Scheidungsprozesse in der medialen Aufbearbeitung dominieren. Ursprünglich sollte diese Trennung nämlich ganz entspannt und zivilisiert ablaufen. Doch erst der Einfluss einiger Bekannter und vor allem der kampflustigen Anwälte (Laura Dern und Ray Liotta), die beide alsbald engagieren, lässt sich Situation emotional, persönlich und finanziell eskalieren. Was dabei etwas zu kurz kommt, ist die Gefühlswelt von Henry, der über wiete Strecken des Film mehr Objekt denn Subjekt ist. Wobei dies vermutlich exakt Baumbachs Absicht war.

Ja, auch Baumbachs neuester Film hat – in bester Woody-Allen-Manier – auch den ein oder anderen prätentiösen Moment zu bieten. Und doch trieft hier aus jeder Pore eine erfrischende emotionale Ehrlichkeit, die Johansson und vor allem Driver kongenial verkörpern. Wer sich an der Vielzahl an Dialogen und dem elitären Setting nicht stört (die meisten Figuren sind Teil der New Yorker Bohème), bekommt mit Marriage Story eine der feinfühligsten und ambivalentesten (Anti-)Romanzen der letzten Jahre serviert.

Bild: © Netflix

10 Kommentare zu „Marriage Story Hinterlasse einen Kommentar

      • Er hat sich halt eher in der Breite als grandioser Darsteller erwiesen – The Report, Star Wars, Marriage Story…. Aber Phoenix hat den Vorteil, dass er diese EINE Performance abgeliefert hat, durch die er es wahrscheinlich schaffen wird…

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      • Stimmt auch wieder. Er war mehr in aller Munde als Driver. Na, ich bin mal gespannt. In den USA hat man Joker ja am Ende doch kritischer betrachtet.

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  1. Die Streitszene in der neuen LA Wohnung von Charlie zwischen Johansson und Driver ist erste Sahne. Lange kein so gutes Schau- und Zusammenspiel der Akteure in einer derartigen Szene gesehen…

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