Sam Mendes, USA/UK 2019 – Nicht erst seit der Golden-Globe-Auszeichnung als bestes Drama umgibt Sam Mendes‘ 1917 ein riesiger Buzz. Schon zuvor machte der Kriegsfilm aufgrund seines inszenatorischen Konzepts von sich reden, ist er doch im Stile einer großen, durchgängigen Plansequenz angelegt. Darin liegt seine große Stärke – zugleich aber auch seine große Schwäche.
Es ist der 6. April 1917. Die britischen Unteroffiziere Blake (Dean-Charles Chapman) und Schofield (George MacKay) versuchen gerade, sich eine kurze Verschnaufpause von den Gefechten an der französischen Front zu verschaffen. Daraus wird jedoch nichts, denn ein Spezialauftrag von General Erinmore (Colin Firth) zwingt sie dazu, eine Odyssee durch das Kampfgebiet anzutreten. Blake und Schofield sollen ein Bataillon, das kurz davor ist in eine deutsche Falle zu laufen, vor eben dieser Falle bewahren. 1600 Leben stehen auf dem Spiel. Da alle Kommunikationskanäle zerstört wurden, müssen sie die Direktive über den Abbruch der britischen Offensive per pedes überbringen.
1917 ist – daran gibt es keinerlei Zweifel – eine inszenatorische wie konzeptionelle Meisterleistung. Der Film besteht aus zwei großen Schein-Plansequenzen: Die Übergänge zwischen den penibel arrangierten One-Shots werden bestens kaschiert und nur einmal wird diese Illusion durch einen bewussten Schnitt unterbrochen. Das detaillierte Setdesign, die gewaltige Anzahl der Statisten, die pointiert eingesetzte Musik und natürlich die brillanten Kamerafahrten von Roger Deakins – all das ist wahnsinnig beeindruckend und macht 1917 zu einer eindrucksvollen ästhetischen Kinoerfahrung.
Allerdings ist die Inszenierung derart monumental, dass sie alle anderen filmischen Aspekte gnadenlos überschattet. Die Charakterzeichnung fällt zu dünn aus, die Plotstruktur fühlt sich an, als wäre sie einem Videospiel entlehnt – und das nicht im positiven Sinne. Denn obwohl 1917 ein hohes Maß an Authentizität anstrebt (nicht zuletzt durch die Unmittelbarkeit und das Echtzeit-Gefühl des One-Shots), so umgibt das Konzept der Plansequenz doch stets der Hauch des Konstruierten und Künstlichen. Tatsächlich zieht die handwerkliche Ebene derart viel Aufmerksamkeit auf sich, dass es schwer bis unmöglich fällt, mit den Figuren zu korrespondieren, Gefühle zu entwickeln – und in diesem Film mehr als ein große Technik-Spielerei respektive -Demo zu sehen.
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Bild: © Universal
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