Jason Reitman, USA 2018 – Ein schwer erziehbarer, aggressiver Sohn, eine schweigsame Tochter und ein Ehemann (Ron Livingston), der völlig von seinem Job eingenommen wird, machen Marlo (Charlize Theron) bereits das Leben schwer. Nun steht noch ein drittes Kind ins Haus – und mit ihm kommt noch weniger Schlaf, noch mehr Stress und noch weniger Zeit für die eigene Selbstverwirklichung. Auf Anraten ihres Bruders (Mark Duplass) stellt die dreifache Mutter deshalb eine sogenannte Nacht-Nanny ein, die sich um das Neugeborene kümmert, sobald es dunkel wird. Doch die junge Frau namens Tully (Mackenzie Davis) erweist sich bereits bei ihrem ersten Besuch als mehr denn nur eine Aushilfe für die Kinderbetreuung. Mit ihrer wilden, lebensfrohen und -bejahenden Art, ihrer Freimütigkeit, ihrer erfrischenden, jugendlichen Unbeschwertheit und einer dennoch vorhandenen Weisheit wird Tully bald zu Marlos bester Freundin und gibt ihr wieder Energie für den Alltag.
Tully tänzelt leichtfüßig auf der schmalen Grenze zwischen Familien-/Mutterschafts-Drama und Komödie – und kann tatsächlich das Beste aus beiden Genres miteinander verbinden. Es gibt Momente zum Schmunzeln und Lachen, etwa wenn Marlo ihren Gegenüber mal wieder mit einem treffsicheren Spruch zum Schweigen bringt oder ihre Schwägerin wie selbstverständlich davon erzählt, dass sie selbst es im neunten Schwangerschaftsmonat kaum noch ins Fitnessstudio geschafft habe. Zugleich sind da aber auch so viele ehrliche, intime und emotionale Momente, die das Familienleben porträtieren, die Mitglieder bei alltäglichen Hausarbeiten zeigen, beim schlichten Beisammensein. Oder den Ehemann, der sich abends am liebsten mit Videospielen vergnügt, was zwar durchaus Kritik an seinem Verhalten evoziert, aber niemals so deutlich ausgesprochen wird, dass es plakativ wäre. Ohnehin kommt Tully in vielen seiner besten Momente ohne Sprache aus, verlässt sich stattdessen auf seine Bilder und vor allem die Darsteller*innen, ihr Zusammenwirken und ihre Präsenz.
Autor und Regisseur Jason Reitman (Thank You For Smoking) findet also nicht nur die richtigen Worte (beziehungsweise weiß, wann er sie weglassen muss), sondern auch die Bilder: Tully bedient sich eines authentischen, nahbaren Halb-Handkamerastils, der die Distanz zu den Figuren verringert, und hat besonders in seinen Montagen eine grandiose Schnittarbeit zu bieten. Den großen „Twist“ – ja, den gibt es hier, auch wenn man das ob dieses Genres zunächst nicht vermutet – riecht man zwar bereits aus drei Kilometern Entfernung. Ist aber auch nicht schlimm, denn der Fokus liegt hier an ganz anderer Stelle: Das anstrengende, aber doch erfüllende Leben als Mutter in seinen Höhen und Tiefen greif- und, wenn schon nicht erfahr-, so doch zumindest nachvollziehbar zu machen. Kurzweilig, klug und absolut sehenswert.
Bild: © DCM
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