Diego Maradona

Asif Kapadia, UK 2019 – Dokumentarfilm-Doppelpack: Nachdem mich die Miles-Davis-Doku Birth of the Cool zuletzt ja eher ernüchtert zurückgelassen hat, folgte kurz darauf mit Diego Maradona ein Genre-Exemplar, das zeigt, wie man es richtig macht. Asif Kapadia, Regisseur von Amy und Senna, beweist hier (erneut), wie man mit dem richtigen Material, einem gekonnten Schnitt und einer passgenauen Dramaturgie einen Film rund um eine öffentlichen Figur strickt, über die vermeintlich schon alles gesagt wurde – der aber trotzdem zahlreiche spannende Erkenntnisse zutage fördert. Und vor allem: unfassbar mitreißend ist.
Das beginnt schon beim Einstieg, der die ersten Jahre von Maradonas Karriere in Argentinien sowie beim FC Barcelona in einer rhythmischen, überaus dynamischen Montage zusammenfasst, um anschließend mit seinem Wechsel nach Neapel so richtig in die Geschichte einzusteigen. Die Jahre, die er dort verbracht hat und die von einigen Tiefen, vor allem aber Höhen geprägt waren, bilden den Mammutanteil des Films, der – wie schon Senna – zu nahezu 100 Prozent aus Archiv- und TV-Aufnahmen besteht. In unregelmäßigen Abständen kommen Zeitzeugen aus dem Off (aber nicht als Talking Heads) zum Wort, liefern Kontext und Meinungen, überlassen sonst jedoch den Bildern die Erzählung der Geschichte. Auf diese Weise wird man nicht nur zum Beobachter des Geschehens – man hat vielmehr das Gefühl, live dabei gewesen zu sein.
Geradezu überragend fällt – abermals – die Montage aus, die einen beinahe Spielfilm-haften Flow erzeugt. Die knapp 130 Minuten (was im Normalfall für eine Doku viel zu lang wäre) vergehen deshalb wie im Flug. Nicht zuletzt ist dies aber auch eine Folge der Ambivalenz, die dieses Werk seinem Protagonisten beifügt. Ob nun der reale Mensch Diego oder die öffentliche Kunstfigur Maradona – beide haben ihre hellen und ihre dunklen Seiten, beide sind von einem krassen Zwiespalt gekennzeichnet und können doch nicht losgelöst voneinander existieren. Weshalb man sich wohl (im Gegensatz zu früheren Werke) diesmal für die Verwendung von Vor- und Zuname im Titel entschied. Natürlich ist auch ein bisschen Legendenbildung dabei. Aber wenn das mit einer solch hohen filmischen Qualität verbunden ist, dann nehme ich das sehr gern in Kauf.
Bild: © DCM
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