Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga (2020)

David Dobkin, USA 2020 – Gleich zweimal innerhalb weniger Tage habe ich mir die Netflix-exklusive Produktion Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga angetan. Und nein, das lag nicht an etwaigen masochistischen Tendenzen, sondern daran, dass ich beim ersten Mal – als ich ihn allein sah – schon ordentlich Spaß hatte, beim zweiten Mal jedoch – im Beisammensein eines kleinen Familienteils – aber nochmal mehr. Allerdings sei gleich gesagt: Um bei diesem Film Vergnügen zu empfinden, bedarf es gewisser Voraussetzungen.
Die offensichtlichste ist wohl: Man sollte Fan des ESC sein. Denn die Geschichte um Lars Erikssong (Will Ferrell) und Sigrit Ericksdottir (Rachel McAdams), die aus dem isländischen Dorf Húsavík stammen, ist entgegen erster Annahmen keine platte Parodie auf dieses Musikevent, sondern zugleich eine herzliche Hommage daran. Ferrell stellte hierfür als großer ESC-Fan die Weichen (Produktion und Drehbuch) und man merkt schon bald, dass er dieses musikalische Großereignis mit viel Liebe, aber auch trashiger Freude zu verfolgen scheint.
Nun bin ich allerdings kein ESC-Fan. Also so überhaupt nicht. Warum hat mich Fire Saga – so der Name des Duos – trotzdem gekriegt? Weil ich (manche Leser erinnern sich vielleicht noch) im letzten Jahr in Island war und deshalb enorme Flashbacks bekommen habe. Zwar spielt der Film höchstens zu einem Drittel auf der skandinavischen Insel und zeigt dort, wie der Dorfdepp Erikssong, von seinem Vater (Pierce Brosnan) und dem Rest der Gemeinde wahlweise belächelt oder verachtet, nur durch eine Verkettung von Zufällen zusammen mit Sigrit beim ESC antreten darf. Das reichte aber aus, um wohlige Fernweh-Gefühle zu wecken.
Der Rest des Films ist allerdings Malen nach Zahlen: eine berechenbare (Fast-)Erfolgsstory, wie sie in nahezu jedem Musiker-Film zu finden ist, inklusive aller Höhen und Tiefen, die so eine Fünf-Akt-Struktur verlangt. Da gibt es dann auch ein cringiges Medley mit diversen ESC-Cameoauftritten, einiges an emotional-romantischem Blabla und viel fremdschämig-infantilen Humor, der aber dennoch einige Male zündet. Zu erwähnen sei etwa alles, was mit dem Russen Alexander Lemtov (Dan Stevens) zusammenhängt oder was der ESC-Moderator Graham Norton (als er selbst) an sarkastischen Kommentaren von sich gibt. Auf Skript-Ebene sind die beiden Hauptfiguren und ihre Entwicklung insgesamt aber besser gelungen, als der komödiantische Part – was für eine Comedy mit Will Ferrell schon einiges heißt.
Hervorgehoben werden muss allerdings, auf welch hohem Niveau sich die Musiknummern und die dazu passenden Bühnenauftritte bewegen: Der ekelhaft poppige ESC-Flair wird hier perfekt eingefangen, die Nummern gehen aber trotzdem (oder gerade deswegen) sehr gut rein. Und „Ja Ja Ding Dong“ ist, auch wenn der nicht beim Contest selbst gespielt wird, tatsächlich einer der mitreißendsten Songs, die ich in letzter Zeit gehört habe. Deshalb ist dieser Film sowohl als Parodie auf als auch Hommage an den ESC gelungen. So lasse ich mich zu folgender These hinreißen: The Story of Fire Saga ist ein sehr guter Film für eine Party oder zumindest mittelgroße Zusammenkunft mit Freunden. Auch wenn er eine gute halbe Stunde zu lang ist.
Bild & Trailer: © Netflix
Wie kommst du auf 5 Akte? So gut wie jeder Film hat doch bekanntlich eine 3-Akt-Struktur.
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Die 3-Akt-Struktur ist im Prinzip eine „vereinfachte“ Form der 5-Akt-Struktur, wo der mittlere Akt nochmal in drei kleinere Akte unterteilt wird. In den meisten klassischen 3-Akter kann man also durchaus einen 5-Akter hineinlesen 😉
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Stimmt, jetzt erinner ich mich daran.
Und wehe in Hollywood verstößt jemand gegen diese Struktur! Dann wird die Person standrechtlich erschossen. 😉
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Um den Film streuner ich schon seit geraumer Zeit herum. Bin auch kein ESC Fan, aber dafür Will Ferrell Fan. Irgendwann muss ich mir den nochmal geben 😀
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Hast ja Zeit, bleibt ja vorerst verfügbar, solange es Netflix gibt ^^ Aber als Ferrell-Fan sollte das für dich ein Traum sein. Auch wenn der Humor m.E. nicht so brachial ist, wie in einigen anderen seiner Filme
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Dan Stevens ist der absolute Knaller, aber der Film ist eher drollig, denn gut. Dennoch sehe ich ein gewisses Kultpotential, auch wenn die ESC-Bubble ihn eher gemischt aufgenommen hat.
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„Drollig“ ist ein wunderbar treffendes Wort!
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