Der Fall Richard Jewell (2019)

Richard Jewell, Clint Eastwoord, USA 2019 – Clint Eastwood hat ein Herz für Helden. Respektive Menschen, die von der (US-amerikanischen) Öffentlichkeit zu Heldenfiguren erklärt werden. Ist wohl so ein Western-Ding… Wie dem auch sei: In seinem neuen Film heißt der Held Richard Jewell (Paul Walter Hauser). Richard möchte aber auch unbedingt ein Held sein. In den späten 80ern und frühen 90ern verdingt er sich als Sicherheitsbeamter und schießt das ein oder andere Mal, gelinde gesagt, übers Ziel hinaus. Auf dem Campus schikaniert er Studenten, auf dem Highway kontrolliert er Autofahrer, auch wenn er dazu gar keine Berechtigung hat. Seine Arbeit als Polizist hat er aufgrund seiner Überambition bereits verloren, er muss sich deshalb mit einem Job als Security-Mann zufriedengeben.

Bei einem Konzert im Rahmen der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta wird Richard aber tatsächlich zum Helden: Der untersetzte, zaghafte, autoritätshörige Mann, der noch bei seiner Mutter (Kathy Bates) lebt – wolle man böse sein, könnte man ihn als Weirdo bezeichnen – entdeckt unter einer Bank einen mit Sprengstoff gefüllten Rucksack. Statt Dutzender kommen bei der Explosion nur zwei Menschen ums Leben. Richard ist endlich der Held, der er immer sein wollte. Doch für das FBI passt er ins Raster des „einsamen Bombenlegers“, der ein Verbrechen begeht, um es zu verhindern und so die Aufmerksamkeit zu bekommen, nach der er giert. Die Behörde nimmt ihn mit allen Mitteln auseinander. Der einzige, der zu ihm steht, ist ein alter Bekannter, der Anwalt Watson Bryant (Sam Rockwell).

Was Charakterzeichnung und Spannung angeht, malt Eastwood hier mit dem gewohnt groben Pinsel – das aber wie so oft durchaus effektiv. Richard Jewell ist in dieser filmischen Version der Realität ein liebenswerter Narr, den die Polizei nach Strich und Faden verarscht, um an fingierte Beweise zu bekommen, um ihm irgendetwas anzuhängen, nur um einen Schuldigen zu haben und den Fall abhaken zu können. Das artet in einigen Momenten derart aus, dass man sowohl ob der Dreistigkeit des FBI als auch Richards Unvermögen, für sich selbst einzustehen, sich zu verteidigen, sich aufzulehnen gegen die Willkür der Behörden, die er so sehr verehrt, aufspringen und um sich schlagen will.

Es ist aber nicht nur der Hauptdarsteller, der hier glänzt: Kathy Bates sorgt mit einer superben Performance für die emotionale Unterfütterung der Geschichte, Sam Rockwell als wortgewaltiger, aufbrausender Anwalt steht einerseits als Stellvertreter für das Publikum, andererseits für die Verkörperung der rationalen Vernunft, die den meisten anderen hier zu fehlen scheint – auch der Journalistin Kathy Scruggs (Olivia Wilde), deren Figur dann einem aber doch sauer aufstoßen kann. Zu überzeichnet, zu platt wirkt sie, muss sie doch stellvertretend für all jene Medien herhalten, die sich einst zu Vorverurteilungen hinreißen ließen. Und zu forciert wirkt schlussendlich ihre Läuterung. Man spürt: Der erklärte Konservative Eastwood arbeitet sich hier auch genüsslich (zu genüsslich) im Bereich der Medienkritik ab. Da aber auch das FBI ordentlich was abbekommt, fällt es schwer, eine eindeutige politische Agenda aus diesem Film herauszulesen.

Was den Regisseur stattdessen allem voran interessiert, ist das Schicksal dieses Mannes, dieses Helden, der schlussendlich nochmal zur großen pathetischen Rede antreten darf. Und diese mit Bravour vorträgt. Abseits aller ideologischen Ansätze ist Der Fall Richard Jewell deshalb einfach nur ein guter, spannender und packender Film.

imdb / Trailer

Bild: © Warner Bros.

Comments

4 Antworten zu „Der Fall Richard Jewell (2019)”.

  1. Avatar von eccehomo42

    These: Der Film wäre in den USA abgefeiert worden, wenn er von einem weniger republikanisch eingeordneten Regisseur gekommen wäre. Sam Rockwell ist einfach so gut, wie eigentlich immer.

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    1. Avatar von christianneffe

      Interessante These, die ich nur schwer einordnen kann, weil ich keine Ahnung vom öffentlichen Bild Eastwoods dort habe… Hätte eher gedacht, er wird dort trotz allem noch für Filmkarriere hochgeschätzt. American Sniper war da deutlich „platter“, wurde aber mehr gefeiert. Allerdings waren das Prä-Trump-Zeiten…

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      1. Avatar von eccehomo42

        American Sniper war mies, würde heute fünf-sechs Jahre später aber wahrscheinlich auch hemmungslos zerrissen werden.

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      2. Avatar von christianneffe

        Mies war er meiner Erinnerung nach nicht, nur sehr… glorifizierend

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